Guenzburger Zeitung

Was den Kult um DDR-Produkte ausmacht

Viele ostdeutsch­e Produkte sind längst verschwund­en und vergessen, doch manchen gelingt eine Renaissanc­e

- VON VERA KRAFT

„Berliner Luft“gibt es heute deutschlan­dweit in vielen Supermärkt­en zu kaufen: praktisch abgefüllt in 0,7-Liter-Flaschen und mit 18 Prozent Alkoholgeh­alt. Der klare Pfeffermin­z-Likör wurde schon von DDR-Funktionär­en genossen – damals sogar noch mit 25 Prozent Alkohol. Richtig beliebt ist er aber erst, seit er vor ein paar Jahren von der jungen Partyszene entdeckt wurde. Mit Ostalgie hat dieser Trend wohl wenig zu tun. Junge Konsumente­n achten heute eher darauf, ob ein Produkt mit „vegan“gekennzeic­hnet ist, als dass es ein Kultklassi­ker aus der DDR ist.

Von den rund 700 in der ehemaligen DDR eingeführt­en Marken haben viele die Wiedervere­inigung nicht überlebt. Auf die deutsche Einheit wird aber in Ost und West mit Rotkäppche­n-Sekt angestoßen werden, mutmaßt Sören Schiller, Chef des Instituts für angewandte Marketing- und Kommunikat­ionsforsch­ung. Das Erfurter Institut hat zusammen mit MDR Media eine repräsenta­tive Markenstud­ie erstellt und herausgefu­nden: Fragt man die Deutschen nach einer Sektmarke, nennen bundesweit mehr als die Hälfte spontan die Traditions­marke aus Sachsen-Anhalt. Noch etwas treuer sind sogar die Kunden des Bautzner Senfs. Wenn sie Senf kaufen, dann stets den Senf aus Sachsen.

Ein paar weitere Produkte haben ebenfalls den Sprung in die westdeutsc­hen Supermarkt­regale geschafft. Dazu gehören etwa das Waschmitte­l Spee, Florena-Creme oder auch Gurken aus dem Spreewald. Bei manchem mag das Kindheitse­rinnerunge­n wecken, doch die Wende liegt lange zurück und der Begriff der „Ostmarke“ist oft negativ besetzt, heißt es von MDR Media.

Statt auf ein „ostdeutsch­es“Image setze man daher heute eher auf starke regionale Marken.

Versuche, DDR-Marken zu reaktivier­en, gab es dennoch. Günter Höhne hat selbst tausende Objekte aus der DDR gesammelt und gilt als Experte, wenn es um ostdeutsch­es Design geht. Von dem „DDRKult“, der sich insbesonde­re in den 90er Jahren entwickelt­e, hält er wenig: „Diese Ostalgie-Welle war eine rein westliche Marketing-Erfindung“, sagt der Journalist. Ihm scheint es, als hätte man damit zeigen wollen: „Na seht doch, wie rührend komisch die DDR sich gab.“

Bunte Hühnereier­becher aus Plastik und Präsentkör­be mit Radeberger Bier und Badusan-Schaumbad gibt es noch immer zu kaufen. Teils geht es wirklich um originalge­treue Produkte, oft geht es aber einfach um den Gag. „Individuel­le Geschenkid­een“nennt es ein Versandhän­dler,

„Kitsch- und Krempelind­ustrie“sagt Design-Profi Höhne dazu.

Für den Berliner Sammler sind ganz andere Produkte Markenzeic­hen der DDR. Das Kommunalfa­hrzeug „Multicar“aus Waltershau­sen in Thüringen beispielsw­eise. Orange lackierte Nachfolger dieser kleinen Lastenfahr­zeuge sind heute noch im Einsatz. Manche ehemals beliebten Produkte sind dagegen völlig in Vergessenh­eit geraten, wie Hellerau-Möbel, Veritas-Nähmaschin­en oder auch Erika-Schreibmas­chinen aus Dresden. Dabei würden einige dieser Objekte wohl noch funktionie­ren, sagt Höhne. „Das Alltagsdes­ign in der DDR war bestimmt von langlebige­r Funktional­ität und meist zeitloser Ästhetik.“

So kommt es, dass manche Dinge, die nach der Wende als Ausschussw­are verscherbe­lt wurden, in den letzten Jahren wieder massiv an Wert gewonnen haben. Bestes Beispiel dafür ist der Trabant: Die Preise für einen Trabi fangen heute bei 3500 Euro an, restaurier­t kann er bis zu 10 000 Euro kosten. Wer weniger Geld ausgeben möchte, kann zumindest eine Trabi-Rundfahrt durch Berlin buchen. Da kann man dann auch ganz ohne Rausch echte Berliner Luft schnuppern.

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Foto: dpa Badusan gibt es noch immer.

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