Guenzburger Zeitung

Sprechstun­de per Video-Anruf

Virtuelle Sprechstun­de statt volle Wartezimme­r: Zum Schutz der Mitarbeite­r und Patienten setzen immer mehr Arztpraxen auf Telemedizi­n. Ein Augsburger Arzt berichtet von seinen Erfahrunge­n

- VON TANJA FERRARI

Augsburg Wer bei Hausarzt Gunay Dönmez einen Termin möchte, muss nicht zwangsläuf­ig in seine Praxis am Augsburger Moritzplat­z kommen. Um seinen Patienten die Angst vor einer Ansteckung zu nehmen, setzt Dönmez verstärkt auf Telemedizi­n. Virtuelle Sprechstun­de statt Wartezimme­r: Seit zwei Wochen können Patienten in bestimmten Fällen nicht mehr nur per Telefon, sondern auch per VideoChat Hilfe bekommen.

Dönmez ist einer von nicht allzu vielen Ärzten in Deutschlan­d, der auf die Video-Sprechstun­de setzt. Durch die Ausbreitun­g des Coronaviru­s sind digitale Angebote aber wichtiger denn je, betont der Facharzt für Innere Medizin, Naturheilv­erfahren, Ernährungs- und Notfallmed­izin: „Als wir unseren Service gestartet haben, hatten wir kaum Termine – inzwischen bekommen wir täglich neue Anfragen.“Die Bereitscha­ft der Ärzte einen Video-Service anzubieten, ist exponentie­ll gestiegen, weiß Axel Heise von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KVB): „Im März hatten wir knapp 150 Meldungen, im April waren es bereits über 6000.“Die Nutzung der Video-Sprechstun­de sei aktuell sinnvoll, wenngleich sie unter normalen Umständen eher eine Ergänzung darstelle.

Patienten, die per Video behandelt werden wollen, benötigten Kamera und Mikrofon. Ob sie sich mit dem Smartphone, Tablet oder Computer einwählen, spielt keine Rolle. Wichtig ist die Software: Wer sich online beraten lassen will, kann den Arzt nicht einfach per Skype-Anruf kontaktier­en, sondern muss ein spezielles Programm nutzen. Dafür hat die KVB die Software von 25 Anbietern qualifizie­rt. Grund: Das Gespräch zwischen Arzt und Patient muss verschlüss­elt werden, personenbe­zogene Daten müssen geschützt sein. Seine Entscheidu­ng, welche Software er in der Praxis nutzen möchte, hat Dönmez mithilfe eines Informatik­ers getroffen. Patienten, die sich für den Dienst intesein ressieren, erhalten vom Praxisteam weitere Infos. Die Möglichkei­t zur Video-Sprechstun­de bietet der Mediziner nicht nur über das empfohlene Programm „Patientus“an – auch über die Praxisapp können Patienten mit ihm kommunizie­ren. Überprüfen würde die KVB die korrekte Umsetzung bei VideoSprec­hstunden nicht. Heise sagt: „Unsere Mitglieder sind freie Unternehme­r, deshalb trägt jeder Arzt selbst die Verantwort­ung.“

Wie in der analogen Welt muss auch für die Video-Sprechstun­de ein Termin vereinbart werden. „Der Ablauf ist der gleiche – allerdings kann man seine Präferenz angeben, Video-, Telefon- oder normale Sprechstun­de“, erklärt Dönmez. Wer sich für die Online-Variante entscheide, bekomme vom Praxisteam eine E-Mail mit einem Link und einer TAN-Nummer. Aktiviert ein Patient den Link, landet er im virtuellen Wartezimme­r. Anfangs habe das oft für Verwirrung gesorgt. „Viele Patienten dachten, dass sie bei der Video-Sprechstun­de sofort an die Reihe kämen.“Zwar plane er spezielle Blöcke für virtuelle Termine ein, doch an ein strenges Zeitlimit möchte sich der Mediziner trotzdem nicht halten. Er nehme sich so viel Zeit, wie notwendig sei.

Video-Sprechstun­den seien vor allem bei Rezeptverl­ängerungen, Besprechun­gen von Laborunter­suchungen und Befunden, sowie Nachsorgeu­ntersuchun­gen für Patienten, die nicht mobil sind, geeignet. Mit Corona hat sich das verändert: „Prinzipiel­l ist es mir immer lieber, wenn ich Untersuchu­ngen vor Ort durchführe­n kann – doch das ist inzwischen nicht mehr ohne Risiko möglich.“Aufgrund der Größe seiner Praxis könne er bis zu acht Patienten separieren. Ein Infektions­risiko bleibe dennoch.

Was dem Mediziner bei all den Vorteilen fehlt, ist der zwischenme­nschlichen Aspekt. Vor Ort kann Dönmez die Patienten abtasten, ihre Lunge abhören oder ihnen Blut abnehmen. Aus der Ferne einschätze­n zu können, wie stark Schmerzen tatsächlic­h sind und was die Ursache könnte, sei nicht einfach. „Mimik und Gestik passen oft nicht zusammen – über den Bildschirm ist es schwierig, Genaueres herauszufi­nden.“Auch die Technik spielt eine Rolle. Damit das Bild nicht ruckelt, hat Dönmez nachgerüst­et. Auf die Internetve­rbindung der Patienten hat das Praxisteam keinen Einfluss.

Während Ärzte in anderen Ländern bereits per Video-Diagnose behandeln durften, wurde das Fernbehand­lungsverbo­t in Deutschlan­d erst im Jahr 2017 aufgehoben. Mit der Corona-Krise gab es wichtige Änderungen: Die Genehmigun­gspflicht bei der KVB wurde in eine Meldepflic­ht geändert und die Obergrenze von maximal 20 Prozent der Patienten abgeschaff­t.

Doch auch wenn die VideoSprec­hstunde für Dönmez in den meisten Fällen mit der gleichen Arbeit verbunden ist, gibt es bei der Entlohnung Unterschie­de. Aktuell muss er für seine digitalen Dienste, etwa bei der Video-Sprechstun­de weniger berechnen, als beim direkten Kontakt mit seinen Patienten.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Mediziner Gunay Dönmez bietet in seiner Praxis am Moritzplat­z seit einigen Wochen eine Video-Sprechstun­de für seine Patienten an. Telemedizi­n wird in der Corona-Krise immer beliebter.
Foto: Ulrich Wagner Mediziner Gunay Dönmez bietet in seiner Praxis am Moritzplat­z seit einigen Wochen eine Video-Sprechstun­de für seine Patienten an. Telemedizi­n wird in der Corona-Krise immer beliebter.

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