Wie Rehkitze vor Mähwerken geschützt werden
Weil die Setzzeit der Rehe zeitlich mit der ersten und zweiten Mahd der Landwirte zusammenfällt, ist die Gefahr groß, dass der Nachwuchs unter die Schneidwerkzeuge gelangt. Wie dies verhindert werden kann und was unternommen wird
Landkreis Jedes Jahr im Frühling sind es die gleichen schrecklichen Bilder. Während die riesigen Maschinen der Landwirte in der Zeit von Mai und Juni das Gras als Futter für die Kühe ernten, liegt auf der gemähten Wiese ein Rehkitz: blutig, mit abgehackten Beinen, regelrecht „zerschreddert“oder schwer verletzt. Da die erste und zweite Mahd der Landwirte in dieselbe Zeit fällt, in der Rehkitze gesetzt werden, sind die scharfen Klingen des Mähdreschers für die Jungen lebensgefährlich.
„Die Rettung der Rehkitze vor dem Mähwerk ist ein Thema, das in der Landwirtschaft schon seit vielen Jahren breit behandelt wird“, berichtet Axel Heiß, Behördenleiter und Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Krumbach. Weil die Rehkitze meistens eingerollt am Boden liegen und sich regelrecht unter dem hohen Gras der Wiese verstecken, seien sie, so Heiß, nahezu unsichtbar für die Fahrer moderner Mähmaschinen. Damit die Gefahren für die Jungen minimiert werden, gebe es aufseiten der Landwirtschaft eine sogenannte „Mähknigge“, die beschreibe, wie die Wiese am besten zu mähen sei. „Die Wiesen sollen nicht mehr von außen nach innen gemäht werden“, betont er. Nur wenn die Landwirte in der Mitte der Wiese zu mähen beginnen, hätte das Rehkitz eine Möglichkeit zur Flucht. Der vermehrte Einsatz von Drohnen und Wärmebildkameras erleichtert die Identifizierung der jungen Wildtiere. Effektiv könnten die Rehkitze aber nur gerettet werden, wenn Jagdpächter und Landwirte zusammenarbeiten. „Die Jäger können mit ihren Forsthunden die Wiese nach den Rehkitzen absuchen“, erklärt er. Die Forsthunde seien dabei dressiert darauf Fasane, Hasen oder Rehkitze aufzuspüren. In den ersten Wochen hätten die jungen Rehe zwar keinen Eigengeruch. Dieser würde sich aber im Laufe der Zeit entwickeln.
Durch die Klimaerwärmung habe sich die Mähzeit der Landwirte zeitlich verschoben. „Mittlerweile sind die Landwirte zehn bis zwölf Tage früher dran als noch vor 30 Jahren“, sagt Heiß. Für die Kitze sei dieser Umstand von Vorteil. „Anfang bis Mitte Mai kommen die Kitze auf die Welt. Wenn die Wiese zu diesem Zeitpunkt bereits abgemäht ist, sucht sich die Geiß gleich einen anderen Platz für ihr Junges aus.“Doch was ist der Grund dafür, dass die Bambis nicht von selbst von der Wiese laufen, wenn der Mähdrescher naht? „Beim Heranfahren des Mähwerkes reagieren die jungen Rehe mit einem Drückinstinkt und verharren regungslos am Boden ihres Versteckes“, erklärt Ottmar Frimmel, Naturschutzbeauftragter des Landkreises. Diese natürliche Verhaltensweise sei dabei eine Strategie, sich vor Fressfeinden zu schützen. Eine Taktik, die allerdings nicht mit der Mähsaison der Landwirte harmoniert. „Effektive Wildrettung beginnt bereits vor der Mahd und gelingt nur in Zusammenarbeit von Landwirten und Jagdpächtern“, betont der Naturschutzbeauftragte. Die Landwirte müssten den anstehenden Grünschnitt-Termin rechtzeitig bei dem Jagdpächter melden. Der Einsatz von Drohnen stelle, so Frimmel, eine zusätzliche Hilfe zum Schutz des Rehkitzes vor dem Mähdrescher dar. „Rettet die Rehkitze bedeutet immer, sucht eure Wiesen ab“, sagt er. Ulrich Baur, Berufsjäger und Leiter des Hegerings Jettingen berichtet, dass die Landwirte mittlerweile immer größere Flächen in kürzester Zeit mähen. „Da kommen wir als Jäger mit dem Absuchen der Wiese nicht mehr hinterher.“Durch den Einsatz von Drohnen konnte den Rehkitzen in seinem Revier geholfen werden. In rund 70 Metern Höhe würde das Flugobjekt über die Felder fliegen und die Wärme der Wiese messen. „Die Drohne erkennt die Körpertemperatur des Rehkitzes und leitet mich über Walkie-Talkie zu dem Jungen.“Dieser Einsatz moderner Technik sei, so Baur, nicht nur zeitsparender, sondern auch effizienter als das Absuchen der Felder mit dem bloßen menschlichen Auge. „Durch die Wärmebildkamera können wir Rehkitze erkennen, die wir beim Absuchen möglicherweise übersehen hätten.“Doch der Einsatz von Drohnen hätte auch einen Nachteil. „Die Drohnen sind wetterabhängig. Sobald die Sonne auf die Wiese scheint, können wir keine Rehkitze mehr erfassen. Dann unterscheidet sich die Temperatur des Rehkitzes nicht mehr von derjenigen der Wiese.“Je nach Sonneneinstrahlung könnten die Felder lediglich von morgens früh um fünf Uhr bis halb neun Uhr beflogen werden. „Schon am Vortag müssen wir vom Landwirt wissen, welche Wiese gemäht werden soll“, betont er. Die Kommunikation mit den Landwirten hätte in seinem Revier bislang sehr gut funktioniert. „Wer als Landwirt die Jagdpächter nicht über den Grünschnitt-Termin informiert, muss mit einem Gerichtsurteil rechnen.“Bis Juni würde der Berufsjäger die Felder befliegen. Wenn die Rehkitze zwei bis drei Wochen alt seien, würden sie ihren Drückinstinkt ablegen und von selbst aus der Wiese fliehen. Der Einsatz von Drohnen sei in der Region noch nicht flächendeckend verbreitet. „Das ist wirklich schade“, sagt Baur. Neben den Rehkitzen leiden auch andere Tiere wie Feldhasen unter den Mäharbeiten. Ist das Mähen der Wiesen auch Ursache dafür, dass die Feldlerche als Vogelart kaum mehr in der Region zu sehen ist? „Nein“, sagt Axel Heiß. „Der Bestand schwindet, weil sie nicht mehr genügend Junge aufziehen können.“Eine Ursache dafür sei unter anderem der Rückgang von vorübergehend nicht bewirtschafteten Brachflächen. Für den Erhalt von Brachflächen könnten die Bauern beim Aussäen sogenannte Lerchenfenster anlegen. „Wenn die Landwirte ein paar Laufmeter auf dem Acker nicht besäen, kann der Feldlerche gut geholfen werden“, berichtet er.