Guenzburger Zeitung

So stressig ist Rasen wirklich

Wie reagiert der Körper auf extrem schnelles Fahren? Das wollte Volvo, die Mutter des eingebaute­n Tempolimit­s, auf einer Vergleichs­fahrt herausfind­en. Unser Autor war dabei – und ließ sich sogar Blut abnehmen

- Rudolf Bögel

Bringt Rasen das Herz zur Raserei? Schüttet der Körper mehr Stresshorm­one aus, wenn man schnell fährt? Das wollte Volvo wissen und schickte Journalist­en zu Vergleichs­fahrten über die Autobahn. 458 Kilometer weit und ausgestatt­et mit einem Belastungs-EKG.

Die Teststellu­ng: Bis auf eine einzige Ausnahme sind die zwei Volvo XC 60 B5 (235 PS) identisch. Ein Fahrzeug ist auf Tempo 180 gedrosselt. Freiwillig, so wie jeder neue Volvo, der seit Juni vom Band rollt. Das andere Auto kann bis zu 220 km/h beschleuni­gen. Auch die Strecken sind identisch. Von Köln nach Frankfurt bis nach Aschaffenb­urg. Von dort geht es über Olpe zurück nach Köln.

Morgens um sieben Uhr in der Kölner Klinik „Links vom Rhein“. Nüchtern spendieren wir eine Kanüle voller Blut. Nach der Fahrt noch mal das Gleiche. Mit den Proben will Internist Ulf T. Esser beweisen, dass der Adrenalins­piegel beim Fahrer des nicht abgeregelt­en Autos höher ist. Und zwar anhand der Stresshorm­on-Konzentrat­ionen. Ob das Herz durch Rasen außer Takt gebracht wird, will der Internist ebenfalls wissen. Deshalb das Cortrium C3+ Langzeit-EKG, das die Herzfreque­nz überwacht und auf Unregelmäß­igkeiten überprüft.

Derartig verdrahtet sitzen wir hinter dem Steuer. So müssen sich Versuchska­ninchen fühlen. Neun Uhr, der Verkehr fließt. Obwohl der Kollege immer wieder auf die Tube

wenn die Straße mal frei ist, kann er keinen großen Vorsprung heraushole­n. Manchmal ist der schnellere Volvo zwar von der Bildfläche verschwund­en, aber dann überholt wieder ein WohnwagenG­espann oder ein Lkw. Schon schließt der langsamere Volvo auf. Erinnert ein wenig an die Fabel von Hase und Igel. Das Spiel wiederholt sich mehrmals, erst auf den letzten gut 150 Kilometern zieht der nicht abgeregelt­e Volvo ab.

Zurück an der Tankstelle in Köln-Rodenkirch­en. Zeit messen, nachtanken und vergleiche­n. Nur fünf Minuten kann das schnellere Auto herausfahr­en. Das Durchschni­ttstempo lag bei 128 km/h, die des anderen Autos bei 125 km/h. Und auch beim Verbrauch gibt es kaum Abweichung­en. 10,4 und 10,3 Liter.

Nicht recht viel anders sieht es im gesamten Teilnehmer­feld aus. Zwei Teams kommen zur gleichen Zeit an. Bei einem Paar beträgt der Unterschie­d immerhin zwölf Minuten. Deutlicher wird es beim Verbrauch. Einer der Testwagen benötigte 11,74 Liter auf 100 Kilometern. Ein anderer begnügte sich mit 9,35 Lidrückt, tern. Das sind bei einem Preis von 1,08 Euro pro Liter Diesel immerhin 2,60 Euro auf 100 Kilometern. Auf die ganze Strecke hochgerech­net spart sich der vorsichtig­ere Fahrer rund 11,50 Euro.

Damit haben die Testfahrte­n eines gezeigt: Die freiwillig­e Drosselung von Volvo auf Tempo 180 ist mehr oder minder ein Zeichen des guten Willens. Abgesehen von den Nachtstund­en ist der Verkehr auf den deutschen Autobahnen so dicht, dass hohe Geschwindi­gkeiten ohnehin nicht gefahren werden können.

Bleibt der medizinisc­he Aspekt. Aber auch hier ist das Ergebnis ambivalent und interpreta­tionsfähig. Das EKG zeigt bei keinem der zwölf Teilnehmer signifikan­te Ausschläge. Anders bei den Stresshorm­onen. Hier kann der Internist bei manchen Probanden eine Erhöhung der Werte feststelle­n.

Internist Ulf Esser deutet die Ergebnisse so: „Aufgrund der Verkehrsbe­dingungen auf den deutschen Autobahnen war es nicht möglich, dauerhaft an die Grenzen von 220 km/h zu gehen. Wäre dies der Fall gewesen, bin ich der Überzeugun­g, dass die Stressreak­tionen signifikan­t höher ausgefalle­n wären. Somit wäre auch der Einfluss auf das Befinden der Fahrer auch in körperlich­er Hinsicht deutlich spürbar.“

Für den Fahrer hat Vergleichs­fahrt zumindest eine Erkenntnis gebracht: Autofahren mag zwar eine aufregende Sache sein, aber so richtig aufregen tut sie mich persönlich nicht.

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Fotos: Volvo Zwei baugleiche Volvo XC 60 mit einem Unterschei­dungsmerkm­al: Der Rote ist auf Tempo 180 gedrosselt, im Grau-Blauen kann man nach Herzenslus­t Gas geben. Doch was macht das mit den Fahrern?
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Blutentnah­me morgens um sieben: Unser Testfahrer und Autor Rudolf Bögel unterzieht sich dem Selbsttest.

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