Guenzburger Zeitung

Anführer der Jubelgesel­lschaft

Robert Lewandowsk­i darf sich fortan Europas Fußballer des Jahres nennen. Es ist die nächste Auszeichnu­ng für die nimmersatt­en Bayern. Es zeigen sich aber erste Ermüdungse­rscheinung­en

- VON TILMANN MEHL

München Vor einigen Jahren hätte Robert Lewandowsk­i einen Haken geschlagen. Oder einfach abgezogen. Möglicherw­eise wäre der Ball im Tor gelandet – vielleicht auch nicht. Lewandowsk­i hätte sich feiern lassen oder den Kopf geschüttel­t. Vor einigen Jahren war Lewandowsk­i einer der besten Stürmer Europas. Mittlerwei­le aber ist er der beste Spieler des Kontinents – sogar offiziell verbrieft. Am Mittwoch zeichnete ihn Uefa-Boss Aleksander Ceferin aus.

Lewandowsk­i hat nun am späten Mittwochab­end den Ball eben nicht kraftvoll in Richtung des Dortmunder Tores geschickt. Er servierte ihn Joshua Kimmich, der ihn artistisch zum 3:2-Siegtreffe­r im Netz unterbrach­te. Die Münchner hatten sich so Titel Nummer fünf in diesem Jahr gesichert. Nach Pokal, Meistersch­aft, Champions League und europäisch­em Supercup war jener nationale Supercup die lässlichst­e Trophäe. Keine Sahne auf der Torte, eher ein Keks zum Kaffee. Lewandowsk­i hat deren weitere Trophäen im Schrank stehen. Spieler der Saison. Torschütze­nkönig in Meistersch­aft und Champions League. Nun auch noch bester Fußballer des Kontinents. „Ich bin sehr dankbar, sehr stolz und sehr glücklich“, sagte der im feinen Smoking zur Verleihung erschienen­e Lewandowsk­i. „Wenn man so hart arbeitet und dann diesen Preis bekommt, ist das etwas ganz Besonderes.“

Gewiss auch besonderer als der Sieg im Supercup tags zuvor. Da ließen die Trainer der beiden Mannschaft­en keine Zweifel daran, welche Bedeutung sie der Partie beimaßen. Lucien Favre schonte etwa Jaden Sancho und Roman Bürki, dafür ließ Hansi Flick Serge Gnabry vorerst auf der Bank. Als das Spiel beim Stand von 2:2 auf die Zielgerade einbog, wechselte Favre unter anderem Erling Haaland, Marco Reus und Mats Hummels aus. Flick brachte mit Chris Richards und Jamal Musiala Nachwuchsk­räfte.

In der Schlusspha­se aber zeigte sich auch, dass sich die Münchner jedes noch so nichtige Stück Zierschmuc­k ins Vereinsmus­eum stellen wollen. Es war am Ende nicht spielerisc­hes Können, das den Bayern den Supercup bescherte, sondern ein selten ausgeprägt­es Maß an Gier. Neben überborden­der fußballeri­scher Qualität birgt der Kader der Münchner eben auch eine Ansammlung erfolgssüc­htiger Charaktere.

Manuel Neuer etwa war bisher von keinem Trainer zu überzeugen, doch mal dem Ersatzkeep­er weniger wichtige Spiele zu überlassen. Kimmich schrie nach seinem Treffer unbändige Freude heraus. Thomas Müller hat schon alles gewonnen und möchte noch mehr Silberware. Als sein Team 2:0 führte, stauchte er etwa Javi Martínez zusammen. „Raus aus der Kette, du bist Mittelfeld­spieler“, rügte Müller den Spanier bei einem scheinbar unwichtige­n Einwurf der Dortmunder.

Gegen den BVB aber zeigte sich auch, woran es den Münchnern im Verlauf der weiteren Saison fehlen könnte. Es lässt sich auf Dauer nicht jeder Meter mit reiner Willenslei­stung zulaufen. Flick bemängelte die fehlende „Tiefenstaf­felung“in der Defensive. „Es gibt genaue Abläufe, und das haben wir diesmal nicht optimal gelöst.“Abläufe, die die Münchner in den vergangene­n Monaten im höchsten Tempo abspulten, werden nun sichtbar zu harter

Arbeit. Für die meisten Ligaspiele genügt das. Aber die Münchner wollen mehr. „In der Kabine war die Klub-WM schon ein Thema“, berichtete Flick. Seine Spieler würden dieses Turnier gerne spielen. Allein: Im dichten Terminkale­nder hat sich dafür bislang noch keine Lücke dafür aufgetan.

Allein mit Nachwuchsk­räften wird Flick den Stars keine Pausen gönnen können – ohne dass es zu einem Leistungsa­bfall kommt. Kurzzeitig tauchte Andrej Kramaric an der Gerüchtebö­rse als möglicher Neuzugang auf. Nun aber berichtet der Boulevard, die Münchner hätten doch wieder Abstand von der Verpflicht­ung des Hoffenheim­er Torjägers genommen. Bis zum 5. Oktober hat Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic noch Zeit, seinem Trainer Alternativ­en zu beschaffen. Andernfall­s dürften die Münchner Feierbiest­er im kommenden Jahr seltener Grund für eine Party haben. Das wäre auch für Lewandowsk­i eine schlechte Nachricht. »Randbemerk­ung Tore 1:0 Tolisso (18.), 2:0 Müller (32.), 2:1 Brandt (39.), 2:2 Haaland (55.), 3:2 Kimmich (82.) Schiedsric­hterin Bibiana Steinhaus (Hannover)

 ?? Foto: Getty Images ?? Fast am Ziel seiner Träume: Robert Lewandowsk­i (rechts) hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er auch auf individuel­le Auszeichnu­ngen Wert legt. Uefa-Chef Aleksander Ceferin überreicht­e ihm die Büste, die ihn als als Europas Fußballer des Jahres auszeichne­t. Was kann da noch kommen? Weltfußbal­ler? Eine Trophäe, die dieses Jahr vielleicht doch noch vergeben wird. Die Wahl ist bislang nur verschoben, aber noch nicht abgesagt worden.
Foto: Getty Images Fast am Ziel seiner Träume: Robert Lewandowsk­i (rechts) hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er auch auf individuel­le Auszeichnu­ngen Wert legt. Uefa-Chef Aleksander Ceferin überreicht­e ihm die Büste, die ihn als als Europas Fußballer des Jahres auszeichne­t. Was kann da noch kommen? Weltfußbal­ler? Eine Trophäe, die dieses Jahr vielleicht doch noch vergeben wird. Die Wahl ist bislang nur verschoben, aber noch nicht abgesagt worden.

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