Musik hinter verschlossenen Türen
Zwei Dutzend Musiker und Techniker trotzen im Ulmer Roxy der Krise mit einem Streamingprojekt
Ulm Rund 1000 Besucher passen in die große Werkhalle des Ulmer Roxy. Doch seitdem sich die Corona-Krise wie ein lähmender Schleier auch über die Kunstszene legte, ist es auch in der Kulturinstitution still geworden. Mit zwei StreamingWunschkonzerten des Musikcomedy-Duos Suchtpotenzial wurde die Ruhe jäh unterbrochen. Und jüngst sorgten gut zwei Dutzend Musiker, Techniker und Kameraleute für kreatives Leben im Kulturzentrum. Unter dem Titel „Roxy Lockdown Sessions“haben sich namhafte Künstler aus der Region wie der Trompeter Joo Kraus, Gitarrist Patrick Wieland, Keyboarder Martin Meixner, Bassist David Klauck, die Sänger Luke Noa und Leon Rudolf und Eliyah Mayer an den Percussions zur gemeinsamen Probe versammelt. Zudem beteiligen sich Streicher des Ulmer Symphonieorchesters sowie Tänzer von „Strade del Sol“und dem „Remake Team“am Projekt.
Auch Schlagzeuger Christoph Scherer hat sich der Band angeschlossen. Eigentlich wäre er derzeit mit DSDS-Sieger Piedro Lombardi auf Deutschlandtour unterwegs, wie er sagt. Doch statt für „Jackpot“und „Piedrostyle“gibt Scherer jetzt den
Takt für die Ulmer Allstarband an. Vier Stücke an vier Tagen sind das Ziel, erklärt Michael Mutschler, der Programmchef im Roxy, der das Ensemble zum einmaligen Gig zusammengebracht hat. Die Nummern stammen allesamt aus den Federn der Beteiligten.
Im halbdunklen Rund, beleuchtet von Lichterketten und nostalgischen Stehlampen vor schwarzem Hintergrund, haben sich die Musiker im gebührenden Corona-Sicherheitsabstand platziert. Dicke Teppiche dämpfen den Schall in der Halle und die Atmosphäre erinnert unwillkürlich an legendäre „MTV Unplugged“-Aufzeichnungen. Die Zwangspause der Corona-Krise sei für dieses Projekt ein Glücksfall gewesen, erklärt Mutschler, weil es unter gewöhnlichen Umständen unmöglich gewesen wäre, so viele hochkarätige Musiker terminlich unter einen Hut zu bringen. Für Schlagzeuger Christoph Scherer bedeutet die Teilnahme an diesem Projekt mehr als nur eine Überbrückung für die auftrittslose Zeit, wie er sagt: „Wenn das Roxy ruft, muss ich hin, weil das ein Stück Heimat für mich bedeutet.“Dabei kommt der Profimusiker unweigerlich ins Schwärmen, denn ein derartiges Gemeinschaftsgefühl bei einer Studioproduktion hätte er selbst in seiner langjährigen Musikkarriere nicht erlebt. Tatsächlich werden bei Studioproduktionen die einzelnen Instrumente und Stimmen meistens nicht gleichzeitig, sondern zeitlich und manchmal auch räumlich getrennt aufgenommen. Mit „Emotion statt Perfektion“beschreibt Scherer die gemeinsame Arbeit, bei der der Charme der Solidarität herauszuhören ist. So haben Nachwuchskünstler wie die beiden Sänger Luke Noa und Leon Rudolf die Gelegenheit, mit altgedienten und erfahrenen Kollegen zusammenzuarbeiten.
Finanziell befindet sich das Projekt im kleinsten Rahmen, wie Mutschler verrät. Schließlich würden alle Künstler und Techniker ohne Gage arbeiten, während ein Teil des Equipments vom Roxy zur Verfügung gestellt wird. Wo und wann die vier Stücke zu hören und sehen sind, bleibt noch offen. „Wir setzen derzeit unsere Energie in die Organisation“, sagt Mutschler und erklärt, dass man mit dem Projekt keinen kurzlebigen Clip für die digitale Mülltonne produzieren wolle. Stattdessen soll die „Roxy Lockdown Session“ein Dokument für die Corona-Zeit werden, erklärt der Programmchef und fügt noch einen Wunsch hinzu: „Schön wäre es, wenn wir die Aufnahme auf Vinyl verewigen könnten.“