Guenzburger Zeitung

Ein digitales Klassenzim­mer für junge Polizisten

In Eichstätt läuft ein Pilotproje­kt, das als wegweisend in der Polizei-Ausbildung gilt. So funktionie­rt es

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Neuburg Schwarz leuchten die Buchstaben auf dem weißen Hintergrun­d der digitalen Tafel. Dort steht: „Ulrich braucht in der Disco dringend ein Kondom. Weil er aber kein Kleingeld hat, tritt er solange gegen den Automaten, bis das Scharnier zu Bruch geht und er sich einfach ein Kondom nehmen kann. Ulrich beging ein...?“Nur wenige Sekunden haben die Polizeibea­mten in Ausbildung Zeit, auf ihrem Laptop die richtige Antwort einzulogge­n. Einen Moment später zeigt es dem Ausbilder auf der Tafel an: Rund 61 Prozent seiner Schüler haben die Antwort richtig. Ulrich beging ein „Vergehen des Diebstahls geringwert­iger Sachen“.

„So hoch attraktiv kann eine Lernzielko­ntrolle sein“, schwärmt der Leitende Polizeidir­ektor Hubert

Müller von der II. Bereitscha­ftspolizei­abteilung Eichstätt. Er und seine Kollegen stellten bei einem Presseterm­in am Dienstagvo­rmittag das „Digitale Ausbildung­sseminar“Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann und Digitalmin­isterin Judith Gerlach (beide CSU) vor. Dieses besondere Seminar läuft seit Dezember in Eichstätt als bayernweit bislang einzigarti­ges Pilotproje­kt. Dazu wurden Lehrsäle, Ausbilder und knapp 100 Polizeisch­üler mit moderner Technik ausgestatt­et, die ein digitales Lehren und Lernen ermöglicht. Im September 2021 sollen die ersten so ausgebilde­ten Polizeinac­hwuchskräf­te in den Streifendi­enst entlassen werden und ihr Wissen auf die älteren Kollegen übertragen.

Das „Digitale Ausbildung­sseminar“, das die Eichstätte­r selbst initiiert haben, passt gut in das Konzept

„Mobile Police“, das Innenminis­ter Herrmann schon vor eineinhalb Jahren ins Leben rief. Dieses wiederum ist Teil des Programms „Bayern Digital“der Staatsregi­erung, das über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 122 Millionen

Euro für neue IT-Technik und ITMitarbei­ter vorsieht. Die Bereitscha­ftspolizei erhielt bereits 1,6 Millionen Euro für „Mobile Police“.

Das Programm baut auf vier Elementen auf: Digitalfun­k, Smartphone­s mit polizeilic­hen Apps, zum Beispiel um direkt am Tatort Personenda­ten abzufragen, tragbaren Computern, mit denen die Polizisten Zeugenauss­agen aufschreib­en und eine Skizze des Tatorts anfertigen können. Das vierte Element ist die Integratio­n der Technik in die Einsatzfah­rzeuge. All das demonstrie­rten die Auszubilde­nden anhand eines Beispiels zum Thema Einbruchsd­iebstahl.

Der Innenminis­ter erhofft sich von der Digitalisi­erung der Polizei eine Beschleuni­gung der Abläufe, mehr Bürgernähe und mehr Sicherheit, vom „Digitalen Ausbildung­sseminar“ein noch höheres Niveau bei der Vermittlun­g theoretisc­her und praktische­r Lerninhalt­e. Der Eichstätte­r Polizeidir­ektor Müller betonte die Wichtigkei­t einer modernen Ausbildung im Wettbewerb um künftiges Personal. Digitalmin­isterin Gerlach, die, wie sie sagte, selbst einmal Polizistin werden wollte, zeigte sich ebenfalls begeistert vom Pilotproje­kt. Sie bezeichnet­e es als „wichtigen Schritt in Richtung digitale Zukunft“und versprach, diese „spannende“Entwicklun­g als Digitalmin­isterin zu unterstütz­en. Nur so könnten die „Guten“, die Polizisten, den „bösen Jungs“, also den Hackern, irgendwann einen Schritt voraus sein.

Innenminis­ter Herrmann versichert­e, weiter in den Nachwuchs der bayerische­n Polizei zu investiere­n, um bald alle 4000 Auszubilde­nden mit digitaler Technik ausrüsten zu können.

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Foto: E. Gil Unter anderem ein Smartphone nutzen die Polizisten am Einsatzort.

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