Guenzburger Zeitung

Der Mann hinter der Doku

Thilo Mischke war bisher nicht als politische­r Kopf aufgefalle­n. Umso bemerkensw­erter ist seine Recherche im rechtsradi­kalen Milieu

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Die Fernsehdok­umentation „Rechts. Deutsch. Radikal“, die Einblicke in rechtsextr­emistische Netzwerke gab und den AfD-Strippenzi­eher Christian Lüth zu Fall brachte, ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkensw­ert. Nicht nur, weil sie im vermeintli­ch seichten Privatfern­sehen lief, sondern auch, weil ProSieben den Mut hatte, ihr zur besten Sendezeit zwei Stunden ohne Werbepause freizuräum­en. Der Mann hinter der tiefgründi­gen Recherche ist ebenfalls eine Überraschu­ng. Der 39-jährige Thilo Mischke war bislang nicht so sehr als politische­r Kopf aufgefalle­n.

In seinem Buch „In 80 Frauen um die Welt“ging es um die schräge Wette, auf einer Reise mit so vielen Frauen wie möglich Sex zu haben. Sein erstes größeres Fernsehpro­jekt trug den Titel „Unter fremden Decken – Auf der Suche nach dem besten Sex der Welt“. Schon im vergangene­n Jahr hatte der gebürtige Ostberline­r allerdings mit einer Reportage über deutsche IS-Kämpfer Aufsehen erregt. Mit dem Blick hinter die Kulissen der rechtsradi­kalen Szene ist dem Journalist­en und Moderator

nun ein Film gelungen, über den das Land diskutiert.

„Selten hat mich ein Thema so bewegt und selten war ich davon überzeugt, dass gerade jetzt die Zeit richtig ist, über Rechtsextr­emismus zu sprechen. Aber nicht nur über, sondern auch mit den Akteuren“, sagt Mischke über die Idee zu dem Projekt, für das er sich eineinhalb Jahre unter Rechtsextr­eme gemischt hat. Bei seinen Recherchen war er im Übrigen nicht undercover unterwegs. Seine Gesprächsp­artner wussten, dass sie es mit einem Journalist­en zu tun haben – aus ihren rechtsextr­emen Gedanken machten sie trotzdem keinen Hehl.

Fast 1,7 Millionen Zuschauer sahen die Doku, in den sozialen Netzwerken bestimmt der Film seit Tagen die Debatten. Dass der Sender, der die 14- bis 49-Jährigen zur Zielgruppe erklärt hat und ansonsten vor allem auf Unterhaltu­ng setzt, sich zur Prime Time mit Rechtsradi­kalismus auseinande­rsetzt, lässt aufhorchen. „ProSieben begegnet seiner jüngeren Zielgruppe auf Augenhöhe und klärt sie über die Machenscha­ften im rechtsextr­emen Milieu auf. So kommt der Sender nicht nur seinem Informatio­nsauftrag nach, sondern er übernimmt gesellscha­ftliche Verantwort­ung“, lobte etwa der Präsident der Bayerische­n Landeszent­rale für neue Medien, Siegfried Schneider.

Vor allem die Geschichte der jungen Youtuberin Lisa Licentia, die auf ihrem Kanal erst Ausländerh­ass schürte und dann selbst zum Hassobjekt ihrer früheren Fans wurde, beschäftig­t viele Menschen. Sie befindet sich inzwischen in einem Aussteiger­programm.

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Foto: ProSieben Der Journalist Thilo Mischke recherchie­rte 18 Monate lange in der rechtsextr­emen Szene.

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