Guenzburger Zeitung

Kluftinger im Gender-Dschungel

Die lustigen Krimis von Volker Klüpfel und Michael Kobr sind Comedy in Buchform. Im neuen Band „Funkenmord“muss der Allgäuer Kommissar mit eingefahre­nen Rollen brechen

- VON KLAUS-PETER MAYR

Bisweilen spielt ihm das Leben ziemlich übel mit. Aber ist dieser Adalbert Ignatius Kluftinger nicht auch selbst schuld an all den Malheuren, die ihm zustoßen? Klar, da tauchen dauernd Probleme auf, obwohl er eigentlich nur eine gehörige Portion Kässpatzen, eine Halbe Bier und vor allem seine Ruhe haben möchte. Aber er muss sich nun mal mit eigensinni­gen Mitarbeite­rn, renitenten Familienmi­tgliedern und Freunden, die ihm wie Feinde vorkommen, herumschla­gen. Zu allem Überfluss will er gegen viele Widerständ­e einen brutalen Mordfall in seinem Heimatdorf, der Jahrzehnte zurücklieg­t, neu aufrollen. So wie es aussieht, hat er damals dummerweis­e den Falschen hinter Gitter gebracht.

Ja, die Rede ist von Kluftinger, seines Zeichens Hauptkommi­ssar bei der Kriminalpo­lizei in Kempten. Die beiden Allgäuer Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr haben diese skurrile Figur im Jahr 2003 erfunden und seither immer wieder romanhaft auf Verbrecher­jagd geschickt. Inzwischen kennt diesen komischen Kommissar der halbe deutschspr­achige Raum. Nicht nur, weil die Bücher zu Bestseller­n geworden sind und die witzigen Lesungen der beiden große Säle landauf, landab füllen. Fünf der zehn Kluftinger-Romane sind verfilmt worden und zur besten Sendezeit gelaufen. Der aus dem Allgäu stammende Schauspiel­er Herbert Knaup spielte den kultigen Kommissar so eindrückli­ch, dass man sich beim Lesen gern sein Gesicht und seine Figur vorstellt.

Nun schicken Klüpfel und Kobr ihr literarisc­hes Schlachtro­ss ein elftes Mal ins Getümmel, um aufzuräume­n mit Gesetzesbr­echern im geliebten Allgäu und dem Durcheinan­der in der eigenen Familie. Auf ein Neues also? Im Grunde bleibt alles beim Alten. Auch in „Funkenmord“muss ein Verbrechen aufgeklärt werden. Aber dieser – spannend inszeniert­e – „Cold Case“ist nur Beiwerk.

Denn eigentlich hat das Schriftste­ller-Duo erneut einen lustigen Heimatroma­n geschriebe­n rund um das Leben und Leiden eines älteren (weißen) Allgäuer Mannes mit all seinen Stärken und Schwächen, Freuden und Beschwerde­n, Siegen und Demütigung­en. Das Verbrechen ist ein Vehikel, um dies zu erzählen. Die Kluftinger-Romane sind nicht nur Allgäu-Krimis, sondern auch Comedy-Unterhaltu­ng in Buchform. Ländliche Komödien, die von der Überzeichn­ung leben, von schrägem Personal, klamaukhaf­t-absurden Szenen und dem Spiel mit Klischees.

Manch einer hat schon bezweifelt, ob die beiden Autoren Klufti treu bleiben. Schließlic­h hatten sie zuletzt einen (fast) Kluftinger-freien Thriller veröffentl­icht, angesiedel­t in der Prepper-Szene Brandenbur­gs. Bei „Draußen“war Schluss mit lustig. „Wir wollten mal was machen ohne Humor“, so erklärte Volker Klüpfel dieses Buchprojek­t in einem Interview mit unserer Zeitung. Zugleich wollten sie zeigen, dass sie nicht nur Klufti können. Aber, das machten sie auch klar: Die Figur des Kommissars ist noch nicht auserzählt.

Der muss sich auch diesmal an mehreren Fronten beweisen. Eine junge Frau rückt in sein Ermittlert­eam nach und bringt Unruhe in die Männerrieg­e. Zu Hause im beschaulic­hen Altusried findet sich Kluftinger in einer neuen Rolle wieder: Weil Ehefrau Erika psychisch angeschlag­en ist, darf er sich als Hausmann betätigen. Beim Wäschewasc­hen setzt er gleich mal den Keller unter Wasser. Klar, dass dies alles den einfach gestrickte­n Mann verwirrt. Gendergere­cht zu sprechen und mit den eingefahre­nen Rollenmust­ern zu brechen, bereitet ihm massive Schwierigk­eiten.

Volker Klüpfel und Michael Kobr greifen also auch aktuelle gesellscha­ftspolitis­che Themen auf. Gleichzeit­ig können sie damit schön ihre Späße treiben. Der Protagonis­t stolpert von einer komischen Situation in die nächste, lässt kein Fettnäpfch­en aus. Dabei zeichnen die Autoren den Kommissar zwar gnadenlos tollpatsch­ig, aber eben auch menschlich, sympathisc­h. Und wenn Recht und Ordnung Gefahr droht, versteht der Gesetzeshü­ter überhaupt keinen Spaß mehr.

Die Fans lieben offenbar diese humorvolle Melange. Als Klüpfel und Kobr am Mittwochab­end ihren gerade erschienen­en „Funkenmord“bei einer 75-minütigen Online-Lesung inklusive vieler Albereien im Internet vorstellen, geraten die Zuschauer vor den heimischen Computern schnell aus dem Häuschen, wie ihre Chat-Beiträge zeigen. „Ich kann nicht mehr vor lachen“, teilt Kadi mit. Susi schreibt: „Ich fall gleich von der Couch.“Daneben debattiert die Fangemeind­e, die ziemlich eingeschwo­ren wirkt, über die Haare von „Michi“Kobr oder das T-Shirt von Volker Klüpfel.

» Volker Klüpfel/Michael Kobr: Funkenmord. Ullstein-Verlag. 490 Seiten: 22,99 Euro

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Foto: Hans Scherhaufe­r Die Autoren Michael Kobr (links) und Volker Klüpfel haben gut lachen mit dem Erfolg ihrer Kluftinger Krimis. Ihr Protagonis­t dagegen gerät auch im elften Fall „Funkenmord“in manch missliche Situation. Das wiederum amüsiert die Leser.

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