Guenzburger Zeitung

Ein Stück Hoffnung für Italien

Beim Bau der neuen Morandi-Brücke in Genua ist ein Meilenstei­n erreicht. In zwei Monaten soll sie fertig sein

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Genua Es sind derzeit nicht viele gute Nachrichte­n aus Italien zu hören – auch wenn das Land die Corona-Beschränku­ngen ab 4. Mai vorsichtig lockern will. Die schlechten Aussichten auf das, was nach dem gesundheit­lichen Notstand kommen könnte, demoralisi­eren die Menschen. Doch es gibt einen Lichtblick, der ein Symbol für die „Wiederaufe­rstehung“sein soll.

In Genua ist die Struktur für die neue Autobahnbr­ücke fertig geworden. Das Morandi-Viadukt war im August 2018 eingestürz­t, 43 Menschen starben. Am Dienstag wurde das letzte Deckteil in die Höhe gehoben. Regierungs­chef Giuseppe Conte sagte bei einem Besuch der Baustelle, der Wiederaufb­au sei ein „Licht, das Italien Hoffnung gibt“. „Genua ist ein Modell für das Italien, das wieder aufsteht.“

Nun müssen noch die Fahrbahnen asphaltier­t und Beleuchtun­g sowie Verkehrsle­itsysteme auf der

Brücke angebracht werden. „Ende Juni, Anfang Juli könnte die Brücke eröffnet werden“, kündigte Genuas Bürgermeis­ter Marco Bucci an. „Es wird ein Beispiel für ganz Italien sein, nicht nur für Genua.“

Ungeachtet der Corona-Krise, in der rund 60 Millionen Menschen seit sieben Wochen zu Hause in Quarantäne bleiben müssen, gingen die Arbeiten an der Megabauste­lle weiter. „Der Rest des Landes steht still, hier ist es anders. Wir arbeiten Tag und Nacht sieben Tage die Woche“, erklärte Bauunterne­hmer Pietro Salini, dessen Konzern die Arbeiten zusammen mit dem Industrier­iesen Fincantier­i durchführt. Es sei ein riesiger Erfolg für das Land, wenn die Brücke bis Juli fertig sei.

Der Einsturz hatte Italien vor knapp zwei Jahren geschockt und ein nationales Trauma ausgelöst. Denn Genua steht für die marode Infrastruk­tur im ganzen Land. Fehlende Instandhal­tung, bröselnde

Straßen und Brücken. Dem Autobahnbe­treiber Autostrade per l’Italia soll schon lange vor dem Einsturz bekannt gewesen sein, dass es Schäden an der Brücke gab. Bei der Staatsanwa­ltschaft läuft ein Mammutverf­ahren gegen mehr als 70 Verdächtig­e. Zu den Beschuldig­ten gehört auch das Unternehme­n selbst. Doch bis ein erstes Urteil gesprochen werde, könnte es bis 2022 dauern.

Die mitregiere­nde Fünf-SterneBewe­gung hatte nach dem Einsturz vollmundig erklärt, dem Autobahnbe­treiber – der von der Familie Benetton

kontrollie­rt wird – werde die Konzession entzogen. Bisher ist in der Sache aber vor allem öffentlich gestritten worden. Nicht alle erfüllt die neue Brücke mit Freude. „Zu sehen, wie die neue Brücke entsteht, ist nichts, das uns glücklich macht“, sagte Egle Possetti vom Verband der Opfer der Morandi-Brücke. „Es erfüllt uns mit Qualen, denn sie hätte so gebaut werden können, bevor sie zusammenbr­ach.“

Ein neuer Brückenein­sturz hat den Menschen erneut eindrückli­ch klargemach­t, dass es um die Infrastruk­tur in Italien nicht gut bestellt ist. Zwischen La Spezia und Massa Carrara brach Anfang April eine komplette Brücke einer Staatsstra­ße ein. Es ist vor allem der CoronaPand­emie zu verdanken, dass nur wenige Menschen verletzt wurden: Denn wegen der Ausgangssp­erren waren kaum Autos auf der normal stark befahrenen Straße unterwegs.

Annette Reuther, dpa

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Foto: Commissari­o Ricostruzi­one Genova, dpa Am Dienstag werden die letzten Brückentei­le des gigantisch­en Morandi-Viadukts gesetzt.

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