Was es mit dem Hanf-Trend auf sich hat
Konsum Shampoo, Cola, Tee – in vielen neuen Produkten steckt Hanf. Ob das immer risikolos ist und mehr als nur eine Modeerscheinung
Augsburg Wer im Supermarkt steht, kann sich fast fühlen wie in Amsterdam. Viele Produkte werben ganz offensiv mit Inhaltsstoffen aus Hanf. Sogar Hanfläden gibt es in einigen Fußgängerzonen. Dabei ist der wissenschaftliche Name der Pflanzengattung Hanf Cannabis – und das ist für viele ein Synonym für eine Droge, deren Verkauf in Deutschland illegal ist. Doch in Hanf steckt mehr.
Er kann nicht nur berauschend sein, sondern auch eine Nutzpflanze, die bei Einnahme schmerzlindernd und beruhigend wirkt. Produkte mit Cannabis sind in Apotheken erhältlich – und nicht nur dort: Drogerien bieten Öle mit Hanf an, die Brauerei Schimpfle aus dem Augsburger Land verkauft gar eine Hanf-Cola. Doch diese Einordnung von Hanfprodukten als Lebensmittel ist nach Einschätzung der EU-Kommission höchst umstritten. Viele Produkte, die auf dem Stoff CBD basieren, hat ein Sprecher der Kommission unlängst als „Betäubungsmittel“bezeichnet – demnach können sie keine Lebensmittel sein. Die Einschätzung ist bisher nur vorläufig – der HanfMarkt kann vorerst weiter wachsen.
Mit CBD-Produkten wollen die Firmen das, was viele an positiven Aspekten mit Cannabis-Konsum verbinden, für ihr Geschäft nutzen – ohne dass Kunden die Nebenwirkungen echter Drogen befürchten müssen. So beschreibt es Jon Christoph Berndt, der als Experte für Markenbildung die Beratungsfirma Brandamazing betreibt. „Die Hanfprodukte bringen uns gedanklich nach Woodstock“, sagt er. Viele Menschen versuchten, ihre Persönlichkeit zu einer Marke auszubauen, stellt Berndt fest – und dazu gehöre, sich in seinem Konsumverhalten von der Masse abzuheben. Unternehmen täten das auch, Hanfprodukte seien eine Folge: „Es wird alles getan, um sich zu differenzieren“, sagt Berndt.
Die Oettinger Brauerei aus dem Norden Schwabens bietet ein HanfBiermischgetränk an, das kleine Mengen Hanfsamenextrakt enthält. Die Brauerei glaube fest daran, dass, wie bereits in Nordamerika, der Markt für Hanfprodukte in Deutschland wächst, sagt Peter Böck, Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing. Das Getränk sei ein hervorragendes Produkt aus einer alten Kulturpflanze, von dem keinerlei berauschende Wirkung ausgehe, versichert Böck.
Doch Hanf sei der breiten Masse der Konsumenten offenbar nicht geheuer, sagt der Geschäftsführer. Zwar werde die Brauerei das Getränk weiter anbieten. „Für ein Ausrollen im großen Stil ist in Deutschland die Zeit allerdings noch nicht reif“, sagt Böck. Und das, obwohl „Hanfkiss“den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Der verwendete Nutzhanf hat nach Angaben der Brauerei einen THC-Gehalt von maximal 0,2 Prozent. THC ist wie CBD ein Cannabinoid, nur ungleich bekannter – denn es entspannt nicht nur, sondern macht zugleich high: Es kann zu Halluzinationen und Glücksgefühlen führen, aber auch Nebenwirkungen wie Paranoia hervorrufen. In Deutschland und anderen Ländern ist der Stoff streng reglementiert.
Der Hanf-Trend folge dem Zeitgeist, in dem Stimmen nach einer Legalisierung von Cannabis immer lauter werden, sagt Markenexperte Berndt. Andauern werde er dennoch nicht. „Die Produkte sind nicht wirklich cool“, lautet sein Urteil.
„Diese Produkte sind teilweise Betäubungsmittel, die als Lebensmittel verkauft werden sollen“, sagt Dirk Lachenmeier. Er beteiligte sich an einer Facharbeit für den Bundesverband der Lebensmittelchemiker/-innen zu Hanfprodukten. Lachenmeiers Kritik bezieht sich vor allem auf CBD-Öle oder Tees mit Hanfblüten. „Nach unserer Sicht sind diese Produkte in der Regel nicht verkehrsfähig.“Bei Stichproben hätten Forscher festgestellt, dass der THC-Gehalt oft deutlich höher sei, als der vom Hersteller angegebene Wert.
Manche Hanf-Öle werden sogar von Lobbygruppen kritisiert, die sich für eine stärkere Akzeptanz von Cannabis einsetzen. So berichtet der Deutsche Hanfverband von Beschwerden über fragwürdige Anbieter. Demnach unterschied sich der Inhalt zweier CBD-Öle kaum von üblichen Hanf-Speiseölen. Cannabinoide enthielten sie kaum, ihr Preis übertreffe vergleichbare Produkte jedoch um das 80-fache. Der Verband fordert, den Markt zu regulieren: „Es wird Zeit für ein auf unabhängigen Laboranalysen beruhendes Gütesiegel“, schreibt er im Netz.