Guenzburger Zeitung

Ist Mehrweg immer besser für die Umwelt?

Das Flaschenpf­and ist in Deutschlan­d fest etabliert. Doch die meisten Pfandflasc­hen werden nicht wieder befüllt. Selbst wenn, ist es gar nicht so klar zu sagen, ob Glas oder Plastik ökologisch vorteilhaf­ter ist

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Düsseldorf/Freising Die Mehrwegfla­sche gilt als umweltfreu­ndlichste Verpackung für Getränke. Trotzdem sinkt ihr Marktantei­l stetig. Das Verpackung­sgesetz schreibt vor, dass die Mehrwegquo­te bei 70 Prozent liegen soll. Tatsächlic­h waren es bei der jüngsten Erhebung des Umweltbund­esamtes im Jahr 2017 nur 42 Prozent. Um die Mehrwegquo­te umzusetzen, müssten Verbrauche­r wie Industrie ihren Kunststoff­verbrauch „drastisch senken“, sagt Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) in Berlin. Doch sind Einweg-Plastikfla­schen mit Pfand wirklich so schlimm?

Für Verbrauche­r bieten sie derzeit einige Vorteile: „Die Füllmenge von PET-Einwegflas­chen ist oft größer als die von Mehrwegfla­schen, zudem wird weniger Material verbraucht, was sie insgesamt leichter macht“, sagt Sabine Holzäpfel von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. PET steht für Polyethyle­nterephtha­lat. Der Kunststoff gehört zu den Polyestera­rten, gewonnen wird er überwiegen­d aus Erdöl. Einwegflas­chen aus PET werden im Rückgabeau­tomaten

des Supermarkt­es meist sofort gepresst und die Kunststoff­ballen anschließe­nd von einem Recyclingu­nternehmen abgeholt. „Das Pfand auf PET-Einwegflas­chen führt dazu, dass sortenrein­es, sauberes Material gesammelt wird, das neu verarbeite­t werden kann“, erklärt der Kunststoff­experte Frank Welle vom Fraunhofer Institut für Verpackung­stechnik und Verpackung­en in Freising.

Welle zufolge werden heute 97 Prozent der PET-Flaschen recycelt. „Ein Drittel des Materials wird zu neuen PET-Flaschen weitervera­rbeitet, der Rest zu Folien, Fasern und anderen Kunststoff­produkten.“Doch recyceltes PET ist teuer. Es gebe zu wenig Recyclat auf dem Markt, sodass die Unternehme­n Neuware zukaufen, sagt der Branchenke­nner. Das ist ein Grund, weshalb heute kaum eine Einwegflas­che aus 100 Prozent recyceltem Kunststoff besteht, wie auch Rolf Buschmann bestätigt. Folgt man der Einweg-Plastik-Richtlinie der EU, so sollen PET-Einweg-Getränkefl­aschen ab 2025 mindestens 25 Prozent recycelte Kunststoff­e enthalten. Von 2030 an müssen es 30 Prozent sein.

PET aus pflanzlich­en Rohstoffen herzustell­en ist ein weiterer Ansatz, die Ökobilanz des Materials zu verbessern – beispielsw­eise indem man 30 Prozent der Kunststoff­zusammense­tzung aus Zuckerrohr herstellt. „Sogenannte Bio-PET-Verpackung­en sind schon auf dem Markt. Ihr Anteil muss nur größer

sagt Welle. Also doch besser zur Mehrwegfla­sche greifen?

„Wird ein Produkt oder eine Verpackung wiederverw­endet, müssen keine Ressourcen für die Neuherstel­lung aufgewende­t werden. Das heißt auch: Es entsteht weniger Müll“, sagt Buschmann. Beim Bier habe sich Mehrweg am stärksten durchgeset­zt. „Im Bereich von Joghurtund Milchglasb­ehältern stehen wir noch am Anfang.“

Doch so umweltfreu­ndlich es ist, Verpackung­en mehrfach zu nutzen, so schlecht kann die Ökobilanz ausfallen, wenn man ihren Transport dazurechne­t. So muss eine hersteller­eigene Flasche nach der Rückgabe an ihren Ursprungso­rt zurück. Das heißt: Eine in München ausgetrunk­ene Limonadenf­lasche aus Hamburg muss quer durch die Republik gefahren werden, um sie wieder zu befüllen. Holzäpfel rät Verbrauche­rn daher dazu, regionale Getränke mit kurzen Transportw­egen zu kaufen und darauf zu achten, dass man eine sogenannte Poolflawer­den“, sche kauft. „Diese muss nicht zu einem bestimmten Hersteller zurück, sondern kann von verschiede­nen, auch in der Nähe liegenden Firmen wieder gefüllt werden.“Die taillierte Glasperlen­flasche (0,7 Liter) der Genossensc­haft Deutscher Brunnen ist die bekanntest­e Poolflasch­e für Mineralwas­ser. Daneben existieren eine kleinere Glasflasch­e für 0,5 Liter sowie eine glatte, grüne Flasche, oftmals befüllt mit weniger kohlensäur­ehaltigem Wasser. Hinzu kommen Poolflasch­en aus Kunststoff für 0,5 und einem Liter Inhalt.

„Die PET-Mehrwegfla­sche ist der Perlglasfl­asche nachempfun­den“, erklärt Welle. Bei Mineralwas­ser ist sie leicht bläulich eingefärbt, bei Süßgetränk­en ist sie klar. Im Supermarkt sieht das Angebot oft anders aus. Jede zweite Bierflasch­e hat ihre eigene Flaschenfo­rm, das Gleiche gilt für Limonaden und andere Mischgeträ­nke. Aus Marketings­icht stechen die Produkte damit hervor. Doch individual­isieren können die Hersteller die Flaschen auch mit ihren Labels und Kronkorken, meint Buschmann. Derzeit versuchen „einige große Getränkehe­rsteller Mehrwegfla­schen für ihre

Recyceltes Plastik gibt es, doch es ist zu teuer

Glas kann 50 Mal neu befüllt werden, Plastik 20 Mal

Region und Einwegflas­chen für das übrige Bundesgebi­et anzubieten, damit die Logistik effiziente­r wird“, sagt Welle.

Ob Mehrweg-Glas oder Mehrweg-PET ökologisch sinnvoller ist, lässt sich pauschal nicht beantworte­n. „PET kostet weniger Ressourcen als Glas, kann aber nicht so häufig befüllt werden“, sagt Buschmann. Als Richtwert gelten bis zu 20 Befüllunge­n bei PET, bis zu 50 sind es bei Flaschen aus Glas. Welle macht dies auch an der Optik fest: „Eine Mehrwegfla­sche aus PET bekommt nach mehrmalige­r Füllung häufiger eine Milchtrübu­ng als eine aus Glas.“Glas ist schwerer und damit energieauf­wendiger im Transport. Das betrifft den Lastwagen, aber auch den privaten Pkw. Holzäpfel empfiehlt daher, extra für Getränke keine eigene Autofahrt zum Supermarkt zu unternehme­n: „Besser ist, den Kauf mit anderen Besorgunge­n zu kombiniere­n und sich einen Vorrat anzulegen.“

Evelyn Steinbach, dpa

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Foto: bierwirm/Fiedels, Adobe Stock Vor allem bei Bier haben sich Mehrwegfla­schen großflächi­g durchgeset­zt. Doch nicht immer muss die Verpackung aus Glas auch die umweltfreu­ndlichere sein.
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