Biergarten statt Bier im Garten
Seit Montag ist die Gastronomie im Freien erlaubt. Wie die Wirte sich vorbereitet haben
Landkreis Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel herunter, für Jacken ist es schon zu warm. Fröhliches Stimmengewirr erfüllt die Luft, Menschen schlendern entspannt über den Günzburger Marktplatz oder sitzen beim ersten Eisbecher des Jahres vor einem Café. Was im vergangenen Jahr noch eine ganz normale Szene an einem schönen Vormittag im Frühling war, grenzt heuer fast an ein Wunder. Und es ist die perfekte Gelegenheit für die erste BiergartenTour des Jahres.
● 11 Uhr, Günzburg
An den Tischen vor dem Café Prado in Günzburg sitzen mehrere Leute, manche zu zweit, manche allein, trinken einen Kaffee und halten ihre Gesichter in die Sonne.
„Wir hatten nicht erwartet, dass so viele Gäste kommen würden“, sagt Uwe Wölke, Inhaber des Café Prado. Er freut sich darüber, endlich wieder arbeiten zu können, doch die strengen Auflagen haben auch ihre Schattenseiten. „Wir haben deutlichen Mehraufwand, nehmen dafür aber nicht mehr ein.“Zu diesem Mehraufwand gehört unter anderem, dass sich die Gäste mit Namen und Telefonnummer in eine Liste eintragen, um eine Infektionskette nachvollziehen zu können. Wölke steht dem skeptisch gegenüber. „Beim Friseur oder im Supermarkt trage ich mich ja auch in keine Liste ein – damit kann die Infektionskette ja dann nicht komplett nachverfolgt werden.“Auch dass die Kunden ihre Masken ausschließlich im Sitzen abnehmen dürfen, findet er fragwürdig.
● 11.30 Uhr, Günzburg-Deffingen Mit dem Thema Masken hat sich auch Angela Baur ausgiebig beschäftigt. Sie ist die Betriebsleiterin des Landgasthofs Linde. Da noch keine Mittagsgäste da sind, hat sie inmitten der letzten Vorbereitungen Zeit für ein Gespräch. „Wegen der
Masken haben wir lange überlegt, wie wir das handhaben“, erzählt sie. Denn das Personal trägt Tracht, die blauen Einwegmasken hätten nicht dazu gepasst. Darum hat Baur nach Stoffen gesucht, die farblich zu den Schürzen der Dirndl passen, und daraus Masken nähen lassen – nun passt alles zusammen. Wichtig ist Baur auch, dass die Gäste möglichst wenige Einschränkungen zu spüren bekommen. „Wir wollten unbedingt die Idylle in unserem Biergarten behalten“, betont sie. Trotzdem geht natürlich Sicherheit vor.
Eine Woche hat sich das Personal im Landgasthof intensiv vorbereitet. Nach einer dreistündigen Schulung wurden die Servicekräfte aufgeteilt: Eine Gruppe platziert die Gäste, nimmt die Bestellungen auf und kassiert. Eine zweite Gruppe serviert das Essen und räumt ab. Statt einer normalen Speisekarte können die Gäste mit ihrem Smartphone einen QR-Code scannen, der die Karte automatisch auf dem Handy öffnet. Ein großes Problem ist jedoch die Maskenpflicht in der Küche. „Es ist sowieso sehr warm an den Herden. Dazu einen Atemschutz zu tragen, ist eine große Belastung“, sagt die Chefin. Zudem leuchte es nicht ein, warum sie im Biergarten nur bis 20 Uhr bewirten dürfe, ab nächster Woche im Innenbereich jedoch bis 22 Uhr. „Draußen ist man doch viel sicherer als drin.“Sie freut sich auf die Gäste. So sehr, dass die ersten Kunden gleich auf der Facebookseite erscheinen dürfen.
● 12 Uhr, Leipheim
Im Schatten der Bäume sind im Landgasthof Waldvogel bereits mehrere Tische besetzt. Die Stimmung bei den Gästen und dem Personal ist entspannt. Geschäftsführer Mathias Ihle lässt die Besucher individuell platzieren, nachdem sie sich die Hände am Eingang desinfiziert und sich in eine Liste eingetragen haben. Pro Tisch gibt es eine Einweg-Speisekarte aus Papier, die nach Gebrauch entsorgt wird. Eine
Vorbereitung ins Blaue hinein sei zwar nicht ganz einfach gewesen, sagt Ihle, „aber wir konnten ja in anderen Bundesländern schon mitverfolgen, wie die Öffnung der Lokale abläuft.“Bisher haben auch alle Gäste von den Sicherheitsvorgaben gewusst und auf dem Weg zu den Tischen vorbildlich eine Maske getragen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Leute beim Waldvogel anrufen und fragen, wann wieder Großveranstaltungen wie Hochzeiten stattfinden können. „Wir freuen uns natürlich darauf, wenn wir wieder größere Gruppen bewirten können und in unserem Hotel Tagungen stattfinden“, sagt Ihle. Aber wann das sein wird, ist noch ungewiss. Wie auch in den vergangenen Wochen gilt weiterhin: abwarten.
● 12.45 Uhr, Autenried
Die Terrasse des Brauereigasthofes ist gut besetzt, Stimmengewirr und Gläserklirren vermitteln ein Gefühl von Normalität. Dabei waren die vergangenen Tage für Eigentümerin Celia Feuchtmayr alles andere als normal. „Am Donnerstagabend haben wir erst die genauen Auflagen erfahren, unter denen wir den Außenbereich öffnen dürfen“, erzählt sie. Das Wochenende war entsprechend stressig. Hinweisschilder mit den Verhaltensregeln mussten aufgestellt und das Personal je nach Arbeitsbereich geschult werden. Die Salate, die sich die Gäste bisher am Buffet zusammenstellen konnten, werden jetzt in der Küche zubereitet. Nachdem der Deutsche Hotelund Gaststättenverband (Dehoga) Bayern ein Video mit Empfehlungen veröffentlicht hat, gab es in Autenried einen Testlauf mit dem Personal. Dabei mussten die ServiceKräfte lernen, von welcher Seite sie die Gäste bedienen und was sie beachten müssen. Die Nachfrage ist groß, besonders für den Vatertag: „Fast ununterbrochen klingelt das Telefon“, sagt die Wirtin. Außerdem sei es wichtig „viel zu kommunizieren“, sagt Feuchtmayr. „Die Gäste sehen ja nicht, dass man unter der Maske lächelt, darum muss man jetzt noch freundlicher schwätzen.“● 13.15 Uhr, Rettenbach Freundliche Worte sind auch Giovanni Iavazzi, Inhaber des Restaurants Am Silbersee, sehr wichtig.
„Ich bin Gastronom mit Leib und Seele, ich freue mich auf die Arbeit mit den Gästen“, sagt er. Dass die Seeterrasse des Lokals gleich am ersten Tag so gut besucht ist, erstaunt ihn aber doch, denn eigentlich hat er montags Ruhetag.
Doch diesen Montag gibt es genug Arbeit: Am „Checkpoint“hinterlegen die Gäste ihre Namen und Telefonnummern. Sie müssen sich die Hände desinfizieren, genauso wie jeder Tisch nach Benutzung desinfiziert wird. Am Abholfenster nahe der laut Iavazzi „größten Eistüte der Welt“werden weiterhin Eis und bestellte Gerichte ausgegeben. Zwei Tische auf der Terrasse sind für Gäste mit Gehbehinderung reserviert. Es gibt beschilderte Laufwege. Der Wirt plant weitere Verbesserungen bei der Reservierung. „So vermeiden wir unnötige Wartezeiten.“Während der Krise lief das Abholgeschäft für das italienische Restaurant erstaunlich gut – „damit hätten wir auch bis zum Herbst leben können. Im Moment haben wir weniger Personal und mehr Kosten als vor den Einschränkungen“, sagt Iavazzi.
Endlich wieder was „Gscheit’s“zum Essen: Hier gibt es deftige schwäbische Küche für die Gäste im Freien.