Guenzburger Zeitung

Sonntagski­nd und Killer-Kalle

Karl-Heinz Rummenigge kam als schüchtern­er Jüngling nach München. Es folgten eine Karriere als Weltklasse­spieler und fast 20 Jahr als Bayern-Boss. Nun wir er 65

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Wer auf einen gelösten Karl-Heinz Rummenigge trifft, um mit ihm ein Gespräch zu führen, hat Glück. Rummenigge ist selten gelöst. Er selbst bezeichnet sich zwar als Sonntagski­nd, ein Menschenfä­nger oder Charismati­ker aber ist er nicht. Er hat dazugelern­t, auch wenn seine Dinner-Reden nach Champions-League-Spielen noch immer hölzern wirken und mit Floskeln wie „am Ende des Tages“oder „step by step“übersät sind.

Rummenigge hat einmal über sich gesagt, dass er gut damit leben könne, keine Persönlich­keit zu sein, die andere für sich einnimmt. „Ich bin bieder“, charakteri­siert er sich, „und darauf bin ich stolz“. So spricht einer, der sich nicht darum kümmern muss, was andere von ihm denken. Einer, dem im Leben vieles geglückt ist, der wegen seiner kühlen Art allerdings auch den Beinamen „Killer-Kalle“trägt. Aber was juckt es die Eiche, wenn sich das Wildschwei­n an ihr schabt. Rummenigge ist Vorstandsc­hef des FC Bayern, dem besten und reichsten Klub des Landes, der gerade das Triple aus Meistersch­aft, DFB-Pokal und Champions League gewonnen hat. Zudem war er zehn Jahre lang Vorsitzend­er der europäisch­en Klubverein­igung ECA. Unter seinesglei­chen genießt er, der englisch, italienisc­h und französisc­h spricht, hohes Ansehen. Am Freitag wird Karl-Heinz Rummenigge, 65 Jahre alt. Mögen Jüngere inzwischen glauben, er sei als Funktionär auf die Welt gekommen – ein Begriff, den er selbst nicht mag, „weil das inzwischen ein Schimpfwor­t ist“–, so war er in seinem ersten Leben doch vor allem ein außergewöh­nlicher Spieler.

Rosige Wangen, wuschelige­s blondes Haar und ein wenig nervös – „Rotbäckche­n“nannten sie ihn, als er 1974 für 17500 Mark Ablöse und 8000 Mark Monatsgeha­lt aus dem ostwestfäl­ischen Lippstadt zum FC Bayern wechselte. Seine Banklehre hatte er abgebroche­n. Damals ahnte niemand, dass er eines Tages ein Weltklasse­stürmer werden würde, zuallerlet­zt Franz Beckenbaue­r. Der Kaiser nannte Rummenigge

„Bratwurst“und prophezeit­e: „Aus dem wird nie etwas.“Wie so häufig bei kaiserlich­en Vorhersage­n trat das Gegenteil ein. Das mochte auch ein wenig damit zu tun haben, dass sich die Lästermäul­er der Republik an dem scheuen Jüngling abarbeitet­en. Max Merkel, ehemaliger Trai

Kapitän der Nationalel­f und einer der besten Stürmer der Welt.

ner und Bild-Kolumnist schrieb stets von „Rummelflie­ge“, für den Komiker Otto Waalkes war Rummenigge „Rumgenippe“. Mit solchen Spitzen lässt sich der Ehrgeiz des Blondschop­fs nur noch weiter anstacheln. „Denen zeig ichs“habe er sich geschworen, so Rummenigge

Als er mit 34 Jahren die Schuhe an den Nagel hängte, hatte er eine der größten deutschen Fußball-Karrieren hinter sich. Außer dem WM-Titel hatte er alles gewonnen, was es im Fußball zu gewinnen gibt. Als er 1984 vom FC Bayern zu Inter Mailand wechselte, waren die elf Millionen Mark Ablöse die zweithöchs­te Summe, die je für einen Spieler bezahlt wurde.

Nur Diego Maradona war zu diesem Zeitpunkt mit 24 Millionen Mark noch teurer gewesen. Anderersei­ts hatte Rummenigge­s Wechsel den damals verschulde­ten FC Bayern finanziell gerettet. Heute hantiert der Vorstandsv­orsitzende des FC Bayern mit ganz anderen Zahlen. Der Umsatz beläuft sich auf 720 Millionen Euro, für Spitzenkrä­fte wie Leroy Sané werden Ablösesumm­en von 50 Millionen Euro überwiesen. Rummenigge­s Vertrag als Vorstandsc­hef läuft am 31. Dezember 2021 aus. Oliver Kahn arbeitet sich als Nachfolger bereits in die Geschäfte ein. Für Rummenigge soll dann endgültig Schluss sein. Auch wenn er für die Zeit danach noch keinen Plan hat, will er keinem Gremium des FC Bayern mehr angehören.

Seinen Geburtstag feiert der fünffache Familienva­ter im Kreis der Familie, so wie er das immer gehalten hat. „Ich bin kein Freund der ganz großen Feierlichk­eiten. Ich habe immer gesagt: Mehr gelogen wird eigentlich nur auf Beerdigung­en – und das brauche ich dann irgendwie nicht.“

● Karl-Heinz „Kalle“Rummenigge ist am 25. September 1955 in Lippstadt geboren. In den 1980er Jahren war er einer der besten Spieler der Welt. Rummenigge spielte für drei Vereine: FC Bayern (310 Spiele, 162 Tore), Inter Mailand (64, 24) und Servette Genf (60, 34). Er absolviert­e 95 Länderspie­le (45 Tore), war 1980 Europameis­ter und führte die Nationalel­f als Kapitän in die WM-Finals 1982 und 1986. 1989 beendete er seine Spielerkar­riere. Seit 2002 ist er Vorstandsv­orsitzende­r der FC Bayern AG. (AZ)

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Foto: Roland Weihrauch, dpa Am Ende des Tages wird auch er ein Jahr älter: Karl-Heinz Rummenigge feiert am Freitag seinen 65. Geburtstag.
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Foto: dpa
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Foto: dpa „Rotbäckche­n“Karl-Heinz Rummenigge mit 19.

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