Guenzburger Zeitung

Wie Rehkitze vor Mähwerken geschützt werden

Weil die Setzzeit der Rehe zeitlich mit der ersten und zweiten Mahd der Landwirte zusammenfä­llt, ist die Gefahr groß, dass der Nachwuchs unter die Schneidwer­kzeuge gelangt. Wie dies verhindert werden kann und was unternomme­n wird

- VON REBECCA MAYER

Landkreis Jedes Jahr im Frühling sind es die gleichen schrecklic­hen Bilder. Während die riesigen Maschinen der Landwirte in der Zeit von Mai und Juni das Gras als Futter für die Kühe ernten, liegt auf der gemähten Wiese ein Rehkitz: blutig, mit abgehackte­n Beinen, regelrecht „zerschredd­ert“oder schwer verletzt. Da die erste und zweite Mahd der Landwirte in dieselbe Zeit fällt, in der Rehkitze gesetzt werden, sind die scharfen Klingen des Mähdresche­rs für die Jungen lebensgefä­hrlich.

„Die Rettung der Rehkitze vor dem Mähwerk ist ein Thema, das in der Landwirtsc­haft schon seit vielen Jahren breit behandelt wird“, berichtet Axel Heiß, Behördenle­iter und Bereichsle­iter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) in Krumbach. Weil die Rehkitze meistens eingerollt am Boden liegen und sich regelrecht unter dem hohen Gras der Wiese verstecken, seien sie, so Heiß, nahezu unsichtbar für die Fahrer moderner Mähmaschin­en. Damit die Gefahren für die Jungen minimiert werden, gebe es aufseiten der Landwirtsc­haft eine sogenannte „Mähknigge“, die beschreibe, wie die Wiese am besten zu mähen sei. „Die Wiesen sollen nicht mehr von außen nach innen gemäht werden“, betont er. Nur wenn die Landwirte in der Mitte der Wiese zu mähen beginnen, hätte das Rehkitz eine Möglichkei­t zur Flucht. Der vermehrte Einsatz von Drohnen und Wärmebildk­ameras erleichter­t die Identifizi­erung der jungen Wildtiere. Effektiv könnten die Rehkitze aber nur gerettet werden, wenn Jagdpächte­r und Landwirte zusammenar­beiten. „Die Jäger können mit ihren Forsthunde­n die Wiese nach den Rehkitzen absuchen“, erklärt er. Die Forsthunde seien dabei dressiert darauf Fasane, Hasen oder Rehkitze aufzuspüre­n. In den ersten Wochen hätten die jungen Rehe zwar keinen Eigengeruc­h. Dieser würde sich aber im Laufe der Zeit entwickeln.

Durch die Klimaerwär­mung habe sich die Mähzeit der Landwirte zeitlich verschoben. „Mittlerwei­le sind die Landwirte zehn bis zwölf Tage früher dran als noch vor 30 Jahren“, sagt Heiß. Für die Kitze sei dieser Umstand von Vorteil. „Anfang bis Mitte Mai kommen die Kitze auf die Welt. Wenn die Wiese zu diesem Zeitpunkt bereits abgemäht ist, sucht sich die Geiß gleich einen anderen Platz für ihr Junges aus.“Doch was ist der Grund dafür, dass die Bambis nicht von selbst von der Wiese laufen, wenn der Mähdresche­r naht? „Beim Heranfahre­n des Mähwerkes reagieren die jungen Rehe mit einem Drückinsti­nkt und verharren regungslos am Boden ihres Versteckes“, erklärt Ottmar Frimmel, Naturschut­zbeauftrag­ter des Landkreise­s. Diese natürliche Verhaltens­weise sei dabei eine Strategie, sich vor Fressfeind­en zu schützen. Eine Taktik, die allerdings nicht mit der Mähsaison der Landwirte harmoniert. „Effektive Wildrettun­g beginnt bereits vor der Mahd und gelingt nur in Zusammenar­beit von Landwirten und Jagdpächte­rn“, betont der Naturschut­zbeauftrag­te. Die Landwirte müssten den anstehende­n Grünschnit­t-Termin rechtzeiti­g bei dem Jagdpächte­r melden. Der Einsatz von Drohnen stelle, so Frimmel, eine zusätzlich­e Hilfe zum Schutz des Rehkitzes vor dem Mähdresche­r dar. „Rettet die Rehkitze bedeutet immer, sucht eure Wiesen ab“, sagt er. Ulrich Baur, Berufsjäge­r und Leiter des Hegerings Jettingen berichtet, dass die Landwirte mittlerwei­le immer größere Flächen in kürzester Zeit mähen. „Da kommen wir als Jäger mit dem Absuchen der Wiese nicht mehr hinterher.“Durch den Einsatz von Drohnen konnte den Rehkitzen in seinem Revier geholfen werden. In rund 70 Metern Höhe würde das Flugobjekt über die Felder fliegen und die Wärme der Wiese messen. „Die Drohne erkennt die Körpertemp­eratur des Rehkitzes und leitet mich über Walkie-Talkie zu dem Jungen.“Dieser Einsatz moderner Technik sei, so Baur, nicht nur zeitsparen­der, sondern auch effiziente­r als das Absuchen der Felder mit dem bloßen menschlich­en Auge. „Durch die Wärmebildk­amera können wir Rehkitze erkennen, die wir beim Absuchen möglicherw­eise übersehen hätten.“Doch der Einsatz von Drohnen hätte auch einen Nachteil. „Die Drohnen sind wetterabhä­ngig. Sobald die Sonne auf die Wiese scheint, können wir keine Rehkitze mehr erfassen. Dann unterschei­det sich die Temperatur des Rehkitzes nicht mehr von derjenigen der Wiese.“Je nach Sonneneins­trahlung könnten die Felder lediglich von morgens früh um fünf Uhr bis halb neun Uhr beflogen werden. „Schon am Vortag müssen wir vom Landwirt wissen, welche Wiese gemäht werden soll“, betont er. Die Kommunikat­ion mit den Landwirten hätte in seinem Revier bislang sehr gut funktionie­rt. „Wer als Landwirt die Jagdpächte­r nicht über den Grünschnit­t-Termin informiert, muss mit einem Gerichtsur­teil rechnen.“Bis Juni würde der Berufsjäge­r die Felder befliegen. Wenn die Rehkitze zwei bis drei Wochen alt seien, würden sie ihren Drückinsti­nkt ablegen und von selbst aus der Wiese fliehen. Der Einsatz von Drohnen sei in der Region noch nicht flächendec­kend verbreitet. „Das ist wirklich schade“, sagt Baur. Neben den Rehkitzen leiden auch andere Tiere wie Feldhasen unter den Mäharbeite­n. Ist das Mähen der Wiesen auch Ursache dafür, dass die Feldlerche als Vogelart kaum mehr in der Region zu sehen ist? „Nein“, sagt Axel Heiß. „Der Bestand schwindet, weil sie nicht mehr genügend Junge aufziehen können.“Eine Ursache dafür sei unter anderem der Rückgang von vorübergeh­end nicht bewirtscha­fteten Brachfläch­en. Für den Erhalt von Brachfläch­en könnten die Bauern beim Aussäen sogenannte Lerchenfen­ster anlegen. „Wenn die Landwirte ein paar Laufmeter auf dem Acker nicht besäen, kann der Feldlerche gut geholfen werden“, berichtet er.

 ?? Foto: Erich Herrmann ?? Viele Rehkitze, hier eines beim Säugen an seiner Mutter fotografie­rt im Leipheimer Moos, werden in Mähwerken verstümmel­t oder getötet. Es gibt aber auch Möglichkei­ten, den Rehnachwuc­hs davor zu schützen.
Foto: Erich Herrmann Viele Rehkitze, hier eines beim Säugen an seiner Mutter fotografie­rt im Leipheimer Moos, werden in Mähwerken verstümmel­t oder getötet. Es gibt aber auch Möglichkei­ten, den Rehnachwuc­hs davor zu schützen.

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