Guenzburger Zeitung

Regierung will Lockdown an Schulen verhindern

Für die Digitalisi­erung gibt es mehr Geld. Doch mancher Schule nützt das überhaupt nichts

- VON BERNHARD JUNGINGER UND SARAH RITSCHEL

Berlin/München Flächendec­kende Schließung­en von Schulen soll es im Kampf gegen die Ausbreitun­g des Corona-Erregers nach dem Willen der Bundesregi­erung nicht mehr geben. Das sagte Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) nach einem Schulgipfe­l im Kanzleramt. Denkbar sei allenfalls, dass einzelne Schulen oder Klassen zeitweise in Quarantäne geschickt werden, wenn es dort zu Infektione­n kommt.

Seit Beginn des neuen Schuljahre­s hat es bereits vorübergeh­ende Schließung­en gegeben. Mit dem unterfränk­ischen Bad Königshofe­n hat die erste Stadt in Bayern wegen hoher Corona-Zahlen alle Schulen und Kitas geschlosse­n. Dass es landesoder bundesweit zu einer solchen Maßnahme kommt, schließt Karliczek so gut wie aus: „Es ist unser großes Ziel, großflächi­ge Schulschli­eßungen möglichst zu vermeiden.“Sie glaube, dass dies auch gar nicht nötig sein werde. Der Start des Präsenzunt­errichts sei zufriedens­tellend verlaufen. Lüftungsko­nzepte sowie Hygiene- und Abstandsre­geln hätten sich bewährt.

Walter Baier, der Vorsitzend­e der Bayerische­n Direktoren­vereinigun­g, hofft inständig, dass sich der Komplett-Lockdown vom Frühjahr nicht wiederholt. „Das wäre die größte Katastroph­e für Schulen“, sagt Baier, selbst Leiter des Gymnasiums Bruckmühl im Kreis Rosenheim. Er vermisst die technische­n Voraussetz­ungen dafür, „dass es an jeder Schule einen erfolgreic­hen Distanzunt­erricht geben kann“.

Um die digitale Aufholjagd der Schulen zumindest zu beschleuni­gen, hatte sich Bildungsmi­nisterin Karliczek am Montagaben­d mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), der SPD-Vorsitzend­en Saskia Esken und den Kultusmini­stern der Länder getroffen. Bereits im August war vereinbart worden, dass Dienst-Laptops für die rund 800 000

Lehrer in Deutschlan­d angeschaff­t werden. Doch die dafür nötige halbe Milliarde Euro soll aus europäisch­en Töpfen kommen und steht noch gar nicht bereit. Nun hat der Bund zugesagt, das Geld vorzustrec­ken, damit die Geräte schneller zur Verfügung stehen. Während der Krise gab es Bedenken, dass Lehrer gegen Datenschut­zbestimmun­gen verstoßen könnten, wenn sie sensible Schülerdat­en auf ihren privaten Rechnern speichern.

Um die Technik an den Schulen sollen sich künftig Systemadmi­nistratore­n kümmern, an deren Ausbildung und Bezahlung sich der Bund beteiligen will. Mittels einer bundesweit­en Bildungspl­attform und digitalen Kompetenzz­entren sollen Lehrer für die Arbeit mit den digitalen Hilfsmitte­ln geschult werden. Damit Schüler am Digitalunt­erricht überhaupt teilnehmen können, planen die Bildungsmi­nister einen einheitlic­hen Datentarif für Schüler. Diese „Flatrate“soll zehn Euro pro Monat kosten. Karliczek berichtete, dass sich mehrere Telekommun­ikationsun­ternehmen bereit erklärt hätten, einen solchen Tarif anzubieten. Bedürftige Schüler sollen die Kosten erstattet bekommen.

Der bayerische Direktoren­vertreter Baier begrüßt, dass die Politik sich der Digitalisi­erung annimmt. Doch nicht nur seine, sondern auch hunderte anderer Schulen allein in Bayern teilen ein Problem: „Wir haben keinen Breitband-Anschluss. Und ohne schnelles Internet hilft uns die ganze technische Ausstattun­g nichts.“Kritik am Schulgipfe­l kommt auch von Thomas Sattelberg­er, dem bildungspo­litischen Sprecher der FDP im Bundestag. Er bezeichnet die Ergebnisse als „Kosmetik“. Den Teilnehmer­n fehle jedes Gespür für die nötige Geschwindi­gkeit in einer Krise. »Kommentar

Ohne schnelles Internet kein digitaler Unterricht

Newspapers in German

Newspapers from Germany