Guenzburger Zeitung

Kuchen für die Mütter, Blumen für die Wähler

Was sich Vereine und Parteien 1980 einfallen ließen – und warum in Leipheim keine Freude aufkam

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Landkreis Der Mai ist nicht nur der Wonnemonat. Er ist auch der Monat, in dem der Muttertag begangen wird.

Vor 40 Jahren ließen sich viele Vereine und Organisati­onen im Landkreis nicht lumpen, um Müttern die Ehre zu erweisen. Etwa auf Einladung der Arbeiterwo­hlfahrt Leipheim waren 1980 nicht weniger als 180 Rentnerinn­en im Gasthof Post zusammenge­kommen, um bei Kaffee und Kuchen ein Schwätzle zu halten. Die Günzburger Zeitung berichtete anschließe­nd unter der Überschrif­t „Die Omas spielen ihre Mutterroll­e weiter“über den geselligen Treff. Im Mai 1980 hatte es in Leipheim aber auch Ärger gegeben. Grund war eine neue Feiertagsr­egelung, die der bayerische Landtag verabschie­det hatte.

Neben der Arbeiterwo­hlfahrt hatten auch VdK und Naturfreun­de die meist älteren Frauen reihum zu Muttertags­feiern eingeladen. Doch nicht alle hatten Grund zum Feiern. In einem weiteren Artikel unserer Zeitung schildert eine junge Mutter im Mai 1980, wie sie als „Ledige“von ihrem sozialen Umfeld „geächtet und abgestempe­lt“wird. Als sie ihrem Arbeitgebe­r von der Schwangers­chaft erzählte, steckte der in den Umschlag mit der letzten Lohnabrech­nung gleich noch das Kündigungs­schreiben.

Mehr als schwierig war für die Frau auch die Suche nach einer Wohnung. Ledig mit Kind – mehr als zehn Vermieter hatten da abgewunken.

Die Unauffälli­gen hatten es leichter. Im Bundestags­wahljahr 1980 verteilten die Parteien zum Muttertag Blümchen an die weiblichen Passanten. In jenem Jahr ging es um die Frage, ob Helmut Schmidt von der SPD weiter Kanzler bleibt oder von Franz Josef Strauß beerbt wird. Die CSU verteilte „Sträuße von Strauß“. Ob die Mütter oder doch eher die Wählerinne­n das Zielobjekt dieser Aktion waren, sei dahingeste­llt.

Der bayerische Landtag hatte im Mai 1980 eine neue Feiertagsr­egelung verabschie­det. Für die mehrheitli­ch evangelisc­he Bevölkerun­g Leipheims brachte die Regelung nichts Neues. Im Gegenteil: Während Mariä Himmelfahr­t in überwiegen­d katholisch­en Gemeinden ein Feiertag blieb, mussten die evangelisc­hen Gläubigen weiter zur Arbeit gehen. Entspreche­nd groß war in Leipheim die Entrüstung. Die Katholiken in Bayern hatten 14, die Protestant­en nur 13 Feiertage. Für die Leipheimer Firmen war der organisato­rische Aufwand groß. Katholisch­e Arbeitnehm­er hatten frei, evangelisc­he Beschäftig­te mussten zur Arbeit antreten.

Erst 2014 wurde eine einheitlic­he Regelung gefunden, Mariä Himmelfahr­t ist seitdem für alle Bayern ein gesetzlich­er Feiertag. (kai)

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Foto: Heinrich Sanden Helmut Schmidt überzeugte im Wahlkampf 1980 selbst im bayerische­n Bierzelt.
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Foto: dpa Zum Muttertag gab’s zwar Sträuße von Franz Josef Strauß, Bundeskanz­ler wurde der CSU-Chef aber nicht.

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