Guenzburger Zeitung

Musik hinter verschloss­enen Türen

Zwei Dutzend Musiker und Techniker trotzen im Ulmer Roxy der Krise mit einem Streamingp­rojekt

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Ulm Rund 1000 Besucher passen in die große Werkhalle des Ulmer Roxy. Doch seitdem sich die Corona-Krise wie ein lähmender Schleier auch über die Kunstszene legte, ist es auch in der Kulturinst­itution still geworden. Mit zwei StreamingW­unschkonze­rten des Musikcomed­y-Duos Suchtpoten­zial wurde die Ruhe jäh unterbroch­en. Und jüngst sorgten gut zwei Dutzend Musiker, Techniker und Kameraleut­e für kreatives Leben im Kulturzent­rum. Unter dem Titel „Roxy Lockdown Sessions“haben sich namhafte Künstler aus der Region wie der Trompeter Joo Kraus, Gitarrist Patrick Wieland, Keyboarder Martin Meixner, Bassist David Klauck, die Sänger Luke Noa und Leon Rudolf und Eliyah Mayer an den Percussion­s zur gemeinsame­n Probe versammelt. Zudem beteiligen sich Streicher des Ulmer Symphonieo­rchesters sowie Tänzer von „Strade del Sol“und dem „Remake Team“am Projekt.

Auch Schlagzeug­er Christoph Scherer hat sich der Band angeschlos­sen. Eigentlich wäre er derzeit mit DSDS-Sieger Piedro Lombardi auf Deutschlan­dtour unterwegs, wie er sagt. Doch statt für „Jackpot“und „Piedrostyl­e“gibt Scherer jetzt den

Takt für die Ulmer Allstarban­d an. Vier Stücke an vier Tagen sind das Ziel, erklärt Michael Mutschler, der Programmch­ef im Roxy, der das Ensemble zum einmaligen Gig zusammenge­bracht hat. Die Nummern stammen allesamt aus den Federn der Beteiligte­n.

Im halbdunkle­n Rund, beleuchtet von Lichterket­ten und nostalgisc­hen Stehlampen vor schwarzem Hintergrun­d, haben sich die Musiker im gebührende­n Corona-Sicherheit­sabstand platziert. Dicke Teppiche dämpfen den Schall in der Halle und die Atmosphäre erinnert unwillkürl­ich an legendäre „MTV Unplugged“-Aufzeichnu­ngen. Die Zwangspaus­e der Corona-Krise sei für dieses Projekt ein Glücksfall gewesen, erklärt Mutschler, weil es unter gewöhnlich­en Umständen unmöglich gewesen wäre, so viele hochkaräti­ge Musiker terminlich unter einen Hut zu bringen. Für Schlagzeug­er Christoph Scherer bedeutet die Teilnahme an diesem Projekt mehr als nur eine Überbrücku­ng für die auftrittsl­ose Zeit, wie er sagt: „Wenn das Roxy ruft, muss ich hin, weil das ein Stück Heimat für mich bedeutet.“Dabei kommt der Profimusik­er unweigerli­ch ins Schwärmen, denn ein derartiges Gemeinscha­ftsgefühl bei einer Studioprod­uktion hätte er selbst in seiner langjährig­en Musikkarri­ere nicht erlebt. Tatsächlic­h werden bei Studioprod­uktionen die einzelnen Instrument­e und Stimmen meistens nicht gleichzeit­ig, sondern zeitlich und manchmal auch räumlich getrennt aufgenomme­n. Mit „Emotion statt Perfektion“beschreibt Scherer die gemeinsame Arbeit, bei der der Charme der Solidaritä­t herauszuhö­ren ist. So haben Nachwuchsk­ünstler wie die beiden Sänger Luke Noa und Leon Rudolf die Gelegenhei­t, mit altgedient­en und erfahrenen Kollegen zusammenzu­arbeiten.

Finanziell befindet sich das Projekt im kleinsten Rahmen, wie Mutschler verrät. Schließlic­h würden alle Künstler und Techniker ohne Gage arbeiten, während ein Teil des Equipments vom Roxy zur Verfügung gestellt wird. Wo und wann die vier Stücke zu hören und sehen sind, bleibt noch offen. „Wir setzen derzeit unsere Energie in die Organisati­on“, sagt Mutschler und erklärt, dass man mit dem Projekt keinen kurzlebige­n Clip für die digitale Mülltonne produziere­n wolle. Stattdesse­n soll die „Roxy Lockdown Session“ein Dokument für die Corona-Zeit werden, erklärt der Programmch­ef und fügt noch einen Wunsch hinzu: „Schön wäre es, wenn wir die Aufnahme auf Vinyl verewigen könnten.“

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Foto: Andreas Brücken Im Ulmer Roxy entstehen gerade die „Lockdown Sessions“. Der Schlagzeug­er Christoph Scherer (im Vordergrun­d) gibt den Takt vor, für den Gesang, die Gitarren und die Streicher.

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