Sprechstunde per Video-Anruf
Virtuelle Sprechstunde statt volle Wartezimmer: Zum Schutz der Mitarbeiter und Patienten setzen immer mehr Arztpraxen auf Telemedizin. Ein Augsburger Arzt berichtet von seinen Erfahrungen
Augsburg Wer bei Hausarzt Gunay Dönmez einen Termin möchte, muss nicht zwangsläufig in seine Praxis am Augsburger Moritzplatz kommen. Um seinen Patienten die Angst vor einer Ansteckung zu nehmen, setzt Dönmez verstärkt auf Telemedizin. Virtuelle Sprechstunde statt Wartezimmer: Seit zwei Wochen können Patienten in bestimmten Fällen nicht mehr nur per Telefon, sondern auch per VideoChat Hilfe bekommen.
Dönmez ist einer von nicht allzu vielen Ärzten in Deutschland, der auf die Video-Sprechstunde setzt. Durch die Ausbreitung des Coronavirus sind digitale Angebote aber wichtiger denn je, betont der Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren, Ernährungs- und Notfallmedizin: „Als wir unseren Service gestartet haben, hatten wir kaum Termine – inzwischen bekommen wir täglich neue Anfragen.“Die Bereitschaft der Ärzte einen Video-Service anzubieten, ist exponentiell gestiegen, weiß Axel Heise von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB): „Im März hatten wir knapp 150 Meldungen, im April waren es bereits über 6000.“Die Nutzung der Video-Sprechstunde sei aktuell sinnvoll, wenngleich sie unter normalen Umständen eher eine Ergänzung darstelle.
Patienten, die per Video behandelt werden wollen, benötigten Kamera und Mikrofon. Ob sie sich mit dem Smartphone, Tablet oder Computer einwählen, spielt keine Rolle. Wichtig ist die Software: Wer sich online beraten lassen will, kann den Arzt nicht einfach per Skype-Anruf kontaktieren, sondern muss ein spezielles Programm nutzen. Dafür hat die KVB die Software von 25 Anbietern qualifiziert. Grund: Das Gespräch zwischen Arzt und Patient muss verschlüsselt werden, personenbezogene Daten müssen geschützt sein. Seine Entscheidung, welche Software er in der Praxis nutzen möchte, hat Dönmez mithilfe eines Informatikers getroffen. Patienten, die sich für den Dienst intesein ressieren, erhalten vom Praxisteam weitere Infos. Die Möglichkeit zur Video-Sprechstunde bietet der Mediziner nicht nur über das empfohlene Programm „Patientus“an – auch über die Praxisapp können Patienten mit ihm kommunizieren. Überprüfen würde die KVB die korrekte Umsetzung bei VideoSprechstunden nicht. Heise sagt: „Unsere Mitglieder sind freie Unternehmer, deshalb trägt jeder Arzt selbst die Verantwortung.“
Wie in der analogen Welt muss auch für die Video-Sprechstunde ein Termin vereinbart werden. „Der Ablauf ist der gleiche – allerdings kann man seine Präferenz angeben, Video-, Telefon- oder normale Sprechstunde“, erklärt Dönmez. Wer sich für die Online-Variante entscheide, bekomme vom Praxisteam eine E-Mail mit einem Link und einer TAN-Nummer. Aktiviert ein Patient den Link, landet er im virtuellen Wartezimmer. Anfangs habe das oft für Verwirrung gesorgt. „Viele Patienten dachten, dass sie bei der Video-Sprechstunde sofort an die Reihe kämen.“Zwar plane er spezielle Blöcke für virtuelle Termine ein, doch an ein strenges Zeitlimit möchte sich der Mediziner trotzdem nicht halten. Er nehme sich so viel Zeit, wie notwendig sei.
Video-Sprechstunden seien vor allem bei Rezeptverlängerungen, Besprechungen von Laboruntersuchungen und Befunden, sowie Nachsorgeuntersuchungen für Patienten, die nicht mobil sind, geeignet. Mit Corona hat sich das verändert: „Prinzipiell ist es mir immer lieber, wenn ich Untersuchungen vor Ort durchführen kann – doch das ist inzwischen nicht mehr ohne Risiko möglich.“Aufgrund der Größe seiner Praxis könne er bis zu acht Patienten separieren. Ein Infektionsrisiko bleibe dennoch.
Was dem Mediziner bei all den Vorteilen fehlt, ist der zwischenmenschlichen Aspekt. Vor Ort kann Dönmez die Patienten abtasten, ihre Lunge abhören oder ihnen Blut abnehmen. Aus der Ferne einschätzen zu können, wie stark Schmerzen tatsächlich sind und was die Ursache könnte, sei nicht einfach. „Mimik und Gestik passen oft nicht zusammen – über den Bildschirm ist es schwierig, Genaueres herauszufinden.“Auch die Technik spielt eine Rolle. Damit das Bild nicht ruckelt, hat Dönmez nachgerüstet. Auf die Internetverbindung der Patienten hat das Praxisteam keinen Einfluss.
Während Ärzte in anderen Ländern bereits per Video-Diagnose behandeln durften, wurde das Fernbehandlungsverbot in Deutschland erst im Jahr 2017 aufgehoben. Mit der Corona-Krise gab es wichtige Änderungen: Die Genehmigungspflicht bei der KVB wurde in eine Meldepflicht geändert und die Obergrenze von maximal 20 Prozent der Patienten abgeschafft.
Doch auch wenn die VideoSprechstunde für Dönmez in den meisten Fällen mit der gleichen Arbeit verbunden ist, gibt es bei der Entlohnung Unterschiede. Aktuell muss er für seine digitalen Dienste, etwa bei der Video-Sprechstunde weniger berechnen, als beim direkten Kontakt mit seinen Patienten.