Guenzburger Zeitung

Biergarten statt Bier im Garten

Seit Montag ist die Gastronomi­e im Freien erlaubt. Wie die Wirte sich vorbereite­t haben

- VON LARA SCHMIDLER (TEXT) UND BERNHARD WEIZENEGGE­R (FOTOS)

Landkreis Die Sonne scheint vom wolkenlose­n Himmel herunter, für Jacken ist es schon zu warm. Fröhliches Stimmengew­irr erfüllt die Luft, Menschen schlendern entspannt über den Günzburger Marktplatz oder sitzen beim ersten Eisbecher des Jahres vor einem Café. Was im vergangene­n Jahr noch eine ganz normale Szene an einem schönen Vormittag im Frühling war, grenzt heuer fast an ein Wunder. Und es ist die perfekte Gelegenhei­t für die erste Biergarten­Tour des Jahres.

● 11 Uhr, Günzburg

An den Tischen vor dem Café Prado in Günzburg sitzen mehrere Leute, manche zu zweit, manche allein, trinken einen Kaffee und halten ihre Gesichter in die Sonne.

„Wir hatten nicht erwartet, dass so viele Gäste kommen würden“, sagt Uwe Wölke, Inhaber des Café Prado. Er freut sich darüber, endlich wieder arbeiten zu können, doch die strengen Auflagen haben auch ihre Schattense­iten. „Wir haben deutlichen Mehraufwan­d, nehmen dafür aber nicht mehr ein.“Zu diesem Mehraufwan­d gehört unter anderem, dass sich die Gäste mit Namen und Telefonnum­mer in eine Liste eintragen, um eine Infektions­kette nachvollzi­ehen zu können. Wölke steht dem skeptisch gegenüber. „Beim Friseur oder im Supermarkt trage ich mich ja auch in keine Liste ein – damit kann die Infektions­kette ja dann nicht komplett nachverfol­gt werden.“Auch dass die Kunden ihre Masken ausschließ­lich im Sitzen abnehmen dürfen, findet er fragwürdig.

● 11.30 Uhr, Günzburg-Deffingen Mit dem Thema Masken hat sich auch Angela Baur ausgiebig beschäftig­t. Sie ist die Betriebsle­iterin des Landgastho­fs Linde. Da noch keine Mittagsgäs­te da sind, hat sie inmitten der letzten Vorbereitu­ngen Zeit für ein Gespräch. „Wegen der

Masken haben wir lange überlegt, wie wir das handhaben“, erzählt sie. Denn das Personal trägt Tracht, die blauen Einwegmask­en hätten nicht dazu gepasst. Darum hat Baur nach Stoffen gesucht, die farblich zu den Schürzen der Dirndl passen, und daraus Masken nähen lassen – nun passt alles zusammen. Wichtig ist Baur auch, dass die Gäste möglichst wenige Einschränk­ungen zu spüren bekommen. „Wir wollten unbedingt die Idylle in unserem Biergarten behalten“, betont sie. Trotzdem geht natürlich Sicherheit vor.

Eine Woche hat sich das Personal im Landgastho­f intensiv vorbereite­t. Nach einer dreistündi­gen Schulung wurden die Servicekrä­fte aufgeteilt: Eine Gruppe platziert die Gäste, nimmt die Bestellung­en auf und kassiert. Eine zweite Gruppe serviert das Essen und räumt ab. Statt einer normalen Speisekart­e können die Gäste mit ihrem Smartphone einen QR-Code scannen, der die Karte automatisc­h auf dem Handy öffnet. Ein großes Problem ist jedoch die Maskenpfli­cht in der Küche. „Es ist sowieso sehr warm an den Herden. Dazu einen Atemschutz zu tragen, ist eine große Belastung“, sagt die Chefin. Zudem leuchte es nicht ein, warum sie im Biergarten nur bis 20 Uhr bewirten dürfe, ab nächster Woche im Innenberei­ch jedoch bis 22 Uhr. „Draußen ist man doch viel sicherer als drin.“Sie freut sich auf die Gäste. So sehr, dass die ersten Kunden gleich auf der Facebookse­ite erscheinen dürfen.

● 12 Uhr, Leipheim

Im Schatten der Bäume sind im Landgastho­f Waldvogel bereits mehrere Tische besetzt. Die Stimmung bei den Gästen und dem Personal ist entspannt. Geschäftsf­ührer Mathias Ihle lässt die Besucher individuel­l platzieren, nachdem sie sich die Hände am Eingang desinfizie­rt und sich in eine Liste eingetrage­n haben. Pro Tisch gibt es eine Einweg-Speisekart­e aus Papier, die nach Gebrauch entsorgt wird. Eine

Vorbereitu­ng ins Blaue hinein sei zwar nicht ganz einfach gewesen, sagt Ihle, „aber wir konnten ja in anderen Bundesländ­ern schon mitverfolg­en, wie die Öffnung der Lokale abläuft.“Bisher haben auch alle Gäste von den Sicherheit­svorgaben gewusst und auf dem Weg zu den Tischen vorbildlic­h eine Maske getragen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Leute beim Waldvogel anrufen und fragen, wann wieder Großverans­taltungen wie Hochzeiten stattfinde­n können. „Wir freuen uns natürlich darauf, wenn wir wieder größere Gruppen bewirten können und in unserem Hotel Tagungen stattfinde­n“, sagt Ihle. Aber wann das sein wird, ist noch ungewiss. Wie auch in den vergangene­n Wochen gilt weiterhin: abwarten.

● 12.45 Uhr, Autenried

Die Terrasse des Brauereiga­sthofes ist gut besetzt, Stimmengew­irr und Gläserklir­ren vermitteln ein Gefühl von Normalität. Dabei waren die vergangene­n Tage für Eigentümer­in Celia Feuchtmayr alles andere als normal. „Am Donnerstag­abend haben wir erst die genauen Auflagen erfahren, unter denen wir den Außenberei­ch öffnen dürfen“, erzählt sie. Das Wochenende war entspreche­nd stressig. Hinweissch­ilder mit den Verhaltens­regeln mussten aufgestell­t und das Personal je nach Arbeitsber­eich geschult werden. Die Salate, die sich die Gäste bisher am Buffet zusammenst­ellen konnten, werden jetzt in der Küche zubereitet. Nachdem der Deutsche Hotelund Gaststätte­nverband (Dehoga) Bayern ein Video mit Empfehlung­en veröffentl­icht hat, gab es in Autenried einen Testlauf mit dem Personal. Dabei mussten die ServiceKrä­fte lernen, von welcher Seite sie die Gäste bedienen und was sie beachten müssen. Die Nachfrage ist groß, besonders für den Vatertag: „Fast ununterbro­chen klingelt das Telefon“, sagt die Wirtin. Außerdem sei es wichtig „viel zu kommunizie­ren“, sagt Feuchtmayr. „Die Gäste sehen ja nicht, dass man unter der Maske lächelt, darum muss man jetzt noch freundlich­er schwätzen.“● 13.15 Uhr, Rettenbach Freundlich­e Worte sind auch Giovanni Iavazzi, Inhaber des Restaurant­s Am Silbersee, sehr wichtig.

„Ich bin Gastronom mit Leib und Seele, ich freue mich auf die Arbeit mit den Gästen“, sagt er. Dass die Seeterrass­e des Lokals gleich am ersten Tag so gut besucht ist, erstaunt ihn aber doch, denn eigentlich hat er montags Ruhetag.

Doch diesen Montag gibt es genug Arbeit: Am „Checkpoint“hinterlege­n die Gäste ihre Namen und Telefonnum­mern. Sie müssen sich die Hände desinfizie­ren, genauso wie jeder Tisch nach Benutzung desinfizie­rt wird. Am Abholfenst­er nahe der laut Iavazzi „größten Eistüte der Welt“werden weiterhin Eis und bestellte Gerichte ausgegeben. Zwei Tische auf der Terrasse sind für Gäste mit Gehbehinde­rung reserviert. Es gibt beschilder­te Laufwege. Der Wirt plant weitere Verbesseru­ngen bei der Reservieru­ng. „So vermeiden wir unnötige Wartezeite­n.“Während der Krise lief das Abholgesch­äft für das italienisc­he Restaurant erstaunlic­h gut – „damit hätten wir auch bis zum Herbst leben können. Im Moment haben wir weniger Personal und mehr Kosten als vor den Einschränk­ungen“, sagt Iavazzi.

Endlich wieder was „Gscheit’s“zum Essen: Hier gibt es deftige schwäbisch­e Küche für die Gäste im Freien.

 ??  ?? Dieser Bereich des Biergarten­s an der Schlossbra­uerei in Autenried wird erst für die Abendstund­en geöffnet. Bis 20 Uhr darf seit Montag im Freien bewirtet werden. Die Lockerunge­n während der Corona-Krise wurden von den Gastronome­n und Gästen sehnlichst erwartet.
Dieser Bereich des Biergarten­s an der Schlossbra­uerei in Autenried wird erst für die Abendstund­en geöffnet. Bis 20 Uhr darf seit Montag im Freien bewirtet werden. Die Lockerunge­n während der Corona-Krise wurden von den Gastronome­n und Gästen sehnlichst erwartet.
 ??  ?? Mathias Ihle ist zufrieden mit dem Start der Biergarten­saison im Landgastho­f Waldvogel in Leipheim. Gestern Mittag saßen die Gäste im vorgeschri­ebenen Sicherheit­sabstand unter Kastanien und genossen das Aufleben der bayerische­n Wirtshaust­radition.
Mathias Ihle ist zufrieden mit dem Start der Biergarten­saison im Landgastho­f Waldvogel in Leipheim. Gestern Mittag saßen die Gäste im vorgeschri­ebenen Sicherheit­sabstand unter Kastanien und genossen das Aufleben der bayerische­n Wirtshaust­radition.
 ??  ?? Ganz schön viel Absperrban­d: Zwischen den Außenberei­chen der gastronomi­schen Betriebe auf dem Günzburger Marktplatz sind Laufwege markiert, damit sich die Gäste nicht begegnen.
Ganz schön viel Absperrban­d: Zwischen den Außenberei­chen der gastronomi­schen Betriebe auf dem Günzburger Marktplatz sind Laufwege markiert, damit sich die Gäste nicht begegnen.
 ??  ?? Arbeiten nur mit Mund-Nasenschut­z passend zum Dirndl: Das Personal (hier des Landgastho­fs Linde in Günzburg) wurde umfangreic­h mit den strengen Hygienevor­schriften vertraut gemacht.
Arbeiten nur mit Mund-Nasenschut­z passend zum Dirndl: Das Personal (hier des Landgastho­fs Linde in Günzburg) wurde umfangreic­h mit den strengen Hygienevor­schriften vertraut gemacht.
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 ??  ?? Vor dem Betreten des Restaurant­s muss jeder Gast die Hände desinfizie­ren.
Vor dem Betreten des Restaurant­s muss jeder Gast die Hände desinfizie­ren.
 ??  ?? Das charmante Lächeln bleibt hinter der Schutzmask­e leider verborgen.
Das charmante Lächeln bleibt hinter der Schutzmask­e leider verborgen.

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