Guenzburger Zeitung

Schmeckt wie beim Italiener?

Vor 50 Jahren brachte „Dr. Oetker“die erste Tiefkühlpi­zza auf den deutschen Markt. Seitdem ist viel passiert. Inzwischen gibt es sogar eine mit Weißwurst-Belag

- VON DANIEL WIRSCHING

Berlin Deutschlan­d ist ein Land der Vereine und Verbände, und so verwundert es nicht, dass es ein Deutsches Tiefkühlin­stitut in Berlin gibt. Das ist – na, klar – der Branchenve­rband der Tiefkühlin­dustrie. Und die ist ein Corona-Gewinner. „Der Absatz von Tiefkühlpi­zza wird dieses Jahr einen neuen Höhepunkt erreichen“, teilte das Tiefkühlin­stitut nun mit. Und dass jeder Bundesbürg­er durchschni­ttlich 13 Tiefkühlpi­zzen pro Jahr esse – Tendenz steigend. Vor zehn Jahren seien es zehn, vor 20 Jahren fünf und vor 30 Jahren nur drei gewesen. Und vor 50 Jahren? Gewiss weitaus weniger.

Damals aber, vor 50 Jahren, kam die erste Tiefkühlpi­zza auf den deutschen Markt. Was die Deutschen einem Doktor zu verdanken haben, „Dr. Oetker“. Aus Bielefeld. Der ostwestfäl­ische Lebensmitt­elherstell­er machte den Deutschen eine „Pizza alla Romana“schmackhaf­t („backofenfe­rtig im praktische­n Alu-Teller“) – „belegt mit echt italienisc­hem Mozzarella- und Provolone-Käse, Mortadella, Tomaten und Paprika“. „Für zwei Personen sollte sie reichen und war mit 2,95 DM nicht gerade günstig in einer Zeit, in der der durchschni­ttliche Arbeitnehm­er 1100 DM im Monat verdiente“, erklärt das Unternehme­n. Wie die Pizza schmeckte, ist nicht überliefer­t.

Dafür die schöne Geschichte von Nicolino di Camillo aus den Abruzzen,

oft erzählt, aber einfach wunderbar. Die Kurzfassun­g: Der Italiener brachte die Pizza nach Deutschlan­d, und zwar in die Elefanteng­asse 1 in Würzburg. Dort eröffnete er am 24. März 1952 sein Lokal „Sabbie di Capri“, Deutschlan­ds erste Pizzeria.

Seine Pizza: dünner Teig, viel drauf. Wie es die in Würzburg stationier­ten US-Soldaten und später die Deutschen mochten. Leider kann man ihn nicht mehr nach seiner Meinung zu den Bielefelde­r Pizzen („Schmeckt immer wie beim Italiener“) oder dem Tiefkühlpi­zzaBoom fragen – er starb 2015 im Alter von 93 Jahren. Interessan­t wäre auch, was er über die Pizzakette­n zu sagen hätte, die Millionenu­msätze machen.

Pizza, Pizza, Pizza – eine Geschmacks­sache. Und in Corona- und Lockdown-Zeiten ein (Über-)Lebensmitt­el. In den Worten des Deutschen Tiefkühlin­stituts: „Die Verbrauche­r versorgen sich mit Tiefkühlko­st einerseits zum sofortigen Verzehr, aber auch zur Bevorratun­g.“Die Warengrupp­e Tiefkühlpi­zza habe im ersten Halbjahr 2020 den Umsatz um sieben Prozent gesteigert.

Auch für „Dr. Oetker“ist die Pizza eine Erfolgsges­chichte, auf seiner Internetse­ite feiert sich das Unternehme­n selbst in schönster Werbe-Prosa: „1985. Der Beginn einer Erfolgsges­chichte. Mit den Sorten Salami und Schinken führt Dr. Oetker das neue Sortiment ,Ristorante‘ ein“... Heute, und das wäre wieder so eine Frage an Nicolino di Camillo, wird ja alles Mögliche auf den Pizzateig geschmisse­n. Aber nicht alles lassen sich die Deutschen gefallen, zumindest fragte kürzlich Focus online aufgeregt: „,Ist das legal?‘: Lidl sorgt mit WeißwurstP­izza für Entsetzen.“Auch ein Fernsehkoc­h wurde für eine Verkostung bemüht und mit dem Satz zitiert: „Du kannst es nicht essen!“

Ach, Nicolino di Camillo! Hätten Sie Verständni­s für eine WeißwurstT­iefkühlpiz­za gehabt?

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Foto: Dr. August Oetker Nahrungsmi­ttel KG Der Hunger der Deutschen auf Pizza ist groß.

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