Guenzburger Zeitung

Basketball light, aber zumindest live

- VON PIT MEIER sport@augsburger-allgemeine.de

Es gibt Menschen, die haben in Notlagen keinerlei Skrupel. Etwa dieser Sportsfreu­nd aus einer Kleinstadt im Landkreis NeuUlm. Nennen wir ihn an dieser Stelle Gerhard. Als stolzer Besitzer eines Sky-Decoders hat er sich Mitte März das Geisterspi­el zwischen Paris Saint-Germain und Dortmund angeschaut. Seine Erkenntnis an diesem Abend: „Sport ohne Zuschauer kannst doch in die Tonne kloppen.“Man muss dazu wissen, dass Gerhard in roter Bettwäsche schläft, dass unter seinem rot überzogene­n Kopfkissen ein Autogramm von Hasan Salihamidz­ic liegt und dass er den Kader der Meisterman­nschaft des FC Bayern München von 1972 auswendig aufsagen kann. Vorwärts und rückwärts.

Unmut, ja geradezu Ekel bei Gerhard hat trotzdem weniger die Tatsache ausgelöst, dass Borussia Dortmund an diesem Spiel der Champions League beteiligt war. Sondern eben der leere Prinzenpar­k. Schwer zu sagen, ob sich bad vibrations bei Menschen wie Gerhard irgendwie gegenseiti­g verstärken, ob er das Spiel bei einer Mitwirkung seiner Bayern ähnlich widerwärti­g gefunden hätte.

Zugeschaut hat Gerhard jedenfalls an diesem Abend und er wird sicher auch zuschauen, wenn demnächst die Resterampe der Basketball-Bundesliga mit den Fragmenten ihrer Mannschaft­en so etwas Ähnliches wie einen deutschen Meister ausspielen sollte. Zuschauen wird vermutlich auch Gerhards Bruder im Geiste, der dieser Tage gestand: „Wenn ich einen weißrussis­chen Sender empfangen könnte, dann würde ich mir auch weißrussis­chen Fußball anschauen.“Es wird sich mit hoher Wahrschein­lichkeit ein vielleicht sogar reichweite­nstarker deutscher Sender finden, der bereit ist, Basketball zu übertragen. Denn es gibt viele Menschen wie Gerhard und seinen Bruder im Geiste, die nach irgendeine­r Art von Sport in Echtzeit lechzen. Der Bruder im Geiste gab zu bedenken: „Das Finale der Champions League 2013 zwischen Borussia Dortmund und Bayern München war zwar eine geile Sache, aber noch zwölf Mal muss ich mir das nicht unbedingt reinziehen.“

Die Basketball-Bundesliga konnte in der momentanen Situation nicht viel richtig machen mit ihrer Entscheidu­ng, zehn Mannschaft­en unter Ausschluss der Öffentlich­keit drei Wochen lang ein Turnier austragen zu lassen. Aber sie macht auch nichts falsch. Es gibt Menschen, die schauen anderen Menschen beim Poker zu. Es werden mangels Alternativ­en ähnlich viele Menschen Basketball light, aber live sehen wollen. Menschen wie Gerhard und sein Bruder im Geiste. Alle anderen können sich ja wieder mal das Finale der Champions League von 2013 reinziehen. Paris gegen Dortmund gibt es sicher auch bald als Konserve.

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Foto: Horst Hörger Die Ulmer (orange) bleiben weiter am Ball. Für Hamburg dagegen ist die Saison zu Ende.
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