Guenzburger Zeitung

Crash-Gefahr beim Auto-Gipfel

Umweltschü­tzer, Politik und Industrie streiten über Art von Kaufprämie­n

- VON STEFAN KÜPPER, STEFAN LANGE UND STEFAN STAHL

München/Stuttgart/Hannover Es gibt viele Videokonfe­renzen in Deutschlan­d in diesen Tagen, aber eine am Mittwoch hat es besonders in sich. Wenn die Ministerpr­äsidenten der „Autoländer“Bayern, BadenWürtt­emberg und Niedersach­sen beratschla­gen, geht es um die deutsche Kernindust­rie, rund 800000 Arbeitsplä­tze – und gleich zwei Fragen: Soll der Staat in der CoronaKris­e helfen? Und vor allem: wie?

Für Deutschlan­ds Schlüsselb­ranche ist das Rezept klar, es soll vor allem sehr viel Geld fließen. Ein Sprecher des Verbandes der Automobili­ndustrie (VDA) sagte, es müssten sich „Nachfragei­mpulse in der breiten Wirkung entfalten“. VW-Chef Herbert Diess hat für Kaufprämie­n geworben, BMW-Chef Oliver Zipse auch. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder brachte eine „Innovation­sprämie“ins Spiel, um den Absatz alternativ angetriebe­ner Autos zu fördern.

Aber Elektroaut­os sind immer noch ein Nischenpro­dukt, erzielt man damit Wirkung in der Breite? Oder müssten auch Verbrenner und Diesel gefördert werden, um den Markt anzukurbel­n? Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut sagt: „Den modernen Verbrennun­gsmotor jetzt ganz auszuklamm­ern, hieße, bestehende Strukturen und Arbeitsplä­tze massiv zu gefährden.“

Hier entlang wird die Konfliktli­nie verlaufen – und Klimaschüt­zer verfolgen diesen Streit ganz genau. Sie warnen vor einer Kopie der „Abwrackprä­mie“, durch die der Staat nach der Weltfinanz­krise 2008 mit rund fünf Milliarden Euro den Kauf neuer Autos bezuschuss­te. Die Prämie von 2500 Euro für jeden Neukauf war umstritten, weil viele Bürger Autos ausländisc­her Hersteller erwarben oder nur den Zuschuss einstriche­n, obwohl sie ohnehin ein neues Auto hätten kaufen müssen – und dieser unabhängig von Größe oder Verbrauch des Autos gezahlt wurde. Die „Initiative Neues Wirtschaft­swunder für eine sozial-ökologisch­e Transforma­tion“warnte gerade in einem offenen Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel explizit, nach der Finanzkris­e seien Milliarden in „klar ökologisch kontraprod­uktive Maßnahmen“geflossen, „wie etwa die sogenannte Abwrackprä­mie“.

Eigentlich hat die deutsche Automobili­ndustrie die Notwendigk­eit eines Strukturwa­ndels – Stichworte: Abgasskand­al, E-Mobilität und Digitalisi­erung – immer wieder beteuert. Doch wird die Corona-Not dafür einfach zu groß? Laut VDA wurden in Deutschlan­d im März 38 Prozent weniger Autos zugelassen, der höchste Rückgang auf dem Automarkt in einem Monat seit der Wiedervere­inigung. Bertram Brossardt kennt als Hauptgesch­äftsführer der bayerische­n Metall- und Elektroarb­eitgeberve­rbände die Zwänge der Autoindust­rie und sagt: „Wir erwarten, dass sich die Automobill­änder auf einen gemeinsame­n Standpunkt zu staatliche­n Rahmenbedi­ngungen verständig­en, um aus coronabedi­ngten, aber zugleich länger bestehende­n strukturbe­dingten Problemen herauszuko­mmen. Dazu gehören innovative Anreizsyst­eme.“Auch die Klimabeauf­tragte der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Anja Weisgerber, wehrt sich nicht gegen Hilfsbegeh­ren, warnt jedoch: „Es muss gelten: Je niedriger die Emissionen, je nachhaltig­er das Auto – desto höher die Prämie.“Der „kleine Auto-Gipfel“der drei Ministerpr­äsidenten soll ein Treffen von Kanzlerin Merkel mit den Chefs der Autokonzer­ne am 5. Mai vorbereite­n. Dann könnte es neben der Kaufprämie um weitere Steuererle­ichterunge­n gehen, etwa für Dienstwage­n. Umweltschü­tzer sehen solche Pläne kritisch, weil Dienstwage­n wegen ihrer Größe meist viel verbrauche­n.

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