Nach dem Ausflug in die Quarantäne?
Tirol ist seit kurzem als Corona-Risikogebiet eingestuft. Was das für Menschen aus Bayern bedeutet, die einen Tagesausflug machen wollen, und wie Tirol auf die Reisewarnung reagiert
Augsburg Die Verunsicherung in Bayern ist groß, seit Tirol am Freitag zum Corona-Risikogebiet erklärt wurde. Denn das bedeutet: Wer dort Urlaub macht und dann in den Freistaat einreist, muss einen aktuellen negativen Corona-Test vorlegen oder sich direkt in Quarantäne begeben, bis ein negatives Ergebnis vorliegt – sich testen zu lassen ist Pflicht. Aber nicht nur Urlauber, sondern auch Tagesausflügler, die in den österreichischen Bergen den Wander-Herbst oder den ersten Schnee genießen wollten, sind verunsichert. Von München nach Kitzbühel fährt man mit dem Auto schließlich nicht einmal zwei Stunden, von Augsburg nach Kufstein braucht man auch nicht länger. Sind solche Touren jetzt noch möglich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum neuen Risikogebiet.
Wie ist die aktuelle Corona-Lage in Tirol?
Die Bundesregierung hat am Freitag das österreichische Bundesland Tirol wegen rasant steigender Infektionszahlen zum Corona-Risikogebiet erklärt, vom Auswärtigen Amt gibt es eine Reisewarnung. Nach Angaben der Tiroler Landesregierung sind dort seit Beginn der Pandemie 6058 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden (Stand Dienstagmittag). Am Freitag wurden 67 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden gemeldet.
Muss ich nach einem Tagesausflug in Quarantäne?
Wer weniger als 48 Stunden in Tirol war und nicht an einer kulturellen Veranstaltung, einem Sportereignis, einer öffentlichen Feierlichkeit oder an einer sonstigen Freizeitveranstaltung teilgenommen hat, muss nicht in Quarantäne, wenn er wieder nach Bayern einreist. Auch die Testpflicht entfällt. Nach Angaben einer Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums müsse man zwischen „Freizeitveranstaltung“und einer sonstigen „Freizeitaktivität“unterscheiden. Die Tageswanderung oder der Tagesskiausflug mit der Familie seien beispielsweise keine Freizeitveranstaltungen. „Deshalb müsste eine Familie, die sich zum Wandern weniger als 48 Stunden in einem Risikogebiet aufgehalten hat, nicht in Quarantäne, wohl aber eine Familie, die in einem Risikogebiet an einer Freizeitwanderveranstaltung teilgenommen hat“, erläutert die Ministeriumssprecherin gegenüber unserer Redaktion.
Welche österreichischen Bundesländer sind noch betroffen?
Das Robert-Koch-Institut stuft neben Tirol auch die Bundesländer Wien und Vorarlberg als Risikogebiete ein. Somit ist auch das Kleinwalsertal, das in den Allgäuer Alpen liegt, aber zum Bundesland Vorarlberg gehört, betroffen. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erläuterte am Montag bei einem persönlichen Gespräch mit dem Leiter des Robert-Koch-Instituts die Corona-Lage vor Ort und setzte sich für eine schnelle Rücknahme der Einstufung des Kleinwalsertals und des Tannheimer Tals, das in Tirol liegt, als Risikogebiet ein: „Es ist nicht akzeptabel, dass es im Zuge der Einstufung der österreichischen Bundesländer Tirol und Vorarlberg auch zu einer Einstufung der beiden Enklaven Kleinwalsertal und Tannheimer Tal als Risikogebiet kommt, obwohl es dort keine einzige Corona-Infektion gibt“, sagte Müller. „Hier sollte ebenso wie in Deutschland die Faktenlage vor Ort entscheiden.“Denn die Auswirkungen auf die Betriebe und auf die vielen aus Deutschland kommenden Beschäftigten seien katastrophal.
Wie reagiert Tirol auf die Reisewarnung?
In einem Fernsehinterview bezeichnete Landeshauptmann Günther Platter die Reisewarnung als einen „schweren Schlag“für den Wirtschaftsstandort Tirol. Es gehe um die Existenzen vieler Menschen, auch von solchen, die nicht direkt im
Tourismus beschäftigt seien. „Wir müssen runter mit den Neuinfektionen“, sagte Platter in der Nachrichtensendung ZiB2. Schließlich wolle Tirol auch runter von der deutschen „Liste“, damit „wir eine ordentliche Wintersaison haben“. Diese werde ermöglicht, indem es im kommenden Winter kein „Après-Ski mit Hully-Gully“geben werde. In den letzten drei Monaten seien von 1800 in Tirol Infizierten „nur 55 auslänauch dische Gäste“gewesen, erläuterte Platter. Das zeige, dass die Maßnahmen im Fremdenverkehr Wirkung zeigten. Nach Angaben der Tiroler Regierung machen deutsche Gäste die Hälfte aller Touristen aus.
Auch der bekannte Skiort Ischgl, der im vergangenen Winter zu den Hotspots gehörte, von denen aus sich die Pandemie in Europa ausbreitete, liegt in Tirol. Wie geht es dort weiter?
Eine Kommission hat den folgenschweren Coronavirus-Ausbruch in Ischgl und die Rolle, die die Tiroler Behörden dabei gespielt haben, aufgearbeitet. Dem Bundesland wurde immer wieder vorgeworfen, nicht schnell genug auf das Infektionsgeschehen reagiert und den Tourismusbetrieb zu spät gestoppt zu haben. Verbraucherschützer haben Musterklagen auf Schadenersatz eingereicht. Am 12. Oktober wollen die unabhängigen Experten ihren Bericht über das Krisenmanagement der Tiroler Landesregierung vorlegen. Landeshauptmann Platter bedauert, was in dem Skiort passiert ist. Dass sich im vergangenen Winter „so viele Menschen infiziert haben“, gehe ihm „unter die Fingernägel“.