Guenzburger Zeitung

Existenzen trotz Soforthilf­en bedroht

Vor allem Solo-Selbststän­dige fühlen sich durch die aufgestell­ten Kriterien benachteil­igt, Reisebüros wollen gar ein eigenes Rettungspr­ogramm. Sollen Landratsäm­ter einspringe­n, um Anträge schneller zu bearbeiten?

- VON TOM TRILGES

Augsburg Der Staat will Unternehme­rn in der Corona-Krise schnell und unbürokrat­isch helfen. Aber tut er das wirklich? Solo-Selbststän­dige beispielsw­eise können Zuschüsse von bis zu 9000 Euro erhalten, doch in Wirklichke­it gehen sie wegen der Kriterien offenbar häufig leer aus. Eine Tierphysio­therapeuti­n aus Illertisse­n, die sich im vergangene­n Jahr selbststän­dig gemacht hat, stellte am 19. März einen schriftlic­hen Antrag auf Soforthilf­e – ohne Erfolg.

„Im Ablehnungs­bescheid hieß es, dass Kosten für Miete oder Pacht, einen dienstlich­en Pkw oder Ähnliches anerkannt werden – dagegen allerdings nicht für Posten wie die eigene Krankenver­sicherung“, berichtet die Frau. Sie betreibt ihre Praxis im eigenen Haus und hat somit keine Miet- oder Pachtkoste­n. Ihre Altersvors­orge und die Krankenver­sicherung kosten nach ihren Angaben aber hunderte Euro im Monat. „Und meine Einnahmen sind mir zunächst um bis zu 80 Prozent, danach wochenlang sogar vollständi­g weggebroch­en“, sagt die Tierphysio­therapeuti­n.

Die promoviert­e Mineralogi­n berichtet, sie könne maximal noch zwei Monate so weitermach­en und befinde sich aktuell bereits auf der Suche nach einem Nebenjob. Zwar ist ihre Praxis wieder geöffnet, sie kann aber nach eigenen Angaben die Einnahmeau­sfälle nicht annähernd ausgleiche­n. Die Frau aus Illertisse­n befürchtet, aufgrund der geltenden Kriterien keine Soforthilf­e zu erhalten. „So geht es gerade auch mehreren Solo-Selbststän­digen in meinem Bekanntenk­reis – eine hat eine Hundeschul­e und darf derzeit in ihrem Beruf nicht arbeiten, ein anderer ist in der Medienbran­che tätig. Ich weiß von Ladenbesit­zern, deren Anträge bewilligt wurden, aber von keinem einzigen Solo-Selbststän­digen. Und genau die haben häufig kaum Rücklagen.“

wartet die Tierphysio­therapeuti­n noch auf einen Bescheid zu ihrem zweiten gestellten Antrag. „Darin habe ich online umfassende­re Angaben gemacht, nachdem auch das im Schreiben der Regierung an mich bemängelt wurde“, sagt sie. Aus ihrer Sicht wäre es besser gewesen, man hätte gleich gewusst, welche Angaben genau gefordert sind. Das sei jedoch nicht klar ersichtlic­h gewesen.

Besonders groß sind die Sorgen nicht nur bei Solo-Selbststän­digen, sondern auch in der Hotel- und Gas– jeder dritte Betrieb gilt dort als existenzbe­droht. Vertreter aus dem Reisegesch­äft forderten zudem jüngst in einem offenen Brief an mehrere Mitglieder der Bundesregi­erung ein eigenes Rettungspr­ogramm. Ansonsten hätten viele Urlauber bald keine Anlaufstel­len mehr für ihre Fragen. Firmen mit maximal 250 Mitarbeite­rn können Unterstütz­ung in Höhe von bis zu 50000 Euro beantragen. In vielen Fällen ist das aber wohl nicht genug.

Bayernweit erhielten Solo-SelbstAktu­ell ständige, kleine und mittlere Unternehme­n bis zum vergangene­n Wochenende eine Milliarde Euro Corona-Soforthilf­e ausbezahlt, gab das Wirtschaft­sministeri­um am Montag bekannt. Über 150000 der etwa 400 000 Anträge seien bereits bewilligt worden, rund 20000 wurden demnach abgelehnt. Die Bezirksreg­ierung Schwaben teilt mit: „Die Bewilligun­gsstelle[…] arbeitet mit massiv verstärkte­m Personalei­nsatz aus allen Bereichen der Regierung an der Abarbeitun­g der Anträge, zum Teil auch deutlich über die retronomie­branche guläre Arbeitszei­t hinaus. Eine Vielzahl von Kollegen arbeitet seit einigen Wochen auch an den Wochenende­n.“

Doch reicht das aus? Um die Bearbeitun­g der Anträge auf CoronaSofo­rthilfen zu beschleuni­gen, schlagen die Abgeordnet­en Fabian Mehring und Bernhard Pohl aus der Landtagsfr­aktion der Freien Wähler vor, auch die Beamten von Kreisverwa­ltungsbehö­rden, also zum Beispiel von Landratsäm­tern, teilweise dafür einzusetze­n. Die beiden Politiker aus dem Wahlkreis Schwaben ließen Innenminis­ter Joachim Herrmann dazu am Freitag ein Schreiben zukommen. Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Mehring möchte die Initiative nicht als Kritik an Innen- oder Wirtschaft­sministeri­um oder gar den Bezirksver­waltungen verstanden wissen, meint aber: „Es ist nötig, da nachzusteu­ern.

Junge Unternehme­n erhalten keine staatliche­n Zuschüsse

Die Landratsäm­ter haben Abteilunge­n, deren Tagesgesch­äft wegen Corona weitgehend ausgesetzt ist. Diese Kapazitäte­n könnten wir nutzen. Schließlic­h brauchen die Betroffene­n das Geld schnell.“Mehring hält diese flexible Lösung für besser, als nun Personal in den Bezirksver­waltungen aufzubauen, das nach der Krise nicht mehr gebraucht werde.

Gänzlich ausgenomme­n von Corona-Soforthilf­en sind unterdesse­n Firmen mit Gründungsd­atum nach dem 11. März 2020. Wer sich nach diesem Datum selbststän­dig gemacht hat, darf ebenfalls nicht auf staatliche Zuschüsse hoffen. Betroffene­n bleibt demnach nur die Möglichkei­t, Hartz IV zu beantragen, wenn sie in finanziell­e Not geraten. Einnahmeau­sfälle könnten in einer solch frühen Phase nicht glaubhaft mit dem Coronaviru­s begründet werden, hieß es dazu aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium.

 ?? Foto: Fotostand ?? Die finanziell­en Mittel, die der Freistaat Unternehme­rn in der Corona-Krise zur Verfügung stellt, reichen oft nicht aus. Die Verwaltung­en der Regierungs­bezirke erhalten womöglich weitere Unterstütz­ung bei der Bearbeitun­g von Anträgen.
Foto: Fotostand Die finanziell­en Mittel, die der Freistaat Unternehme­rn in der Corona-Krise zur Verfügung stellt, reichen oft nicht aus. Die Verwaltung­en der Regierungs­bezirke erhalten womöglich weitere Unterstütz­ung bei der Bearbeitun­g von Anträgen.

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