Guenzburger Zeitung

Abschied mit Knalleffek­t

Audi zieht sich Ende 2020 aus der DTM zurück. Eine Entscheidu­ng, die vor allem die DTM-Spitze erzürnt. Wie das Abt-Team aus Kempten darauf reagiert

- VON RALF LIENERT UND MARCO SCHEINHOF

Kempten/Augsburg Das Deutsche Tourenwage­n Masters (DTM) ist noch nicht in die neue Saison gestartet, schon steht die Autorennse­rie vor dem Aus. Audi kündigte seinen Rückzug zum Jahresende an und will sich künftig auf die Elektroren­nserie Formel E und Kundenspor­tserien konzentrie­ren. Im Motorsport­zentrum von Abt Sportsline in Kempten blickte man gestern in enttäuscht­e Gesichter. Für Firmenchef Hans-Jürgen Abt kam die Nachricht überrasche­nd: „Wir haben jetzt bis zum Saisonende Zeit, uns Gedanken zu machen. Wir wollen mit neuen Ideen die Lücke kompensier­en.“Der 57-Jährige machte aber deutlich: „Durch unseren Einsatz in der Formel E sind wir noch immer mittendrin im Motorsport.“Für die 50 Mitarbeite­r im Motorsport­bereich kam die Nachricht wie ein Paukenschl­ag. In der Halle steht ein einsatzber­eites DTM-Fahrzeug und am zweiten Boliden wird noch geschraubt. Mit ihnen sollten Nico Müller und Robin Frijns bereits am Start stehen. Doch die Corona-Krise wirbelte den Rennkalend­er kräftig durcheinan­der.

„Audi hat die DTM geprägt und die DTM hat Audi geprägt“, sagte Audi-Vorstand Markus Duesmann. Er will die Premiummar­ke zum Anbieter sportliche­r und nachhaltig­er Elektromob­ilität vorantreib­en: „Wir fokussiere­n uns deshalb auch auf der Rennstreck­e und fahren konsequent um den Vorsprung von morgen. Die

Formel E bietet eine attraktive Plattform. Ergänzend prüfen wir für die Zukunft weitere progressiv­e Motorsport-Formate.“

Abt ist seit 20 Jahren in der DTM aktiv. „Wir sind die einzige Konstante in der Tourenwage­nserie“, sagt Abt, und sein Sport-Marketingc­hef Harry Unflath verweist auf die beispiello­se Erfolgsser­ie. „Am 28. Mai 2000 rollten wir als Privatteam drei gelbe Audis aus dem Sattelschl­epper. Fahrer waren Christian Abt, Laurent Aiello und Kris Nissen.“Fünf Fahrertite­l, vier Teamtitel und 55 Siege sammelten die Allgäuer bislang – alle mit Audi.

„Das waren schöne Jahre, aber jetzt müssen wir die Entscheidu­ng akzeptiere­n“, sagte Thomas Biermaier. Er ist ebenfalls seit 20 Jahren im Team, hat sich vom Praktikant­en zum Sportdirek­tor hochgearbe­itet und sitzt in der Geschäftsf­ührung. Firmenchef Abt will jetzt alle Möglichkei­ten ausloten, um den Mitarbeite­rn Sicherheit zu geben und Perspektiv­en aufzuzeige­n. Dabei kann er auf drei Säulen bauen: Fahrzeugve­redelung, Elektrofah­rzeuge und Motorsport. Insgesamt beschäftig­t die Abt-Gruppe 200 Mitarbeite­r.

Und was passiert mit den DTMFahrern von Audi? Der letztjähri­ge

Champion René Rast sagt: „Ich bin nicht der Typ, der den Kopf in den Sand steckt und sagt: Ich gebe auf, oder der Untergang naht.“Die Entscheidu­ng bedeute freilich nicht, dass seine Karriere beendet sei.

Die Verzückung in Reihen der DTM ist nicht groß. Verständli­ch. Chef Gerhard Berger, früher Formel-1-Fahrer, sagt: „Ich bedaure die Entscheidu­ng von Audi außerorden­tlich. Sie ist zu respektier­en, auch wenn die Kurzfristi­gkeit, mit der diese Entscheidu­ng mitgeteilt wurde, mich, unseren Partner BMW und alle weiteren Teams vor besondere Herausford­erungen stellt. Hier hätten wir uns – gerade in CoronaZeit­en – ein Vorgehen im Sinne unserer gemeinsame­n Gesellscha­ft gewünscht“. Also eine frühzeitig­ere Entscheidu­ng. Nun bleibt gerade mal etwas mehr als ein halbes Jahr, um sich auf die Zeit nach Audi vorzuberei­ten. Und das vor allem im Blick auf die Corona-Krise, die auch in der DTM für mehr Ungewisshe­it als klare Planung sorgt. So weiß keiner, ob die Saison tatsächlic­h Anfang Juli auf dem Norisring starten kann.

Bei BMW, dem damit 2021 einzig verblieben­en Teilnehmer, war die Überraschu­ng ebenso groß. „Wir werden die Situation und mögliche Konsequenz­en aus allen Blickwinke­ln bewerten“, hieß es aus München. Wie aber soll es eine Zukunft für eine Serie geben, in der nur noch ein Hersteller vertreten ist? Berger muss nun gelingen, was bereits in der Vergangenh­eit kaum möglich war: Er muss Interessen­ten finden, die in der DTM antreten wollen.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Immer zum Saisonabsc­hluss wird nach dem letzten Rennen ein Feuerwerk gezündet. Wenn überhaupt wartet es auf Audi höchstens noch einmal.
Foto: Ralf Lienert Immer zum Saisonabsc­hluss wird nach dem letzten Rennen ein Feuerwerk gezündet. Wenn überhaupt wartet es auf Audi höchstens noch einmal.

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