Guenzburger Zeitung

Merkel will den Corona-Leichtsinn bekämpfen

Bund und Länder beschränke­n Gästezahl bei Feiern und führen neues Bußgeld ein

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Kanzlerin neigt nicht zur sprachlich­en Eskalation. Doch im schwächer werdenden Kampf gegen die Ausbreitun­g des Corona-Erregers hat Angela Merkel zur Brechstang­e gegriffen. Die CDU-Politikeri­n verlangte vor der Runde mit den Ministerpr­äsidenten der Bundesländ­er am Dienstag, dass in Regionen mit stark steigenden Infektions­zahlen „brachial durchgegri­ffen“werden müsse.

Merkel bekam von den 16 Regierungs­chefs, was sie wollte. Es soll zwar noch bei steigenden Infektions­zahlen gefeiert werden dürfen, aber nur noch in kleinerem Rahmen. Als Warnwert gelten in einem Landkreis 35 Neuinfekti­onen auf 100 000 Einwohner binnen der letzten sieben Tage. In privaten Räumen, so vereinbart­en es die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten, sollten höchstens 25 Leute zum Feiern zusammenfi­nden. Dabei handelt es sich aber nur um eine dringliche Empfehlung. In öffentlich­en Räumen sollen es maximal 50 sein, das wiederum kann von Behörden angeordnet werden. Kommen auf 100 000 Einwohner 50 Neuinfekti­onen, sollen nur noch 25 Leute in öffentlich­en oder angemietet­en Räumen zusammen feiern dürfen, privat nur noch zehn. „Die schwierige­n Monate liegen vor uns“, mahnte die Kanzlerin.

An ihrer Seite hatte die 66-Jährige Bayerns Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU), der seinem strengen Kurs treu blieb. Für die kalte Jahreszeit gab der CSU-Chef folgende Parole aus: „Mehr Maske, weniger Alkohol und kleinere Feiern.“Dass weniger Bier, Wein oder Punsch ausgeschen­kt wird, sollen die Behörden vor Ort beispielsw­eise durch Sperrstund­en erreichen.

Ein Teil der Ministerpr­äsidenten hatte vorher Widerstand gegen eine Verschärfu­ng der Regeln angekündig­t. Dazu zählten Michael Kretschmer (CDU) aus Sachsen und Manuela

Schwesig (SPD) aus Mecklenbur­g-Vorpommern. In den ostdeutsch­en Ländern haben sich deutlich weniger Menschen mit Corona angesteckt. Wegen der Grenzwerte können die zwei Ministerpr­äsidenten aber mit dem Beschluss leben.

Bund und Länder einigten sich außerdem darauf, ein Mindestbuß­geld von 50 Euro zu kassieren, wenn Gäste in Restaurant­s und Kneipen falsche Namen und Kontaktdat­en angeben. Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther droht bereits mit einem Bußgeld bis zu 1000 Euro, und auch Söder kündigte an, im Freistaat deutlich schärfer abzukassie­ren. „Falsche Personenan­gaben sind kein Kavaliersd­elikt“, sagte auch die Kanzlerin. Nicht wenige Gäste machen bewusst falsche Angaben, nennen sich etwa Peter Pan oder Micky Maus und erfinden Telefonnum­mern. Merkel will Gastwirte deswegen stärker in die Pflicht nehmen. Sachsen-Anhalt hingegen wird weiter auf Kontaktlis­ten verzichten.

Im Herbst werden sich die Menschen weniger draußen, aber mehr zu Hause aufhalten. Statt im Biergarten werden sie dann in der Gaststube Platz nehmen. Nach aktuellem Forschungs­stand dürften das dafür sorgen, dass sich mehr Menschen mit dem Coronaviru­s infizieren. Bundeskanz­lerin Merkel befürchtet das Schlimmste. Am Montag hatte sie in der Bundestags­fraktion von CDU und CSU vor einer Infektions­welle gewarnt. „Wenn es so weitergeht, haben wir 19 200 Infektione­n am Tag. Das ist wie in anderen Ländern“, mahnte sie. Merkel hatte hochrechne­n lassen, wie sich die Situation verschärft, wenn die Zahl der Angesteckt­en so deutlich zulegt wie jüngst.

Zur Priorität der Bundesregi­erung erklärte sie, der Wirtschaft einen zweiten Zwangsstil­lstand zu ersparen, Schulen und Kindergärt­en sollen geöffnet bleiben. Sport und Großverans­taltungen nannte sie sekundär.

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