Weniger als vier Millionen in Kurzarbeit
Die Krise ist noch nicht vorbei. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt wieder, doch vor allem in der Industrie und der Zeitarbeitsbranche gibt es weiter deutlich weniger zu tun
Nürnberg Dank Milliardenausgaben in Rekordumfang herrscht auf dem deutschen Arbeitsmarkt relative Ruhe. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist ungeachtet der Corona-Krise im September um 108000 im Vergleich zum Vormonat gesunken und lag im September bei 2,847 Millionen. In Bayern waren im September knapp 293000 Menschen ohne Job und damit fast 15000 weniger als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote lag im September bei 6,2 Prozent bundesweit und 3,9 Prozent in Bayern.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist derzeit auf niedrigem Niveau stabil, nachdem sie während der Kontaktsperre im Frühjahr praktisch eingebrochen war. Auch die Zahl der Kurzarbeiter geht in der Corona-Krise weiter zurück. Im Juli wurde nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit vom Mittwoch für 4,24 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld gezahlt. Im Juni waren es neuesten Hochrechnungen der Arbeitsagentur zufolge noch 4,6 Millionen Kurzarbeiter. Der bisherige Höchststand war im April mit 5,95 Millionen erreicht worden. Es gebe aber weiter zahlreiche Risiken wie eine mögliche Insolvenzwelle, sagte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur.
Allein 70000 Solo-Selbstständige nähmen derzeit Grundsicherung in Anspruch – wie viele davon in ihren angestammten Broterwerb zurückkehren und wann dies möglich sein könnte, das ist völlig offen. „Es muss klar sein, dass Kurzarbeit ein zeitliches Ende haben muss und nicht überholte Geschäftsmodelle gerettet werden können“, sagte
Terzenbach. Inzwischen seien es nicht mehr die kleinen Händler und Gastronomen, die hauptsächlich Kurzarbeit in Anspruch nähmen, sondern – ähnlich wie zur Finanzkrise 2008/2009 – die Industriebetriebe. 40 Prozent der Kurzarbeit finde inzwischen wieder im verarbeitenden Gewerbe statt. Der Einsatz vergleichbarer Instrumente in anderen Ländern ging viel schneller zurück als in Deutschland. Die Allianz-Volkswirtin Katharina Utermöhl sprach jüngst etwa von „klebriger Kurzarbeit“in Deutschland. Es spreche viel dafür, dass das Instrument auch genutzt werde, um Strukturproblemen entgegenzutreten. Dass damit die Autobranche gemeint ist, wo derzeit trotz Inanspruchnahme von Kurzarbeit die Streichung zehntausender Jobs ansteht, ist nicht schwer zu erraten.
Die Bundesagentur wird laut Christiane Schönefeld, im BA-Vorstand für Finanzen und Personal zuständig, im laufenden Jahr die Rekordsumme von 62 Milliarden Euro ausgeben – eine selbst zu Zeiten der Massenarbeitslosigkeit in den 1990er Jahren nie erreichte Größenordnung. Allein für das Arbeitslosengeld würden in diesem Jahr 23,5 Milliarden Euro fällig, beim Kurzarbeitergeld sind es wohl 19 Milliarden Euro. Die Rücklage von 26 Milliarden werde nicht ausreichen. Zuschüsse des Bundes in Höhe von 7,6 Milliarden Euro und 3,1 Milliarden Euro seien bereits in Form von Kabinettsbeschlüssen zugesagt, sagte Schönefeld. Von 2022 an soll wieder ein ausgeglichener Haushalt möglich sein und im Idealfall eine neue Rücklage aufgebaut werden.