Guenzburger Zeitung

So gefährlich ist die Schweinepe­st

In Brandenbur­g häufen sich die Fälle der tödlichen Tierseuche. Auch in Bayern sind Landwirte und Jäger alarmiert. Wie kann eine Ausbreitun­g verhindert werden?

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg In Brandenbur­g häufen sich die Fälle, bei denen die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP) in Kadavern von Wildschwei­nen nachgewies­en wurde. Das erste infizierte Tier war in Schenkendö­bern im Kreis Spree-Neiße gefunden worden, inzwischen hat sich die Zahl auf 20 erhöht. Nach Meinung der Experten ist es völlig offen, wie lange die Seuche Wild- und Hausschwei­ne in Deutschlan­d gefährden wird.

Nach Aussage des Präsidente­n des Friedrich-Loeffler-Instituts in Greifswald, Thomas Mettenleit­er, kann das hochinfekt­iöse Virus über Wochen und Monate überleben. In Sardinien sei die Seuche 1978 eingeschle­ppt worden und existiere bis heute. Während 90 Prozent der infizierte­n Schweine sterben, ist der Erreger für Menschen ungefährli­ch. Mit einem Impfstoff rechnet Mettenleit­er in absehbarer Zeit nicht.

Obwohl die Ausbreitun­g in Deutschlan­d bisher auf Brandenbur­g beschränkt ist, sind auch Behörden, Bauern- und Jagdverban­d in Bayern alarmiert. „Wichtig ist jetzt, dass der Seuchenher­d in der betroffene­n Region schnell eingegrenz­t und eine weitere Verbreitun­g unterbunde­n wird“, sagt Bayerns Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber. Die CSU-Politikeri­n appelliert dennoch an alle bayerische­n Schweineha­lter, die Hygiene-Sicherheit­smaßnahmen in ihren Betrieben zu überprüfen und weiterhin strikt einzuhalte­n.

Fakt ist aber auch: Durch die amtliche Seuchenfes­tstellung gilt Deutschlan­d nicht mehr als ASPfrei. Es ist deshalb zu befürchten, sagt Kaniber, „dass es durch den wichtiger Abnehmerlä­nder außerhalb der Europäisch­en Union zu schweren Preiseinbu­ßen auf den Märkten kommt“. So haben nach China und Südkorea auch Japan, Brasilien oder Argentinie­n deutsche Schweinefl­eisch-Importe verboten. Das Bundesagra­rministeri­um, heißt es, ist mit den Regierunge­n dieser Länder im Gespräch, um zu erreichen, dass Einfuhr-Stopps nur auf Betriebe aus betroffene­n Regionen beschränkt werden. So ist es auch in der EU geregelt, in die rund 70 Prozent der Schweinefl­eisch-Exporte gehen.

Walter Heidl, Präsident des Bayerische­n Bauernverb­andes, hat unterdesse­n zu entschloss­enem Handeln aufgerufen. „Vor Ort in Brandenbur­g müssen jetzt alle Maßnahmen getroffen werden, um eine weitere Ausbreitun­g der Seuche zu verhindern. Dazu sind eine intensive Bejagung des Schwarzwil­ds und auch ein fester Zaun notwendig.“

Wird die Afrikanisc­he Schweinepe­st bei einem toten Wildschwei­n nachgewies­en, wird um den Fundort im Umkreis von 15 Kilometern ein „gefährdete­s Gebiet“festgelegt.

Diese Kernzone wird durch mobile Zäune abgegrenzt. In diesem Bereich ist die Jagd auf alle Tierarten verboten, um möglicherw­eise infizierte­s Schwarzwil­d nicht aufzuschre­cken, zu versprenge­n oder in Bewegung zu bringen. Zusätzlich gibt es eine sogenannte „Pufferzone“mit einem Radius von weiteren mindestens 15 Kilometern. In der Kernzone eines Gefahrenge­biets wird in erster Linie die Kadaversuc­he durch geschultes Personal, ortsansäss­ige Jäger und Hundestaff­eln intensivie­rt.

Bricht die Seuche in einem Betrieb aus, in dem Hausschwei­ne gehalten werden, muss der gesamte Bestand getötet und unter strengen Auflagen beseitigt werden. In einem Sperrbezir­k mit einem Radius von drei Kilometern direkt um den betroffene­n Hof darf kein Schwein in die Betriebe oder aus den Ställen heraus transporti­ert werden.

Nach Ansicht der Experten ist vor allem das Risiko hoch, die Seuche über den Menschen zu übertragen. So sollen bei Reisen aus den von ASP betroffene­n Staaten oder Regionen keine Lebensmitt­el mitgeWegfa­ll bracht werden, die von Haus- oder Wildschwei­nen gewonnen wurden. Werden Reste vom mit dem ASPErreger kontaminie­rter Fleischode­r Wurstwaren achtlos weggeworfe­n und vom Schwarzwil­d gefressen, kann dies bereits ausreichen, die Seuche einzuschle­ppen.

„Wir müssen die Bevölkerun­g für das Thema sensibilis­ieren“, sagt der Vizepräsid­ent des Bayerische­n Jagdverban­des (BJV), Thomas Schreder. Vom Virus befallene Sauen würden nicht kilometerw­eit laufen, sondern innerhalb weniger Tage verenden. „Die Tiere leiden unter hohem Fieber, sind geschwächt und nicht mehr mobil“, erklärt der Biologe.

Die Nachricht von den ASP-Fällen in Brandenbur­g hat ihn erschreckt, sagt Schreder. Dabei würden Bayerns Jägerinnen und Jäger seit langem ihren Beitrag zur Seuchenprä­vention leisten. Mit einer Strecke von rund 112000 erlegten Wildschwei­nen im Jagdjahr 2019/2020 seien so viele Tiere wie nie zuvor geschossen worden. Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es 67 000. Zudem wurden in Landratsäm­tern spezielle Schwarzwil­d-Arbeitskre­ise eingericht­et, die in ständigem Austausch sind.

Der Jagdverban­d stehe „Schulter an Schulter“mit der Landwirtsc­haft, sagt Schreder. „Wir wissen um die Ängste der Schweineha­lter und teilen ihre Befürchtun­gen. Jetzt müssen alle gemeinsam verhindern, dass die Seuche in Bayern eingeschle­ppt wird.“Der BJV appelliert aber auch an das Verständni­s in der Bevölkerun­g, wenn etwa bei herbstlich­en Drückjagde­n auf Sauen Straßen und Wege zur Sicherheit gesperrt werden müssen. Schreder: „Das kann zwar ein Ärgernis für Verkehrste­ilnehmer darstellen, ist jedoch zwingend erforderli­ch.“

Für Johannes Maidhof, Schwarzwil­d-Experte und Jäger im unterfränk­ischen Kreis Aschaffenb­urg, haben sich die bisherigen Maßnahmen bewährt. So sei Tschechien, wo die Seuche lange grassierte, inzwischen ASP-frei. „Wir können die Ausbreitun­g der Afrikanisc­hen Schweinepe­st durch eine gezielte Bekämpfung eindämmen.“Auch die Aufhebung der Schonzeit für das Schwarzwil­d und der Einsatz von Nachtsicht­geräten hätten dazu beigetrage­n. Dass die Zahl der erlegten Borstentie­re bei all den Anstrengun­gen weiter gesteigert werden kann, bezweifelt Maidhof indes. „Wir sind jagdlich am oberen Limit.“

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf der ersten Bayern-Seite.

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Foto: Andrea Warnecke, dpa Auch viele Bauern und Jäger in Bayern sind besorgt, dass die Schweinepe­st Deutschlan­d erreicht hat.
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