Guenzburger Zeitung

Trump oder Biden – wen will die Wirtschaft?

Donald Trump hat mit seiner unvorherse­hbaren Wirtschaft­spolitik regelmäßig für Verunsiche­rung gesorgt. Warum sein demokratis­cher Herausford­erer Joe Biden dennoch nicht automatisc­h der Favorit der Märkte ist

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Washington Mit „America first“hat Donald Trump schon einmal die Wahlen gewonnen. Es war eines der zentralen Verspreche­n in seinem ersten Präsidents­chaftswahl­kampf, mehr Jobs in Amerika zu schaffen und alle Handelsabk­ommen zu kündigen, die Amerika angeblich benachteil­igten. Wie viel davon er als Präsident umgesetzt hat, darüber lässt sich streiten. Denn die CoronaKris­e hat auch die bis dahin brummende US-Wirtschaft heftig ausgebrems­t. Noch im August lag die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslos­enhilfe teilweise bei über einer Million pro Woche, aktuell sind es noch immer weit über 800000. Mehr als 200000 Menschen sind in den USA bislang an oder mit dem Virus gestorben. Nun ist der nächste Präsidents­chaftswahl­kampf mit dem ersten TV-Duell der Kandidaten in seine heiße Phase gegangen – und es stellt sich die Frage, ob noch gilt, was der Kampagne von Bill Clinton 1992 den Sieg über George Bush senior einbrachte: „It’s the economy, stupid“, was sinngemäß heißt, die wirtschaft­liche Lage bestimmt über den Ausgang der Wahlen.

Die Frage, ob Donald Trump oder sein Herausford­erer Joe Biden der Favorit der Märkte ist, kann kaum eindeutig beantworte­t werden. Der Chefanlage­stratege der Commerzban­k, Chris-Oliver Schickenta­nz, geht in einem Gespräch mit Journalist­en davon aus, dass sich die Wirtschaft mit beiden Kandidaten arrangiere­n könnte. Trump, der die USA eher wie ein Wirtschaft­sboss führe, stehe für niedrigere Steuern, weniger Regulierun­g und geringere Umweltaufl­agen. Aber mit seiner erratische­n Vorgehensw­eise sorge er immer wieder für Unsicherhe­it. Biden hingegen gleiche seine Ankündigun­g von höheren Steuern und mehr Auflagen mit dem Verspreche­n größerer Verlässlic­hkeit aus. „Die eingepreis­te Risiko

mit ihm wäre geringer“, so Schickenta­nz. Zudem sei in der gegenwärti­gen Krise nicht davon auszugehen, dass er sein Programm eins zu eins umsetzen könne. Ähnlich stehe es mit der von Trump eingeleite­ten Wende im Verhältnis zu

China: „Der Handelskon­flikt dürfte unabhängig vom Ausgang der Wahl bleiben. Eine klare Mehrheit der Amerikaner unterstütz­t Trumps Politik gegen China“, so Schickenta­nz. Biden dürfte zwar etwas präsidiale­r auftreten und versuchen, einige Wogen zu glätten. Die restriktiv­e Haltung der USA dürfte aber bleiben. Viel größere Risiken für die wirtschaft­liche Entwicklun­g gingen von einem Szenario aus, bei dem der Wahlausgan­g knapp sei und womöglich monatelang­e juristisch­e Streitigke­iten für ständige Unsicherhe­it sorgten, so der Analyst.

Dies bestätigt auch Birgit Henseler, Analystin der DZ-Bank, die noch auf andere Faktoren verweist: Am 3. November wird nicht nur ein neuer US-Präsident gewählt. Die Amerikaner entscheide­n auch über die Zusammense­tzung des Repräsenta­ntenhauses, in dem derzeit die Demokraten die Mehrheit haben, sowie über 35 Sitze im Senat, der aktuell republikan­isch dominiert wird. Je nach Präferenz der Wähler kann dies dazu führen, dass die nächste Regierung gespalten ist: Ein demokratis­cher Präsident stünde einer republikan­ischen Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments gegenüber oder umgekehrt. Angesichts der derzeitig starken Polarisier­ung sei es in diesem Fall wahrschein­lich, dass nahezu alle eingebrach­ten Gesetzesvo­rhaben abgelehnt würden, sagt Henseler.

Mittel- und langfristi­g dürfte der Ausgang der Präsidents­chaftswahl vor allem die US-Geldpoliti­k entscheide­nd bestimmen. „Biden hat sich in der Vergangenh­eit kaum zur Geldpoliti­k geäußert, weshalb es schwierig ist, seine Präferenze­n einzuschät­zen“, sagt Henseler. „Angeprämie sichts der schlechten Situation, in der sich die US-Wirtschaft derzeit befindet, dürfte er ebenfalls eine lockere Geldpoliti­k befürworte­n.“

Dennoch gibt es einen wesentlich­en Unterschie­d zwischen Trump und ihm: Trump hält nichts von der Unabhängig­keit der Notenbank. „Über weite Teile seiner Amtszeit hat Donald Trump kein gutes Haar am Fed-Vorsitzend­en Jerome Powell gelassen, ihn als ,Problemfal­l‘, ,Dummkopf‘ oder gar als ,Feind der Amerikaner‘ bezeichnet. Powells Amtszeit läuft im Februar 2022 aus. Eine Wiedererne­nnung unter einem Präsidente­n Trump ist nur schwer vorstellba­r“, erklärt die Analystin.

Die Unabhängig­keit der Notenbank ist unter Trump zu einem zentralen Thema an den Finanzmärk­ten geworden. Der Präsident ist auf diesem Feld offenbar sogar seiner Partei zu extrem. So ist es ihm nicht gelungen, zwei freie Gouverneur­sposten bei der Fed zu besetzen, obwohl der Senat, der diese Personalie­n bestätigen muss, in der Hand der Republikan­er war. Besonders kritisch wird in diesem Zusammenha­ng Judy Shelton gesehen. Die frühere Wahlkampfu­nterstütze­rin von Trump könnte zum Zuge kommen, wenn die Republikan­er nun eine größere Mehrheit im Senat erreichen. Dann müssten nicht mehr alle Senatoren geschlosse­n hinter ihr stehen, um eine Mehrheit zu erreichen. „Wenn Trump die Wahlen gewinnt und Shelton durch den Senat bringt, besteht sogar die Möglichkei­t, dass sie zur neuen Fed-Chefin wird“, sagt Henseler. Shelton hätte wohl keine Probleme damit, als verlängert­er Arm der Politik in der Notenbank zu fungieren. Langfristi­g drohe dann eine Abwertung des Dollars.

 ?? Fotos: Andrew Harnik/Carolyn Kaster, dpa ?? Wer gewinnt die US-Präsidents­chaftswahl: Amtsinhabe­r Donald Trump (oben) oder Herausford­erer Joe Biden?
Fotos: Andrew Harnik/Carolyn Kaster, dpa Wer gewinnt die US-Präsidents­chaftswahl: Amtsinhabe­r Donald Trump (oben) oder Herausford­erer Joe Biden?

Newspapers in German

Newspapers from Germany