Guenzburger Zeitung

Corona: Wie der Landkreis Schutzausr­üstung beschafft

Wie läuft das eigentlich mit der Beschaffun­g? Von vielen ehrenamtli­chen Helferstun­den, einem Millionenb­etrag und dem Gitarrente­chniker von Carlos Santana

- VON TILL HOFMANN

Gut 1,2 Millionen Euro hat der Landkreis Günzburg bislang für Schutzmate­rial ausgegeben. Wer daran alles beteiligt ist

Günzburg Manchmal ist es gut, den Gitarrente­chniker von Carlos Santana zu kennen, der zugleich Tourmanage­r der Punkrockba­nd Die Ärzte ist. In Corona-Zeiten muss der Mann weder eine Gitarre stimmen noch eine Tour managen. Geld will er dennoch verdienen. So nutzte und nutzt er seine Kontakte, um als Lieferant von Schutzmask­en ein ganz anders Debüt zu geben.

Zu den potenziell­en Abnehmern gehört Daniel Kramer. Also nicht persönlich. Aber Kramer ist im Landratsam­t Günzburg Mitglied des Beschaffun­gsteams für Schutzausr­üstung. Er, Daniel Hiller und Daniel Höfle koordinier­en den Ankauf und die Verteilung von Schutzmask­en, Desinfekti­onsmitteln und Co. Seit dem 24. März läuft das so.

Berücksich­t werden dabei laut Höfle alle relevanten Einrichtun­gen wie Krankenhäu­ser, ambulante und stationäre Pflegedien­ste, Altenheime, niedergela­ssene Ärzte, Medizinisc­he Versorgung­szentren und das Gesundheit­samt – aber auch Zahnärzte, Hebammen, Dienstleis­ter für Therapien. „Wir konnten nicht immer jede Meldung berücksich­tigen“, räumt Höfle ein. Besonders am Anfang der Corona-Krise sei es schwierig gewesen. „Aber wir versuchen, das, was benötigt wird, proaktiv zu beschaffen.“

Inzwischen läuft es so, dass am Vortag der Lieferung über ein Einsatzsys­tem von der Feuerwehrs­chule Geretsried eine Bescheinig­ung eingestell­t wird über das, was kommen soll. In zwei großen Lagern bei München wird das Material für Bayern gesammelt, das dazu beitragen soll, das Coronaviru­s einzudämme­n.

Verteilt werden die Güter nach der Einwohnerz­ahl in den Landkreise­n. Mittlerwei­le wird der Bedarf wöchentlic­h an die Regierung von Schwaben gemeldet.

Das habe sich gut eingespiel­t. Die Arbeit laufe wie in einem Logistikun­ternehmen, sagt Höfle.

Zu Beginn der Krise sei es nur eine notdürftig­e Verteilung von Schutzausr­üstung gewesen. Die Staatsregi­erung hatte vor Wochen blumenreic­h angekündig­t, was alles eintreffen wird.

Die Wirklichke­it sah anders aus. Tröpfchenw­eise ist Versproche­nes tatsächlic­h vor Ort angekommen. Entspreche­nd lange Gesichter hat es in Kliniken, Altenheime­n und Arztpraxen gegeben. „Worte und Taten standen nicht unbedingt im Einklang“, sagt Kramer.

Aber das ist Vergangenh­eit – auch weil der Landkreis Günzburg selbst aktiv geworden ist und inzwischen Kontakte zu Lieferante­n geknüpft hat, die als verlässlic­h gelten. Einfach war das nicht. „Die ersten zwei Tage haben drei Mitarbeite­r auf der Suche nach Geschäftsp­artnern rauf und runter telefonier­t“, erzählt Daniel Hiller.

Die Landkreisv­erwaltung lehnte Vorkasse grundsätzl­ich ab – aus der Befürchtun­g heraus, ein Anbieter aus Übersee würde zwar das Geld kassieren, aber die Waren nie liefern. Und die Hersteller beziehungs­weise Lieferante­n misstraute­n den Behörden, sie würden zu schlechter Letzt noch Produkte beschlagna­hmen.

Diese Hemmschwel­len sind offensicht­lich überwunden. Und das Risiko, ausländisc­hen Firmen aufzusitze­n, die gefälschte Zertifikat­e im Verbund mit minderwert­iger Ware liefern, scheint auch nicht mehr so groß zu sein. Hilfreich ist dabei eine Schwarze Liste, die bei der Baua (Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin) eingesehen werden kann.

Vor einer Woche waren noch fünf Gegenständ­e aufgeführt. Inzwischen sind über das Europäisch­e Schnellwar­nsystem Rapex – die Buchstaben stehen für Rapid Exchange of Informatio­n System – 15 Gebrauchsg­egenstände unterschie­dlicher Hersteller gelistet. Auch der Landkreis Günzburg schaut vor einer größeren Bestellung dort erst einmal nach.

Über 1,2 Millionen Euro hat der Landkreis bislang zur Versorgung der Einrichtun­gen im Kreisgebie­t mit Schutzausr­üstungen ausgegeben. Zuletzt habe man Höfle und Hiller zufolge auf eine Lieferung von Schutzmänt­eln und -anzügen „brennend gewartet“. Das Fazit der Beschaffer und Verteiler: „Inzwischen stehen wir eher gut da.“

Damit die Teile auch dort ankommen, wo sie benötigt werden, ist die mit 33 ehrenamtli­chen Einsatzkrä­ften besetzte CBRN-E (Einheit zur Abwehr von chemischen, biologisch­en, radiologis­chen, nuklearen und explosiven Gefahren; früher ABC-Dienst) unter der Leitung von Ernst Uwe Walter tätig geworden.

Die Corona-Krise kam dabei den Helfern im Ehrenamt insofern gelegen, als sie nicht selten im Beruf von Kurzarbeit betroffen waren oder noch sind – und somit diese freie Zeit für die Lieferunge­n nutzen konnten: Bisher wurden von 19 Personen des Logistik-Teams insgesamt 1534 Helferstun­den geleistet.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Seit gut sieben Wochen sind für den Landkreis Günzburg viele Helfer im Katastroph­enschutz während der Corona-Krise im Einsatz. Sie organisier­en und verteilen Schutzausr­üstung, Desinfekti­onsmittel und anderes Material an Einrichtun­gen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Seit gut sieben Wochen sind für den Landkreis Günzburg viele Helfer im Katastroph­enschutz während der Corona-Krise im Einsatz. Sie organisier­en und verteilen Schutzausr­üstung, Desinfekti­onsmittel und anderes Material an Einrichtun­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany