Die Vorschulkinder sind zurück
Die Kindergärten dürfen sich langsam weiter öffnen. Die Wiedersehensfreude ist trotz der vielen neuen Regeln bei den Kleinen und den Erzieherinnen groß. Warum der Unmut und die Kritik am Ministerium wächst
Landkreis Was haben die Erzieherinnen in den zurückliegenden acht Wochen nicht alles im Kindergarten Storchennest in Ichenhausen: geputzt, aufgeräumt, Unterlagen nachbereitet, neue Konzepte vorbereitet und sogar schon Geburtstagskarten für das kommenden Kindergartenjahr vorgebastelt. Nur 20 Prozent der 105 Kinder durften sie zuletzt in Kleinstgruppen betreuen. Seit Wochenbeginn ist „endlich wieder mehr Leben und Alltag“in die Einrichtung eingekehrt, freut sich Kindergartenleiterin Elvira Mader. Denn seit Montag dürfen bayernweit alle Vorschulkinder und ihre Geschwister wieder die Kindergärten besuchen. Acht Wochen Pause sind damit vorbei. „Es ist richtig schön, die Kinder haben sich riesig gefreut und wir uns auch. Sie haben uns gefehlt“, sagt Mader.
Die ersten Minuten seien allerdings für alle ungewohnt gewesen. Zwar haben die Erzieherinnen den Vorschulkindern vorab einen Brief geschrieben und sie „vorgewarnt“, dass künftig alles etwas anders abläuft. „Aber als sie uns mit den Masken gesehen haben, haben die meisten schon erst mal gestockt“, erzählt die Kindergartenleiterin.
Doch die anfängliche Unsicherheit sei schnell vorbeigegangen, die Kinder hätten sich einfach nur gefreut, ihre Freunde wiederzusehen und hätten sofort losgespielt und sich gegenseitig ganz viel erzählt. „Sie haben gar nicht mehr aufgehört und bis ins kleinste Detail geschildert, was sie in den letzten acht Wochen alles gemacht haben“, sagt Mader und lacht beim Erzählen herzlich.
Dabei war ihr in der jüngsten Zeit nicht so zum Lachen zumute. Zwar hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schon am 5. Mai den Fahrplan angekündigt, nach dem die Kindergärten teilweise wieder geöffnet werden sollten. Doch erst am Mittwoch vor dem Feier- und Brückentag sei vom Sozialministerium eine Handreichung mit Informationen eingegangen, welche Kinder wieder kommen dürfen und wie die Lockerungen vor Ort umgesetzt werden sollen. „Das kam schon sehr spät, bis dahin mussten wir uns alles selbst erarbeiten.“Die letzten Informationsblätter für die Eltern trafen sogar erst am Montagmittag mit der Post ein – als die ersten Vorschulkinder längst im Kindergarten waren. Zum Glück kann die Leiterin auf ihr volles Personal zählen, keiner fällt unter die Risikogruppe und somit aus. „Da sind wir gesegnet“, weiß Mader.
In anderen Kindergärten sieht es personell nicht so gut aus. In der Raupe Nimmersatt in Leipheim dürfen fünf Stammkräfte keine Kinderbetreuung mehr übernehmen, nur noch Büroarbeit, weil sie als Risikopatienten gelten. „Sie fehlen uns im Alltag und es ist keine Lösung in Sicht“, sagt Kindergartenleiterin Cordula Schwuchow und hätte dazu gerne eine klare Antwort vom Ministerium. „Warum kann man uns nicht regelmäßig testen, dann hätten wir mehr Sicherheit“, findet sie.
Weitere fünf Erzieherinnen arbeiten nur in Teilzeit – für die erfahrene Pädagogin äußerst schwierig, einen Dienstplan im Schichtbetrieb zu erstellen. Von 172 Kindern sind 63 in zehn Notbetreuungsgruppen untergebracht. Seit Montag kommen 32 Vorschulkinder dazu, die immer nachmittags von 13 bis 17 Uhr betreut werden. „Es ist eine Wahnsinnslogistik, was wir alles auf die Reihe kriegen müssen“, sagt Schwuchow. Sie fühlt sich vom Ministerium im Stich gelassen, das den Ball weitergebe nach ganz unten. „Es fehlt an Planungssicherheit und an Vorgaben, an uns ist es dann zu entscheiden“, bemängelt Schwuchow. Jeder Tag sei eine Herausforderung und ein „Lottospiel“. Auch für die Eltern, deren Verständnis für die Entscheidungen des Ministeriums langsam abnehme. Je länger diese Phase anhalte, umso größer werde der Unmut. Eine alleinstehende Mutter sei am Telefon nahezu ausgerastet, Schwuchow musste besänftigen, eine Lösung suchen und fand auch eine. Immerhin sei jetzt wieder ein kleiner Schritt in Richtung Normalität getan, auch wenn die Vorschulkinder im ersten Moment „sehr vorsichtig“zur Tür hereingekommen seien. Einigen sei bei dem Anblick der vermummten und sonst so vertrauten Erzieherinnen die Tränen gekommen. Der Trennungsschmerz von den Eltern sei nach der langen Zeit bei manchen schon etwas stärker gewesen. Doch nach einer Viertelstunde seien alle lockerer geworden, hätten gespielt und gelacht. Für Schwuchow war das „ein gewonnener Tag“. Glückliche Kinder seien für sie und ihre Kollegen aufbauend.
Dass die Kinder möglicherweise das Virus einschleppen könnten, daran denkt Schwuchow keine Sekunde. Man versuche, so gut wie möglich Vorschriften und Regeln einzuhalten. So dürfen die Eltern den Kindergarten nicht betreten, die Kleinen werden am Eingang von den Erzieherinnen abgeholt, ihnen wird Fieber gemessen, sie müssen sich die Hände waschen. Die Räume werden ständig gelüftet, wann immer es geht, wird draußen im Garten gespielt.
Im Storchennest Ichenhausen gibt es selbst im Garten einen Schichtbetrieb und zwei durch Absperrbänder getrennte Bereiche. Nach eineinhalb Stunden ist Wechsel, immer nur zwei Gruppen dürfen raus. Im Kindergarten Purzelbaum in Unterknöringen wird sogar benutztes Spielzeug später gereinigt und Flächen desinfiziert. Die Sorge vor einer Ansteckung sei schon im Hinterkopf, sagt die stellvertretende Leiterin Sabine Fritz. Man schaue und höre genauer hin, wenn ein Kind huste, und achte darauf, ob es einem Kind vielleicht nicht so gut gehe. Die Rückkehr der neun Vorschulkinder sei erstaunlicherweise fast normal abgelaufen, sie hätten sich einfach gefreut, alle wiederzusehen. „Je mehr Alltag wir haben, umso leichter fällt es uns auch“, sagt Fritz. Noch komme man ohne Schichtbetrieb aus, allerdings hätten von 61 Kindern bisher auch nur elf die Notbetreuung aufgesucht, plus der neun Krippenkinder. Alle seien gut aufgeteilt, „das erfordert halt viel Organisation und Umstrukturieren“, so die stellvertretende Kindergartenleiterin.
Wie sie und die anderen Kindergartenleiter ab 1. Juli organisieren, wenn alle Kinder wieder in die Kindergärten zurückdürfen, ist noch völlig offen. Dieses Zieldatum hatte Ministerpräsident Markus Söder zuletzt genannt. Außerdem hatte er davon gesprochen, dass alle in kleineren, festen Gruppen betreut werden sollen.
Bleibt noch eine Frage offen: Wie sieht es eigentlich mit der Abstandsregel aus? „Da muss man schon realistisch sein. Das ist nicht immer machbar“, sagt Elvira Mader vom Storchennest Ichenhausen. Zu ihrem Beruf gehöre es, Nähe zu zeigen und auch zu trösten. „Das sind keine kleinen Erwachsenen, um die wir uns kümmern. Man muss auch mal näher zusammenrücken, sonst ist es kein Kindergarten mehr.“