„Arbeit soll so viel geben, wie sie einem nimmt“
Bibertals Bürgermeister Oliver Preußner gibt nach nur einer Amtsperiode freiwillig sein Amt ab. Er spricht über Sorgen, erfolgreiche Projekte und seine eigene Zukunft
Bibertal Nach sechs Jahren im Amt verlässt der Bibertaler Bürgermeister Oliver Preußner am 1. Mai freiwillig seinen Posten. Er blickt auf turbulente Jahre zurück, auf große und kleine Projekte, die ihm Spaß an seiner Arbeit gegeben haben. Denn das war für ihn immer das Wichtigste. „Ich habe nie Stolz empfunden, Bürgermeister zu sein, weder am Wahlabend noch in den darauffolgenden Jahren“, sagt Preußner. Stattdessen habe er das Amt als eine wichtige Arbeit angesehen und sich erhofft, Freude daran zu finden. Und das mit Erfolg.
Ein Projekt, das Preußner besonders in Erinnerung bleiben wird, ist der Aufbau der Flüchtlingsunterkünfte in Bühl und Kissendorf, die im April 2016 bezogen wurden. „Das war ein schwieriger und kräftezehrender Prozess, aber auch ein erfolgreicher.“Es habe während der
2015 viele Sorgen bei den Bürgern gegeben, das Jahr habe allen viel abverlangt. „Da waren echte Ängste, gepaart mit der Bereitschaft, dass man helfen muss. Aber es gab auch Stimmen dagegen.“Dass sich der Gemeinderat trotzdem für die Unterkünfte entschieden habe, statt dieses Projekt einem privaten Investor zu überlassen, habe Preußner mit Stolz erfüllt. Auch seine Versprechungen, dass die Hilfsbedürftigen gut untergebracht werden, dass eine Basis geschaffen werde, auf der ein Zusammenleben funktioniere, und dass die Heime wieder geschlossen werden, wenn sie nicht mehr notwendig seien – wie es im November 2019 dann auch der Fall war –, habe er halten können.
Doch wie in jedem Beruf habe es natürlich auch viele Sorgen und ab und an Streitigkeiten gegeben. „Vielleicht unterscheidet sich das Bürgermeisteramt in der Hinsicht von anderen Arbeiten, dass Unzufriedenheiten sofort geäußert werden.“Das schreibt Preußner dem gesellschaftlichen Wandel zu. Denn die Unzufriedenen seien immer deutlicher bemerkbar und erwecken dadurch den Anschein, in der Mehrheit zu sein. „Aber diejenigen, die die Gemeinde durch echtes Mitwirken wie etwa im Ehrenamt tragen und am Laufen halten, das sind immer die Stillen.“
Anfang 2019 entschied er sich dann gegen eine erneute Kandidatur bei der Bürgermeisterwahl 2020. Es sei wichtig, dass die Waagschalen wieder ins Gleichgewicht kämen, dass ein Ausgleich zwischen Familie, Freunden und Arbeit bestehe, erklärt er. Denn die Arbeit solle einem immer auch so viel geben, wie sie einem nehme.
In der Position des Bürgermeisters habe er erfahren, in welchem Spannungsfeld man arbeite. „Es werden wahnsinnig viele ErwartunFlüchtlingswelle gen an einen gerichtet, sowohl vom Gemeinderat als auch von den Bürgern. Man stellt natürlich auch eigene Erwartungen an sich, dazu kommen dann noch gesetzliche Vorgaben – es ist eine große Verantwortung, die Arbeit so zu machen, dass man allen gerecht wird.“
Diese Verantwortung übergibt Preußner am 1. Mai seinem Nachfolger Roman Gepperth – und das ganz ohne Abschiedsfeier. Denn so schön eine kleine Verabschiedung im Kreis der Mitarbeiter auch wäre, in diesen Zeiten sei eine solche Zusammenkunft nicht verantwortbar.
Für Preußner geht es jetzt zurück in den öffentlichen Dienst. Er wird im Landratsamt Günzburg im Bereich für Öffentliche Sicherheit und Ordnung arbeiten. Und worauf freut er sich besonders? „Auf den Moment, in dem ich realisiere, dass ich erst mal keine Termine habe und die Wochenenden und Feierabende in Ruhe genießen kann.“