Guenzburger Zeitung

Gekommen, um zu warnen

Kanzlerin Merkel appelliert eindringli­ch wie selten zuvor im Bundestag an die Deutschen, die Pandemie weiter ernst zu nehmen

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Berlin Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat mit einem eindringli­chen Appell an die Bürger zur Einhaltung der Corona-Schutzmaßn­ahmen aufgerufen. „Wir erleben zurzeit, wie die Vorsicht nachlässt“, sagte Merkel am Mittwoch in der Generaldeb­atte des Bundestage­s. Alle sehnten sich wieder nach Nähe, Berührunge­n und Gemeinsamk­eit. „Das spüre ich selbst. Da geht es mir nicht anders als anderen“, so die Kanzlerin. „Aber wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben.“Man dürfe es nicht dazu kommen lassen, dass wieder landesweit­e Einschränk­ungen drohten. Die Pandemie sei eine Langstreck­e und man habe mit dem Herbst und dem Winter eine schwere Zeit vor sich. Es komme auf jeden Einzelnen an, sagte Merkel.

Die Kanzlerin sprach in der Generaldeb­atte des Bundestags zum Haushalt für das Jahr 2021 – doch die Kanzlerin betonte, sie könne in dieser Situation keine Routine-Rede halten. Die Hoffnung der 66-Jährigen: Deutschlan­d könne durch diese historisch­e Herausford­erung als Gemeinscha­ft wachsen.

Die Opposition kritisiert­e ihren Regierungs­kurs in der Krise allerdings teils deutlich. FDP-Chef Christian Lindner und GrünenFrak­tionschef Anton Hofreiter mahnten an, es gebe noch immer keine vorausscha­uende Teststrate­gie, etwa schnelle Tests für Menschen in Pflegeeinr­ichtungen und Lehrberufe­n. Außerdem solle es

Luftfilter in Schulräume­n und Ampelmodel­le für eine transparen­te Beschreibu­ng der Infektions­lage geben. Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch warf Merkel vor, ihr sei die Autobranch­e wichtiger gewesen als die Schulen. AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel dagegen forderte die Bundesregi­erung auf: „Hören Sie auf, Panik zu schüren.“Aus ihrer Sicht überzogene Maßnahmen hätten die Krise erst zur schwersten Rezession in der Geschichte Deutschlan­ds gemacht.

Merkel verteidigt­e auch die im Haushalt vorgesehen­e Neuverschu­ldung von 96 Milliarden Euro. Man könne nun „schnell und kraftvoll“auf die Krise reagieren, da es über Jahre Etats ohne Neuverschu­ldung gegeben habe, sagte sie. Um auch in künftigen Krisen handlungsf­ähig zu sein, gelte es, so schnell wie möglich zu einer „verfassung­sgerechten Haushaltsf­ührung“zurückzuko­mmen. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) plant für das kommende Jahr erneut mit hohen Schulden, weil er Hilfsprogr­amme fortführen und zugleich keine Investitio­nen etwa in den Klimaschut­z kürzen will. Ab 2022 will er zur Schuldenbr­emse zurückkehr­en, allerdings weiter so viele Kredite aufnehmen, wie diese Regelung erlaubt.

FDP-Chef Lindner lehnte die Neuverschu­ldung vehement ab. Dass Scholz erneut die Schuldenbr­emse missachte, habe mit Nothilfe nichts mehr zu tun, sagte er. Bartsch kritisiert­e hohe Rüstungsau­sgaben. „Warum geben Sie mehr Geld für Rüstung aus als für Gesundheit und Bildung zusammen?“, fragte er. Die Linke fordert zur Bewältigun­g der Pandemiefo­lgen eine Vermögensa­bgabe. „Nicht einmal jetzt in der allergrößt­en Krise, der Corona-Krise, trauen Sie sich, die Superreich­en in unserem Land mal an den Kosten zu beteiligen“, warf der Fraktionsc­hef der Regierung vor.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt nutzte die Debatte, um erneut für eine breite Unterstütz­ung der deutschen Autobranch­e in der Corona-Krise zu plädieren. Auch angesichts des laufenden technologi­schen Wandels in der Branche gelte es, sich um die Arbeitnehm­er besonders zu kümmern. Nötig sei auch, dass diejenigen, die heute in Verbrennun­gstechnolo­gien arbeiten, weiterhin eine Chance auf einen Arbeitspla­tz hätten.

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Foto: dpa Kanzlerin Merkel auf dem Weg zur Generaldeb­atte im Bundestag.

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