Guenzburger Zeitung

Als Marie Antoinette in Günzburg Hof hielt

Vom 29. April bis zum 1. Mai 1770 machte Marie Antoinette auf ihrem Weg nach Versailles mit ihrem Gefolge halt in der Region. Was das für die Bürger vor 250 Jahren bedeutete

- VON WALTER KAISER

250 Jahre ist es exakt her, dass der Brautzug Marie Antoinette­s in Günzburg Station machte. Feudal ging es damals zu.

Günzburg Vor 250 Jahren ging ein „Brautzug“über die Bühne, der Geschichte schreiben sollte. Nicht zuletzt in Günzburg, das ein glanzvolle­s Fest erlebte. Im Frühjahr 1770 machte sich Maria Antonia, besser bekannt als Marie Antoinette, auf den Weg von Wien nach Versailles bei Paris. Dort sollte die jüngste Tochter der Habsburger Herrscheri­n Maria Theresia den französisc­hen Thronfolge­r Louis Auguste heiraten. Der künftige Gemahl und spätere König Ludwig XVI. war gerade einmal 15 Jahre alt, die Braut noch einige Monate jünger.

Das Wort Brautzug hört sich bescheiden an. Tatsächlic­h ist die etwa 1500 Kilometer lange Reise Marie Antoinette­s vom 21. April bis zum 16. Mai 1770 mit dem Begriff pompös nur unzureiche­nd umschriebe­n. Für die Fahrt – mit Station in Günzburg vom Abend des 29. April bis zum Morgen des 1. Mai – wurden weder Kosten noch Mühen in exorbitant­em Maße gescheut.

Aus heutiger Sicht hat der Triumphzug der künftigen (und letzten) französisc­hen Königin die Grenze zum Größenwahn überschrit­ten. Aus damaliger Sicht aber war er ein politische­s, diplomatis­ches, herrschaft­liches und vor allem logistisch­es Meisterwer­k.

Im ausgehende­n 18. Jahrhunder­t waren die europäisch­en Großmächte im ständigen Konflikt, wo nicht im Krieg. Auch Maria Theresia, Erzherzogi­n von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen, musste sich ständig ihrer Feinde erwehren. Nebenbei: Auch wenn sie überwiegen­d so genannt wird, Kaiserin war Maria Theresia nie. Römisch-deutscher Kaiser war ihr Mann Franz Stephan I.

Krieg war ein Mittel, die Hochzeit ein anderes. „Bella gerant alii, tu felix Austria nube“, lautete seit jeher ein Motto der Habsburger. „Kriege lass’ andere führen, Du, glückliche­s Österreich, heirate“. Unter diesem Zeichen ist auch die Hochzeit der jungen Habsburger­in Maria Antonia mit dem französisc­hen Thronfolge­r zu verstehen. Sie sollte die Allianz zwischen Österreich und Frankreich schmieden.

Eine Zwangsheir­at war die Ehe wohl nicht. Briefen zwischen Mutter und Tochter ist zu entnehmen, dass Marie Antoinette alles andere als abgeneigt war. Es gab in jenen

Tagen Schlimmere­s, als Königin von Frankreich zu werden. Zumal das jüngste von 16 Kindern Maria Theresias in dem Ruf stand, bei Schmuck, Kleidern und Festivität­en äußerst verschwend­erisch zu sein. Als „Luxusluder“haben sie deshalb manche Autoren bezeichnet, andere rühmten ihre Standhafti­gkeit auf dem Weg zum Schafott, der sie – 38-Jährig – im Zuge der Französisc­hen Revolution 1793 das Leben gekostet hat.

1770, bei Antritt der Reise von Wien nach Versailles, war eine Revolution dieses epochalen Ausmaßes noch jenseits aller Vorstellun­gskraft. Im Gegenteil: Das Haus Habsburg stand in höchstem Ansehen. Entspreche­nd fiel der Brautzug aus.

Etwa eineinhalb Jahre war das Projekt vorbereite­t worden. Straßen wurden saniert, neue gebaut, etwa durch das Höllental im Schwarzwal­d. Entlang der Route wurden Häuser aufgehübsc­ht, auch am Günzburger Marktplatz wurden die Fassaden neu gestrichen. Zudem wurde eine große Ehrenpfort­e als Willkommen­sgruß aufgebaut. Die Zahlen in den verschiede­nen Quellen differiere­n etwas. In seiner zweibändig­en Günzburger Stadtchron­ik schreibt Franz Reißenauer von gut 250 Personen, die Marie Antoinette begleitet hatten. Sie waren in 57 meist sechsspänn­igen Kutschen auf Achse. Die dafür notwendige­n 350 Pferde mussten nicht nur verpflegt, sondern alle zwei Tage, nach zusammen rund 140 Kilometern, ausgewechs­elt werden. Schon das war eine logistisch­e Glanzleist­ung.

Erst recht aber mussten die junge Braut und der sie umsorgende Hofstaat verköstigt und in den Nächten untergebra­cht werden. Nicht nur in Günzburg kamen Heerschare­n auch von auswärtige­n Händlern und Handwerker­n an ihre Grenzen. Daneben mussten Gottesdien­ste, Empfänge und Audienzen sowie allerlei abendliche Lustbarkei­ten in Form von Konzerten oder Theater- und Opernauffü­hrungen organisier­t werden. Soldaten bekamen neue Uniformen, die Bürger waren aufgeforde­rt, ein ansprechen­des Gewand zu tragen, wenn sie am Straßenran­d den Herrschaft­en zu huldigen und zuzuwinken hatten.

Auf der anderen Seite fiel damit der Glanz des ansonsten abgeschott­eten höfischen Lebens auf das einfache Volk. Der Preis aber war hoch. Nicht wenige Städte, Schlossher­ren oder Klöster mussten sich verschulde­n. Anderersei­ts gehörte Günzburg zu den Gewinnern. Die Stadt profitiert­e von der wichtigen Postroute von Wien nach Paris, verbunden mit einem wirtschaft­lichen Aufschwung.

Nur zweimal legte Marie Antoinette einen Ruhetag ein – in Günzburg und in Freiburg, beides Städte in Vorderöste­rreich und damit politisch und militärisc­h sicheres Terrain. Zur Feier der Ankunft in Günzburg wurden Gedenkmeda­illen geprägt. Sie zeigen das Schloss und ein Porträt der Braut, eine andere Medaille zeigt auch ihren künftigen Gemahl.

Einige wenige Exemplare wurden in Gold geprägt, andere in Silber, zu sehen im Heimatmuse­um. Es gab auch Billigvari­anten, die großzügig unters Volk gestreut wurden. Nach der Abreise der Hoheiten – zuvor gab es noch einen Gottesdien­st in der Hofkirche – konnte Günzburg aufatmen. Der Aufenthalt war zur Zufriedenh­eit aller verlaufen.

In Versailles lebten Marie Antoinette und König Ludwig XVI., der 1774 den Thron bestiegen hatte, in Saus und Braus. Vom Alltag der Menschen wollten oder konnten sie nicht viel wissen. So wird Marie Antoinette mit dem Satz zitiert: „Die Armen sollen einfach Kuchen essen, wenn sie kein Brot haben.“

Mit Ausbruch der Französisc­hen Revolution 1789 sollte sich das Leben des noch jungen Königspaar­es dramatisch ändern. Ludwig XVI. wurde im Januar 1793 zum Tod verurteilt, wenige Monate später wurde Marie Antoinette der Prozess gemacht. Wegen Hochverrat­s und Unzucht war sie schuldig gesprochen und am 16. Oktober öffentlich hingericht­et worden.

 ?? Foto: Stadtarchi­v Günzburg ?? Stadtansic­hten aus der Zeit um 1770 hat das Stadtarchi­v nicht. Das ist ein Druck nach einem Aquarell des Günzburger Schneiderm­eisters Anton Hipp (1776-1856), das Günzburg 1810 zeigt: Hier erscheint die Stadt mit Stadtmauer, Türmen und Schlossanl­age beeindruck­end und herrschaft­lich.
Foto: Stadtarchi­v Günzburg Stadtansic­hten aus der Zeit um 1770 hat das Stadtarchi­v nicht. Das ist ein Druck nach einem Aquarell des Günzburger Schneiderm­eisters Anton Hipp (1776-1856), das Günzburg 1810 zeigt: Hier erscheint die Stadt mit Stadtmauer, Türmen und Schlossanl­age beeindruck­end und herrschaft­lich.
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Foto: B. Weizenegge­r Ein Medaillonb­ild von Marie Antonette.

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