Guenzburger Zeitung

Nicht nur ein schlechter Präsident – ein schlechter Mensch Leitartike­l

US-Präsidents­chaftswahl­en waren trotz all ihrer Schwächen immer auch ein Fest der Demokratie. Die Personenwa­hl hatte sich bewährt – bis Donald Trump kam

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Amerika wählt keine Parteien, Amerika wählt Personen. Gewiss, die politische Landschaft der Vereinigte­n Staaten ist aufgeteilt in blaue Staaten für die Demokraten und rote Staaten für die Republikan­er. Doch geht es um das Weiße Haus, erleben wir eine Personen(aus)wahl in ihrer reinsten Form. Jeder Bewerber, jede Bewerberin müssen sich regelrecht durchleuch­ten lassen, müssen eine Antwort auf die berühmte Frage kennen, weshalb ausgerechn­et sie Präsident werden wollen. Sie müssen monatelang in ländlichen Vorwahlsta­aten wie Iowa oder New Hampshire an jede Haustür klopfen, müssen sich erklären. Versuche, etwa von Milliardär­en, diesen Prozess durch teure Werbespots zu überspring­en, sind regelmäßig gescheiter­t. Amerikaner wollen auch: Demokratie zum Anfassen.

Das führt dazu, dass die amerikanis­che Demokratie greifbarer ist. Alle vier Jahre berichten deutsche Journalist­en mit leuchtende­n Augen aus US-Vorwahlsta­aten, weil dort jeder Bürger jedem Kandidaten eine Frage stellen konnte und die Menschen selbst im tiefsten Schnee stundenlan­g über Bewerber debattiert­en. Wie lebendig wirkt dies im Vergleich zu den steifen Gremiensit­zungen deutscher Parteien, die noch den hintersten Platz auf der Landeslist­e ausschache­rn?

Es führt auch dazu, dass zwar die Bindung an US-Parteien klein ist, aber die Leidenscha­ft für Politik und Politiker groß. You got your heart broken for the first time, das hat in Amerika nicht immer mit einer Teenager-Liebe zu tun – es kann auch heißen, dass ein junger Anhänger sich einem Kandidaten oder einer Kandidatin verschrieb­en hatte und deren Entzauberu­ng erleben musste. Selbst die so schockiere­nde Wahl von Donald Trump vor vier Jahren hatte diese Prinzipien nicht wirklich ausgehebel­t. Auf einer rein persönlich­en Ebene verlor Hillary Clinton auch gegen ihn, weil sie einfach keine gewinnende Kandidatin war, noch dazu eine skandalbel­astete. Was vielen so absonderli­ch an Trump erschien, empfanden andere als erfrischen­d: dass da jemand auf alle Regeln pfeift und sich benimmt wie ein New Yorker Großmaul. Trump galt natürlich schon vor seiner Wahl als Skandalnud­el, aber manchen eben auch als einer, mit dem man Spaß haben könnte. Außerdem: Hatten Amerikaner nicht bei anderen unkonventi­onellen Kandidaten wie dem mittelmäßi­gen Hollywood-Schauspiel­er Ronald Reagan erlebt, wie ein Mensch im Amt reifen kann, noch dazu mit starken Beratern an seiner Seite?

Dieser Spaß ist vorbei. Amerika muss erkennen, dass Trump ihr (Aus)Wahlsystem gekapert hat. Bei ihm kommen zwei Entwicklun­gen zusammen: Seine narzisstis­che Persönlich­keitsstruk­tur,

die durch die Machtinsig­nien befeuert wird. Das erklärt seinen Auftritt bei der ersten TV-Debatte, in der er alle Regeln des Anstands ignorierte, auch weil er Widerspruc­h gar nicht mehr toleriert. Dazu kommt die politische Polarisier­ung in den USA. Früher musste jeder Kandidat eine gewisse Zivilität wahren, selbst gegenüber dem politische­n Gegner. Diese Fähigkeit ist schon im Kongress verloren gegangen, zumal parteiisch­e Geldflüsse die Spaltung vertiefen. Trump treibt das auf die Spitze: Er will gar nicht Präsident aller Amerikaner sein – er will einfach Präsident sein. Wenn er seine Fans auffordert, vor Wahllokale­n aufzumarsc­hieren, scheint er Gewalt in Kauf zu nehmen, um im Amt zu bleiben. Wie ein US-Kommentato­r schrieb: Trump ist nicht einfach ein schlechter Präsident. Er ist ein schlechter Mensch.

Als die Amerikaner das Präsidente­namt schufen, schufen sie auch Kontrollme­chanismen, weil sie keinen König wollten. Was sie nicht vorhersahe­n: einen King of Rage, einen König des Zorns.

Trump will gar nicht Präsident aller Amerikaner sein

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