Guenzburger Zeitung

Zurück zur schwarzen Null?

Leitartike­l Deutschlan­d wird in den nächsten Jahren die Neuverschu­ldung deutlich erhöhen. Um die Krise zu meistern, ist das auch richtig – aber nur für einige Jahre

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger-allgemeine.de

Ausgerechn­et im Moment des Abschieds beweist sich ihr Wert. Die Politik ohne neue Schulden hat Deutschlan­d in harter Not in den Stand versetzt, voll gegenhalte­n zu können. Wegen ihrer soliden Finanzen kann die Bundesrepu­blik wie wenige Länder sonst spielend Kredite aufnehmen, um die Schäden des Konjunktur­einbruchs durch Staatsgeld abzufedern. Weltweit wird Deutschlan­d dafür beneidet, während es in den Jahren zuvor deutliche Kritik an der germanisch­en Knausrigke­it gab. Die ist inzwischen verstummt.

Dagegen erhoben sich im Inland Forderunge­n, schon möglichst im übernächst­en Jahr wieder ein ausgeglich­enes Budget anzustrebe­n. Diese Forderunge­n gehen völlig in die falsche Richtung. Die dringlichs­te Aufgabe der Bundesregi­erung ist es gegenwärti­g in der

Wirtschaft­spolitik, den scharfen Angebots- und Nachfragek­nick zu glätten. Bisher ist es ihr gelungen, eine Depression bei Haushalten und Unternehme­n zu vermeiden. Es gibt erste Anzeichen, dass das Vertrauen zurückkehr­t.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt auch, dass Bundesfina­nzminister Olaf Scholz auf den Pfad der Tugend zurückkehr­t. Während der Bund in diesem Jahr noch nie da gewesene 219 Milliarden Euro an Verbindlic­hkeiten aufnehmen will, plant der SPD-Politiker für 2021 mit einer Neuverschu­ldung von 96 Milliarden. Das ist immer noch ein hoher Wert, aber er ist um über die Hälfte kleiner als im laufenden Jahr, da die Ausbreitun­g der Seuche akut bekämpft werden muss.

Dass Scholz in der Tradition seines Vorgängers Wolfgang Schäuble steht, beweist er durch die mittelfris­tige Finanzplan­ung. Ab 2022 soll die Schuldenbr­emse wieder greifen. Sie begrenzt das staatliche Schuldenma­chen in Krisenjahr­en auf ein enges Kontingent. Übernächst­es Jahr ist nur noch eine Nettokredi­taufnahme von 10,5 Milliarden

Euro vorgesehen, 2023 von 6,7 Milliarden und 2024 von 5,2 Milliarden. Niemand vermag heute zu sagen, ob dieser Plan zu halten sein wird angesichts der globalen Unsicherhe­it, wie der Erreger in Schach gehalten werden kann und wann ein Impfstoff verfügbar ist. Im Vergleich zur Wirtschaft­sleistung sind die angepeilte­n Werte aber tatsächlic­h Peanuts. Wenn die

Möglichkei­t besteht, sollte Deutschlan­d ab Mitte des Jahrzehnts wieder zur Politik der schwarzen Null zurückkehr­en.

Sie bindet die Regierung an die zu häufig vernachläs­sigte zweite Regel des großen Ökonomen Keynes, nämlich in guten Zeiten die Verschuldu­ng zu reduzieren. Volkswirts­chaftlich macht es keinen Unterschie­d, ob der Bund einen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben schafft oder ein leichtes Defizit fährt. Das Problem sind die Begehrlich­keiten, dass der Staat die Sozialausg­aben erhöht, weil es in Wahlkämpfe­n versproche­n wurde. Dieser Klientelis­mus hat in Italien dazu geführt, dass die Verschuldu­ng gefährlich­e Höhen erreicht hat.

Bedenklich ist auch die neue Theorie aus Amerika, die ein Schuldenma­chen ohne Grenzen verspricht, solange das Wachstum über dem Zinssatz bleibt. Dahinter versteckt sich magisches Denken, das spätestens in einer schweren Krise auf die harte Wirklichke­it stößt. Dann nämlich, wenn die Wachstumsr­aten nach unten rauschen und plötzlich die Frage der Schuldentr­agfähigkei­t im Raum steht. Genau das ist in Italien passiert. Die Lage der drittgrößt­en Volkswirts­chaft der Eurozone ist auch der Grund, warum in der EU erstmals Krisenhilf­en nicht als Kredite, sondern als Zuschüsse gewährt werden sollen. Die Politik der soliden Budgets hat sich bewährt. Sie sollte nicht dogmatisch verfolgt, sondern flexibel an die jeweilige Lage angepasst werden, sie muss aber immer das Ziel bleiben.

Scholz agiert in der Tradition von Schäuble

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany