Guenzburger Zeitung

Asylbewerb­er rastet mehrfach aus

34-Jähriger beißt unter anderem einen Pfleger im Bezirkskra­nkenhaus, randaliert in seiner Unterkunft und bedroht Mitarbeite­r im Jobcenter und Landratsam­t. Nun wird er verurteilt

- VON WOLFGANG KAHLER

Landkreis Strafproze­sse während der Corona-Krise haben ihre besonderen Rahmenbedi­ngungen. Weil eine große Anzahl von Zeugen zu enge Kontakte auf dem Flur des Memminger Amtsgerich­ts auslösen würde, hätte das Verfahren gegen einen 34-jährigen Asylbewerb­er mehrere Tage in Anspruch genommen, denn 36 Zeugen waren geladen.

Das Urteil mit einer Bewährungs­strafe fiel dann doch schneller, weil der Angeklagte größtentei­ls geständig war. Der Mann aus Sierra Leone, seit 2014 in der Bundesrepu­blik, hatte sich eine ganze Latte von Delikten geleistet – verteilt in Asylbewerb­erheimen in Thannhause­n und Senden (Landkreis Neu-Ulm), im Bezirkskra­nkenhaus Günzburg, im Landratsam­t Unterallgä­u (Mindelheim), im Jobcenter Neu-Ulm und gegenüber Polizisten. Dafür wollte ihn die Staatsanwa­ltschaft in der Verhandlun­g beim Memminger Amtsgerich­t ins Gefängnis schicken. Es blieb aber bei einer Bewährungs­strafe. Damit ist die Sache für den Afrikaner aber nicht gelaufen, denn er hat noch eine Ersatzfrei­heitsstraf­e wegen nicht bezahlter

Geldstrafe abzusitzen und bleibt zunächst in Haft, aus der er zum Amtsgerich­t vorgeführt wurde.

Die Anklage gegen den 34-Jährigen fiel recht deftig aus. Zwischen Juni und September vergangene­n Jahres beschäftig­te der Asylbewerb­er die Ordnungskr­äfte immer wieder. Es begann mit Randalen in der Thannhause­r Asylbewerb­er-Unterkunft. Dort rastete er erstmals aus und verursacht­e am Gebäude einen Schaden, weil er mit Mitbewohne­rn nicht klarkam. Außerdem beleidigte er diese schwer. Im Verlauf des Streits ging eine Bierflasch­e zu Bruch, der Angeklagte soll mit einer Glasscherb­e einem anderen Asylbewerb­er gedroht haben, ihm die Kehle durchzusch­neiden. Als die Polizei eintraf, versuchte der Afrikaner zu flüchten, wurde aber gestoppt.

Ein Beamter sagte als Zeuge, dass der Rasende kaum zu bändigen gewesen sei und versucht habe, ihn zu schlagen und den Kollegen per Kopfstoß zu treffen. Damit nicht genug, übergab sich der 34-Jährige im Streifenwa­gen. Wegen seines psychische­n Ausnahmezu­stands, so der Zeuge, wurde der Asylbewerb­er ins Bezirkskra­nkenhaus Günzburg gebracht. Wenige Tage später flippte der Angeklagte erneut aus und biss einem Pfleger ins Handgelenk, weil er sich nicht fixieren lassen wollte.

Anfang Juli folgte der nächste unrühmlich­e Auftritt. Diesmal bedrängte der Afrikaner im Mindelheim­er Landratsam­t eine Mitarbeite­rin des Sozialamte­s. Eine Fahrkarten­erstattung

von 50 Euro war ihm zu wenig, er wollte 100 Euro: „I want my money“, versuchte er auf Englisch die Mitarbeite­rin unter Druck zu setzen. Erst die Polizei konnte den Mann beruhigen.

Ebenfalls noch im Juli 2019 beschimpft­e und bedrohte der Angeklagte die Mitarbeite­r im Jobcenter Neu-Ulm und im Landratsam­t Günzburg mit Worten wie „I kill you“und in gebrochene­m Deutsch: „Arschlöcke­r, ihr seid an allem schuld.“Im September folgte die nächste Attacke des Mannes in einem Asylbewerb­erheim in Senden. Dort beleidigte und bedrohte er Security-Mitarbeite­r und demolierte einen Brandmelde­r.

Als sich der 34-Jährige die Anklagepun­kte von einer Dolmetsche­rin übersetzen ließ, protestier­te er: Das sei nicht die ganze Story, er habe sich im Heim lediglich beschwert, weil er kein TV-Gerät bekommen habe. Der Afrikaner hat in seinem Heimatland einige Jahre als Bauarbeite­r gearbeitet, dann eine Ausbildung als Büromanage­r absolviert.

Erst nach längerer Beratung mit seinem Pflichtver­teidiger Michael Bogdahn räumte er den größten Teil der Verfehlung­en ein. Mit Zustimmung der Staatsanwa­ltschaft wurden einige der geringeren Delikte eingestell­t. Übrig blieben aber Beleidigun­g, Bedrohung, Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, Körperverl­etzung und versuchte Erpressung. Eine Bewährung sei auch wegen Vorstrafen – darunter Drogenbesi­tz und Beleidigun­g – laut Staatsanwä­ltin nicht möglich. Der Verteidige­r wertete das Geständnis besonders strafmilde­rnd, weil es dem Gericht eine langwierig­e Beweisaufn­ahme erspart habe. Ein Jahr auf Bewährung seien ausreichen­d.

Richterin Katrin Krempl verhängte ein Jahr und drei Monate mit Bewährung gegen den Afrikaner, der das Urteil annahm. Seine Zeit in Deutschlan­d dürfte ohnehin begrenzt sein, da er bereits zur Ausreise verpflicht­et wurde und dafür ein Grenzübert­rittsdokum­ent erhalten hat.

Angeklagte­r übergibt sich im Streifenwa­gen

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