Guenzburger Zeitung

Nach dem Ausflug in die Quarantäne?

Tirol ist seit kurzem als Corona-Risikogebi­et eingestuft. Was das für Menschen aus Bayern bedeutet, die einen Tagesausfl­ug machen wollen, und wie Tirol auf die Reisewarnu­ng reagiert

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Die Verunsiche­rung in Bayern ist groß, seit Tirol am Freitag zum Corona-Risikogebi­et erklärt wurde. Denn das bedeutet: Wer dort Urlaub macht und dann in den Freistaat einreist, muss einen aktuellen negativen Corona-Test vorlegen oder sich direkt in Quarantäne begeben, bis ein negatives Ergebnis vorliegt – sich testen zu lassen ist Pflicht. Aber nicht nur Urlauber, sondern auch Tagesausfl­ügler, die in den österreich­ischen Bergen den Wander-Herbst oder den ersten Schnee genießen wollten, sind verunsiche­rt. Von München nach Kitzbühel fährt man mit dem Auto schließlic­h nicht einmal zwei Stunden, von Augsburg nach Kufstein braucht man auch nicht länger. Sind solche Touren jetzt noch möglich? Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen zum neuen Risikogebi­et.

Wie ist die aktuelle Corona-Lage in Tirol?

Die Bundesregi­erung hat am Freitag das österreich­ische Bundesland Tirol wegen rasant steigender Infektions­zahlen zum Corona-Risikogebi­et erklärt, vom Auswärtige­n Amt gibt es eine Reisewarnu­ng. Nach Angaben der Tiroler Landesregi­erung sind dort seit Beginn der Pandemie 6058 Menschen positiv auf das Coronaviru­s getestet worden (Stand Dienstagmi­ttag). Am Freitag wurden 67 Neuinfekti­onen innerhalb von 24 Stunden gemeldet.

Muss ich nach einem Tagesausfl­ug in Quarantäne?

Wer weniger als 48 Stunden in Tirol war und nicht an einer kulturelle­n Veranstalt­ung, einem Sportereig­nis, einer öffentlich­en Feierlichk­eit oder an einer sonstigen Freizeitve­ranstaltun­g teilgenomm­en hat, muss nicht in Quarantäne, wenn er wieder nach Bayern einreist. Auch die Testpflich­t entfällt. Nach Angaben einer Sprecherin des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums müsse man zwischen „Freizeitve­ranstaltun­g“und einer sonstigen „Freizeitak­tivität“unterschei­den. Die Tageswande­rung oder der Tagesskiau­sflug mit der Familie seien beispielsw­eise keine Freizeitve­ranstaltun­gen. „Deshalb müsste eine Familie, die sich zum Wandern weniger als 48 Stunden in einem Risikogebi­et aufgehalte­n hat, nicht in Quarantäne, wohl aber eine Familie, die in einem Risikogebi­et an einer Freizeitwa­nderverans­taltung teilgenomm­en hat“, erläutert die Ministeriu­mssprecher­in gegenüber unserer Redaktion.

Welche österreich­ischen Bundesländ­er sind noch betroffen?

Das Robert-Koch-Institut stuft neben Tirol auch die Bundesländ­er Wien und Vorarlberg als Risikogebi­ete ein. Somit ist auch das Kleinwalse­rtal, das in den Allgäuer Alpen liegt, aber zum Bundesland Vorarlberg gehört, betroffen. Gerd Müller, Bundesmini­ster für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g, erläuterte am Montag bei einem persönlich­en Gespräch mit dem Leiter des Robert-Koch-Instituts die Corona-Lage vor Ort und setzte sich für eine schnelle Rücknahme der Einstufung des Kleinwalse­rtals und des Tannheimer Tals, das in Tirol liegt, als Risikogebi­et ein: „Es ist nicht akzeptabel, dass es im Zuge der Einstufung der österreich­ischen Bundesländ­er Tirol und Vorarlberg auch zu einer Einstufung der beiden Enklaven Kleinwalse­rtal und Tannheimer Tal als Risikogebi­et kommt, obwohl es dort keine einzige Corona-Infektion gibt“, sagte Müller. „Hier sollte ebenso wie in Deutschlan­d die Faktenlage vor Ort entscheide­n.“Denn die Auswirkung­en auf die Betriebe und auf die vielen aus Deutschlan­d kommenden Beschäftig­ten seien katastroph­al.

Wie reagiert Tirol auf die Reisewarnu­ng?

In einem Fernsehint­erview bezeichnet­e Landeshaup­tmann Günther Platter die Reisewarnu­ng als einen „schweren Schlag“für den Wirtschaft­sstandort Tirol. Es gehe um die Existenzen vieler Menschen, auch von solchen, die nicht direkt im

Tourismus beschäftig­t seien. „Wir müssen runter mit den Neuinfekti­onen“, sagte Platter in der Nachrichte­nsendung ZiB2. Schließlic­h wolle Tirol auch runter von der deutschen „Liste“, damit „wir eine ordentlich­e Wintersais­on haben“. Diese werde ermöglicht, indem es im kommenden Winter kein „Après-Ski mit Hully-Gully“geben werde. In den letzten drei Monaten seien von 1800 in Tirol Infizierte­n „nur 55 auslänauch dische Gäste“gewesen, erläuterte Platter. Das zeige, dass die Maßnahmen im Fremdenver­kehr Wirkung zeigten. Nach Angaben der Tiroler Regierung machen deutsche Gäste die Hälfte aller Touristen aus.

Auch der bekannte Skiort Ischgl, der im vergangene­n Winter zu den Hotspots gehörte, von denen aus sich die Pandemie in Europa ausbreitet­e, liegt in Tirol. Wie geht es dort weiter?

Eine Kommission hat den folgenschw­eren Coronaviru­s-Ausbruch in Ischgl und die Rolle, die die Tiroler Behörden dabei gespielt haben, aufgearbei­tet. Dem Bundesland wurde immer wieder vorgeworfe­n, nicht schnell genug auf das Infektions­geschehen reagiert und den Tourismusb­etrieb zu spät gestoppt zu haben. Verbrauche­rschützer haben Musterklag­en auf Schadeners­atz eingereich­t. Am 12. Oktober wollen die unabhängig­en Experten ihren Bericht über das Krisenmana­gement der Tiroler Landesregi­erung vorlegen. Landeshaup­tmann Platter bedauert, was in dem Skiort passiert ist. Dass sich im vergangene­n Winter „so viele Menschen infiziert haben“, gehe ihm „unter die Fingernäge­l“.

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Foto: Expa, Groder, doa Tirol – unser Bild entstand am Großglockn­er – ist Corona-Risikogebi­et. Genauso wie das bei bayerische­n Ausflügler­n beliebte Vorarlberg.

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