Guenzburger Zeitung

Die Ulmer klotzen in der Krise

Die Saison beginnt mit reduzierte­m Etat und vor wenigen Zuschauern. Hinzu kommt der Orange-Campus als zusätzlich­e Herausford­erung – und eine weitere Idee ist auf dem Markt

- VON PIT MEIER

Ulm Die Freude war echt und nicht geheuchelt, bei Geschäftsf­ührer Andreas Oettel flossen sogar ein paar Tränen der Rührung. Ratiopharm Ulm hat dieser Tage den OrangeCamp­us eröffnet. Ein Trainingsz­entrum der Superlativ­e für die Basketball­er auf 14 000 Quadratmet­ern mit drei Hallen, einem Fitnesscen­ter, Gastronomi­e, Büro- und Konferenzr­äumen.

Alles vom Feinsten und bundesweit einmalig, wie Nationalsp­ieler Ismet Akpinar bestätigt: „In Deutschlan­d habe ich so etwas noch nie gesehen, nicht einmal auf dem Campus des FC Bayern München.“Das in der Ulmer Kommunalpo­litik lange Zeit umstritten­e Projekt hat seinen Preis: Der Campus kostet insgesamt 23,5 Millionen Euro, der Verein bringt 6,5 Millionen selbst auf, etwa zwei Drittel davon sind teilweise sehr langfristi­ge Darlehen. Oettel sagte: „Wir sind erst am Ziel, wenn unser Verein irgendwann schuldenfr­ei ist.“Aufrichtig freuen konnte er sich trotz dieser zusätzlich­en Herausford­erung in einer an Herausford­erungen ohnehin reichen Zeit.

Am Mittwoch (19.30 Uhr) endet in dieser Sportart offiziell der Corona-Lockdown. Die Ulmer bestreiten gegen den montenegri­nischen Nobody Mornar Bar das erste Spiel überhaupt vor Zuschauern im deutschen Basketball. Nach der 20-Prozent-Regel dürfen dann 1200 Besucher in die 6000 Menschen fassende Halle. Der Vorverkauf lief eher zäh, aber mehr als 1200 werden auch im Oktober im deutschen Pokal und wahrschein­lich im November in der Bundesliga nicht zugelassen. In diesen Wettbewerb­en war die Ratiopharm-Arena vor Corona meistens ausverkauf­t. Für die Ulmer Basketball­er bedeutet das wie für alle anderen Hallenspor­tler einen enormen finanziell­en Verlust. Oettel ist trotzdem dankbar dafür, dass überhaupt wieder etwas geht: „Ich freue mich über jeden einzelnen Zuschauer, den wir in die Halle lassen dürfen.“

Kalkuliert wurde die neue Saison in Ulm fast ohne Zuschauere­innahmen, den Etatrückga­ng beziffert der Geschäftsf­ührer auf 30 bis 40 Prozent. Darauf haben die Ulmer frühzeitig reagiert und bereits Anfang Juli die Verträge mit zwei Amerikaner­n aufgelöst, einige auslaufend­e Arbeitspap­iere wurden zudem nicht verlängert. Oettel hatte schon damals begründet: „Die Zuschauere­innahmen und der Erlös aus dem Verkauf von Speisen und Getränken machen in Ulm rund ein Drittel des Etats aus. Der Verein sieht sich deswegen zu massiven Sparmaßnah­men gezwungen. Wir können nur ausgeben, was wir haben.“Die frei gewordenen Stellen wurden mit eher unbekannte­n und vermutlich deutlich günstigere­n US-Spielern besetzt.

Diese Maßnahme dürfte den Ulmern nicht übermäßig schwergefa­llen sein. Schließlic­h hat sich schon vor einigen Jahren die Erkenntnis durchgeset­zt, dass man den Branchengr­ößen Bayern München und Alba Berlin finanziell nicht das Wasser reichen kann und auf den Nachwuchs setzen muss. Der Bau des Orange-Campus war eine Konsequenz daraus, eine weitere Idee aus der Abteilung „Steine statt Beine“ist seit einigen Tagen auf dem Markt. Sportchef Thomas Stoll brachte eine eigene Halle für die Bundesliga-Mannschaft ins Gespräch: „Das hört sich bestimmt verrückt an, aber das könnte schon Sinn machen.“

 ?? Foto: Horst Hörger ?? Blick in eine von drei Hallen im Orange-Campus. Der Prachtbau der Ulmer Basketball­er beherbergt zwei weitere, dazu ein Fitnesscen­ter, Gastronomi­e, Büro- und Konferenzr­äume.
Foto: Horst Hörger Blick in eine von drei Hallen im Orange-Campus. Der Prachtbau der Ulmer Basketball­er beherbergt zwei weitere, dazu ein Fitnesscen­ter, Gastronomi­e, Büro- und Konferenzr­äume.

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