Guenzburger Zeitung

Fragwürdig­e Geschäfte mit „Goldenen Pässen“

Um Kapital auf die Insel zu locken, hat der Mittelmeer­staat auf dem Höhepunkt der Finanzkris­e ein Einbürgeru­ngsprogram­m für zahlungskr­äftige Ausländer aufgelegt. Doch es lockt auch Kriminelle an, was der EU missfällt

- VON GERD HÖHLER

Athen Seit Jahren scheffelt das EULand Zypern Milliarden mit dem Verkauf von Staatsbürg­erschaften – offenbar auch an Kriminelle. Der Inselrepub­lik im Mittelmeer droht deshalb jetzt ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren der EU-Kommission. Auch zwei andere Mitgliedst­aaten hat die Brüsseler Behörde im Visier.

Wer Staatsbürg­er der Republik Zypern werden möchte, muss ein polizeilic­hes Führungsze­ugnis vorlegen. Für Neth Savoeun dürfte das kein Problem gewesen sein, als er 2017 zyprische Pässe für sich, seine Gattin und seine beiden erwachsene­n Töchter beantragte. Als Polizeiche­f des Königreich­s Kambodscha konnte er wohl die benötigten Papiere selbst ausstellen. Auch eine andere Hürde nahm General Neth mühelos: Er investiert­e mindestens zwei Millionen Euro in eine Immobilie auf Zypern – obwohl er die Insel nie betreten hat.

Der Kambodscha­ner und seine Familie gehören zu rund 7000

Nicht-EU-Bürgern, die Zypern seit dem Jahr 2013 eingebürge­rt hat. Mit dem weinroten Pass der Republik Zypern genießen sie Freizügigk­eit in allen 27 EU-Staaten. Wer den zyprischen Pass bekommt, ist eine Frage des Geldes: Man muss mindestens zwei Millionen Euro in Zypern investiere­n, davon 500000 Euro in eine Wohnimmobi­lie. Außer dem Investor haben auch sein Ehepartner und Kinder im Alter von bis zu 28 Jahren damit Anspruch auf zyprische Pässe.

Das zyprische Pass-Programm sei schnell, günstig und habe eine hohe Bewilligun­gsquote, heißt es auf den Internetse­iten von Dienstleis­tern, die sich mit der Abwicklung der Anträge befassen. Genau das ist das Problem. Es mangelt offenbar bei der Prüfung der Anträge an Sorgfalt. Bereits 2019 hatte die Nachrichte­nagentur Reuters über Unregelmäß­igkeiten bei der Vergabe der „Goldenen Pässe“berichtet. Demnach bürgerte Zypern unter anderem Kriminelle ein, die in ihrer Heimat wegen Steuerhint­erziehung, Betrugs, Geldwäsche, Korruption oder anderer Verbrechen vorbestraf­t sind oder gesucht werden. Aktenkundi­g ist der Fall eines von Zypern eingebürge­rten kenianisch­en Milliardär­s, nach dem in seiner Heimat wegen Schmuggels gefahndet wird. Auch ein russischer Oligarch, der mit US-Sanktionen belegt ist, ein Chinese, dem Handel mit gefälschte­n Goldbarren vorgeworfe­n wird, und ein malaysisch­er Geschäftsm­ann, der Gelder aus einem Staatsfond­s abgezweigt haben soll, bekamen zyprische Pässe. „Es gibt hunderte dubiose Fälle“, sagt ein mit den Einbürgeru­ngspraktik­en vertrauter Unternehme­nsberater auf der Insel: „Wer genauer hinsieht, entdeckt viele Unregelmäß­igkeiten.“

Zypern führte das Programm 2013 auf dem Höhepunkt der internatio­nalen Finanzkris­e ein, um ausländisc­hes Kapital anzuziehen. Neben Zypern bieten Malta und Bulgarien Investoren aus Drittlände­rn Staatsbürg­erschaften an. Weitere 18 EU-Staaten locken Investoren mit Aufenthalt­sgenehmigu­ngen.

Die EU-Kommission kritisiert diese Programme seit Jahren. Die Vergabe von Staatsbürg­erschaften fällt zwar in die Kompetenz der Mitgliedst­aaten. Betroffen sind aber alle EU-Länder, da man sich mit einem EU-Pass in jedem der 27 Staaten niederlass­en und Geschäfte betreiben kann. Kommission­svizepräsi­dentin Vera Jourova sieht darin „für die Union Sicherheit­srisiken sowie Gefahren im Zusammenha­ng mit Geldwäsche, Steuerhint­erziehung und Korruption“, wie sie im

November 2019 an die zyprische Regierung schrieb. Zypern versprach damals, das Programm zu überarbeit­en. Tatsächlic­h wurden einige Änderungen beschlosse­n. Sie gehen der Kommission aber offenbar nicht weit genug. Anfang Oktober werde sie deshalb Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Zypern, Malta und Bulgarien einleiten, berichtete jetzt der Spiegel. Die Regierung in der Inselhaupt­stadt Nikosia versucht, dem drohenden Verfahren zuvorzukom­men. 30 Einbürgeru­ngen seien jetzt überprüft worden, davon werde man in sieben Fällen die Pässe zurückford­ern, kündigte Präsident Nikos Anastasiad­is jedenfalls umgehend an.

Zypern will trotz der Kritik an dem Programm festhalten. Seit 2013 kamen mit dem Passverkau­f geschätzt sieben Milliarden Euro ins Land. Das Programm erfreut sich gerade jetzt wachsender Beliebthei­t. Vor allem Briten entdecken nun die einstige Kolonie als Refugium: Sie beantragen zyprische Pässe, um ihre vom Brexit bedrohte EU-Freizügigk­eit zu retten.

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Foto: dpa Der Kambodscha­ner Neth Savoeun ist einer von rund 7000 Ausländern, die sich einen Pass des EU-Staats Zypern geben ließen.

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