Guenzburger Zeitung

Ratlos statt drahtlos?

Nur ein Drittel der schwäbisch­en Schulen ist komplett mit Wlan ausgestatt­et. Doch ohne Funknetz kein digitaler Unterricht. Schuld an der Misere will so recht keiner sein

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Die Meldungen ändern sich seit Jahren nicht: Deutschlan­d, Innovation­sweltmeist­er und Land der Ideen, wie eine Initiative der Bundesregi­erung heißt, ist bei der Digitalisi­erung seiner Schulen ein Entwicklun­gsland – und in Bayern, so oft für sein Bildungssy­stem gefeiert, ist das kaum anders.

Wie eine Sonderausw­ertung der aktuellen Pisa-Studie ergab, hatten in Deutschlan­d im Jahr 2018 zum Beispiel nur 33 Prozent der Schüler Zugang zu einer Online-Lernplattf­orm – Portale, die gerade jetzt in Corona-Zeiten zentrales Mittel für den Unterricht daheim geworden sind. In Dänemark etwa nutzen 90 Prozent der Schüler solche Angebote. Da liegt Deutschlan­d deutlich unter dem weltweiten Schnitt – genauso wie bei der Ausstattun­g mit digitaler Technik.

Bayern war das einzige Bundesland, das schon vor Corona eine Lernplattf­orm mit Übungsmate­rialien für den (digitalen) Unterricht betrieb. Doch Schulleite­r auch hier beklagen, dass es teilweise bei den Grundvorau­ssetzungen hakt. Wie eine Anfrage des schwäbisch­en Grünen-Politikers Maximilian Deisenhofe­r ans Kultusmini­sterium jetzt zeigt, gibt es nur an rund zwei Dritteln der Schulen in Schwaben flächendec­kend WLAN. Flächendec­kend heißt, dass auf mindestens 90 Prozent der Schulfläch­e WLAN funktionie­rt. Noch am besten vernetzt ist die Oberpfalz mit gut 38 Prozent WLAN-Quote, Schlusslic­ht ist Mittelfran­ken mit 27 Prozent.

Die Zahlen basieren nach Angaben des Kultusmini­steriums auf einer Umfrage der Akademie für Lehrerfort­bildung in Dillingen von Mitte September. Am besten mit Internetzu­gängen ausgestatt­et sind demnach die Realschule­n, wo es an 40 Prozent der Schulen WLAN im ganzen Haus gibt. Bei Grund- und Förderschu­len hat nur ein Viertel vollen Zugang zum Internet. Den Grünen reicht das nicht: „Wir fordern mittelfris­tig flächendec­kendes

WLAN an allen Schulen – dann kann jede Lehrkraft wirklich frei entscheide­n, wie oft sie mit Hilfe digitaler Hilfsmitte­l unterricht­en möchte“, sagt Deisenhofe­r, Sprecher für digitale Bildung.

Wenn es darum geht, die Sache mit der Drahtlosig­keit zu erklären, will keiner so recht die Verantwort­ung übernehmen. „Der WLANAusbau an Schulen liegt in der Zuständigk­eit der Sachaufwan­dsträger“, heißt es vonseiten des Ministeriu­ms. Oft sind es die Kommunen selbst, die die Schulen betreiben.

Wilfried Schober, Sprecher des Bayerische­n Gemeindeta­gs, ist die Stimme dieser Kommunen – und schlägt sich seit Jahren mit dem Thema herum. Er sagt – durchaus selbstkrit­isch, aber nicht nur: „Bei der WLAN-Ausstattun­g der Schulen hat man sich gegenseiti­g blockiert. Ministeriu­m, Schulleitu­ngen, Aufsichtsb­ehörden, Gemeinden – da hat es einer auf den anderen geschoben.“Bei den Gemeinden etwa herrsche die Vorstellun­g: „WLAN hat nur dann Sinn, wenn die Schulen es auch nutzen – und Laptops und Tablets nicht in den Kellern vor sich hingammeln.“Aus den Schulen heiße es: „Wir haben niemanden, um die entspreche­nden Geräte zu installier­en.“Und aus dem Ministeriu­m komme die Botschaft: „Kauft ihr mal ein, wir geben dann das Geld dazu. Aber wenn jeder nur wartet, geht nichts voran. Es ist ein Trauerspie­l.“Der Flickentep­pich

– hier eine Schule mit schnellste­m Internet und digitalen Klassenzim­mern, da eine ohne all das – überrasche nicht. Er sei das Ergebnis eines fehlenden staatliche­n Gesamtkonz­epts für die digitale Schule. „Das Kultusmini­sterium hätte schon vor Jahren ein klares Konzept vorgeben müssen: Welche ist die richtige Technik und wie soll sie genutzt werden? Dann könnten wir heute eine flächendec­kende WLAN-Ausstattun­g haben.“

Das Ministeriu­m hatte zuletzt darauf gesetzt, dass die Schulen selbst sogenannte Medienkonz­epte entwickeln, die auf ihre Bedürfniss­e zugeschnit­ten sind. Dafür können sie

Fördergeld­er vom Staat beantragen – und bekommen sie in der Regel genehmigt. Das jedoch ist ein langwierig­er bürokratis­cher Prozess.

Ein großer Bremsklotz bei der Digitalisi­erung ist aber mittlerwei­le aus dem Weg geräumt. Lange hatte sich an jeder Schule ein Lehrer neben seinen normalen Lehraufgab­en darum kümmern müssen, dass die Technik läuft. Eine Sisyphos-Aufgabe. Jetzt sollen die Schulen bis 2024 insgesamt 600 profession­elle IT-Betreuer bekommen. Sowohl der Freistaat als auch der Bund zahlen mit. Man gehe davon aus, so das Ministeriu­m, dass diese Zusage „dem WLAN-Ausbau an Schulen einen Schub verleihen wird“.

Aber wo Technik ist, braucht es auch jemanden, der sie richtig einsetzen kann. Hier soll eine Fortbildun­gsoffensiv­e helfen. Bereits 90000 der rund 150000 Lehrer im Freistaat, steht in der Antwort des Kultusmini­steriums auf die Anfrage der Grünen, hätten sich für OnlineFort­bildungen eingeschri­eben, in denen sie das A und O des digitalen Unterricht­ens lernen. Zudem befassten sich 25 Prozent aller staatliche­n Fortbildun­gen für Lehrer heute mit dem digitalen Unterricht.

Wie viel das hilft, wird sich spätestens im nächsten Sommer zeigen: bei der Bilanz von Corona-Schuljahr Nummer zwei.

Profession­elle Techniker sollen Lehrern helfen

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Foto: Bernhard Weizenegge­r WLAN ermöglicht den Zugang zum Internet. Und nur das Internet erlaubt digitales Lernen.

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