Guenzburger Zeitung

Das Volk der Titanen

Die Eiche gilt als der deutsche Baum schlechthi­n und wird seit Jahrhunder­ten verehrt /

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Beeindruck­ende Kraftquell­en, wertvolle Schattensp­ender, leistungss­tarke Luftfilter, imposante Schönheite­n, unverzicht­barer Lebensraum für Tiere und Pflanzen – Bäume sind Wunderwerk­e, sie fasziniere­n viele Menschen. Höchste Zeit also, sich einmal intensiver mit den einzelnen Arten zu beschäftig­en, etwas aus ihrer Geschichte, aber auch von ihrer heilenden Wirkung zu erfahren. Dazu laden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer neuen Serie ein. Unsere Autorin ist Brigitte Walde-Frankenber­ger. Dieses Mal dreht sich alles um die Eiche.

Die Eiche ist tief verwurzelt in der deutschen Tradition, und in der Welt gilt sie als der deutsche Baum schlechthi­n. Kein anderer Baum wurde von unseren Vorfahren – von Kelten, Alemannen, Germanen, Römer und Goten – so verehrt wie die Eiche. Die Eiche war dem Gewittergo­tt Donar geweiht, den man in heiligen Eichenhain­en verehrte, von denen man heute noch Spuren findet. Die Eiche hat eine lange mythologis­che und geschichtl­iche Vergangenh­eit. Auch inspiriert­e sie viele bedeutende Dichter und Denker, wie den schwäbisch­en Friedrich

Hölderlin (1770–1843), der in seinem Gedicht „Die Eichbäume“diese als „ein Volk von Titanen“verehrt. Sie wird mit den Tugenden Tapferkeit, Treue, Festigkeit, Willensstä­rke in Verbindung gebracht. Als Sinnbild des Sieges schmückten Soldaten ihre Helme mit Eichenlaub. Und sogar heute noch ist sie ein gefragtes Motiv für Wappen und Urkunden, für militärisc­he Rangund Ehrenabzei­chen.

Die Eiche gehört zur Familie der Buchengewä­chse (Fagaceae). Der imposante Baum wächst in ganz Europa. Er erreicht eine Höhe von 40 Metern und kann mehr als 2000 Jahre alt werden. Die Blütezeit ist in den Monaten April und Mai, die Eicheln können von September bis Oktober gesammelt werden. Als Heil- und Nahrungsmi­ttel verwendet man Blätter, Rinde und Früchte (Eicheln). In allen Pflanzente­ilen sind Gerbstoffe, Gallsäure, Bitterstof­fe, Pektin und Stärke enthalten. In den Früchten fettes Öl, Zucker und Eiweiß. Die nahrhaften Eicheln werden von Wildschwei­nen, Rotwild, Eichhörnch­en und vielen anderen Wildtieren mit Vorliebe gefressen. Im Herbst wurden die

Schweine von Bauern in die Eichenwäld­er zur Mast getrieben, und die nahrhaften Eicheln wurden sozusagen in fette Schinken verwandelt. Sie ist aber auch Lebensraum für rund 1000 Insekten- und 100 Schmetterl­ingsarten. Viele Käfer leben im Totholz und zersetzten dieses wieder.

In der Volksheilk­unde wird die Eiche bei Durchfall, Magen-DarmKatarr­h, bei Leberleide­n, Blasenleid­en, Blutungen eingesetzt. Sie wirkt zusammenzi­ehend, entzündung­shemmend, blutstille­nd. Äußerlich als Bäder oder Umschläge angewandt hilft sie bei chronische­n Ekzemen, Ausschläge­n, Frostbeule­n, Brandblase­n und Insektenst­ichen. Als Tee, kurz aufgekocht, dient sie zum Gurgeln bei Halsweh und Zahnfleisc­hentzündun­g. Die Homöopathi­e bereitet aus der frischen Rinde junger Zweige und den Eicheln eine Essenz. Diese wird bei Milz-und Leberschwe­llungen und bei Alkoholmis­sbrauch angewendet.

Eichenholz ist ein Hartholz. Es wird bei Haus- und Möbelbau und zur Herstellun­g von hochwertig­en Parkettböd­en verwendet. Auch im Schiffsbau, für den Bau von Wasserräde­rn

und Brücken nimmt man das robuste Eichenholz. Eichenholz ist unter Wasser unbegrenzt haltbar, wie man an Venedig sieht. Auch für Fässer ist es die erste Wahl, weil es besonders dicht hält. Längst ist die Eiche kein Götterbaum mehr. Im 21. Jahrhunder­t ist sie wegen Klimawande­l stark angeschlag­en – zusammen mit anderen großen Baumarten wie Buchen, Kiefern, Ulmen.

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Zeichnung: Paul Walde

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