„Man konnte nicht alles zusammenwürfeln“
Die großen Träume von der Zusammenlegung der Sportverbände aus Ost und West platzten schnell. DOSB-Präsident Hörmann hielt es für eine „Milchmädchenrechnung“
» FUSSBALL Eurosport, 19.15 Uhr Bundesliga, Frauen: Hoffenheim – W. Bremen
SAMSTAG
» TENNIS French Open, 3. Runde Eurosport, 10.55/13/15/17/19
» MOTORSPORT
Sport1, 11.45 Uhr Tourenwagen CR Germany, 1. Rennen vom Sachsenring, 13 Uhr GT Masters, 14.40 Uhr Porsche Carrera Cup, 15.30 GT4 Germany
» MOTORRAD Superbike-WM Servus TV, 14 Uhr 1. Rennen aus Magny-Cours (F), 1. Lauf
» FUSSBALL 3. Liga
BR, 14 Uhr Ingolstadt – Unterhaching
» HANDBALL Länderspiel Frauen Sport1, 16.40 Uhr Deutschland – Niederlande
SONNTAG
» TENNIS French Open, 4. Runde Eurosport, 10.55/13/15/17/19
» MOTORSPORT
Sport1, 13 Uhr GT Masters, 2. Rennen vom Sachsenring
» MOTORRAD Superbike-WM Servus TV, 13.20 Uhr SuperpoleRace, 14 Uhr 2. Rennen aus Magny-Cours (F)
» VOLLEYBALL Bundesliga Frauen Sport1, 17.10 Uhr, 1. Spieltag MTV Stuttgart – Vilsbiburg
» SPORTreportage
ZDF, 17.10 Uhr u.a. Fußball-Bundesliga; Leichtathletik: LondonMarathon
» BLICKPUNKT SPORT
BR, 21.45 Uhr: u.a. mit Bundesliga
Frankfurt/Main Es war eine Szene für die Geschichtsbücher. Arm in Arm marschierten der Kugelstoßer Ulf Timmermann und Hürdenläuferin Gabriele Lippe mit ihren Landesfahnen bei der Schlussfeier der Leichtathletik-EM 1990 in Split in das Stadion. Die Geste des DDRAthleten und der Sportlerin aus der Bundesrepublik nur Wochen nach dem Fall der Mauer hatte Symbolkraft, die nicht nur die damals auf der Tribüne sitzende Heide EckerRosendahl rührte. „Da hatte ich Tränen in den Augen“, sagt die Doppel-Olympiasiegerin im Weitsprung und mit der Sprint-Staffel von 1972 in München.
Für Alfons Hörmann nahmen die Leichtathleten aus Ost und West vorweg, was offiziell folgte. „Die Botschaft der Sportler war klar: Wir sind ein Land und wir sind ein Team“, erklärt der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Ganz so einfach war die vor 30 Jahren mit großen Erwartungen verknüpfte Vereinigung der unterschiedlichen Sportsysteme der DDR und der Bundesrepublik nicht. Die kühne Prognose von Franz Beckenbauer nach dem WM-Triumph 1990 in Rom, dass Deutschland mit Fußball-Größen der DDR wie Matthias Sammer oder Ulf Kirsten „unschlagbar“werde, bewahrheitete sich ebenso wenig wie die Formel: Aus zwei erfolgreichen Sportnationen entsteht die erfolgreichste der Welt. Das sei „von Anfang an eine Milchmädchenrechnung“gewesen,
Hörmann. Auch für Walther Tröger war es eine Gleichung, die nicht aufgehen konnte. „Man konnte nicht einfach alles zusammenwürfeln. Die Sportler im Osten hatten ein funktionierendes System verloren“, erklärt der 91-Jährige, der von 1992 bis 2002 Präsident des Nationalen Olympischen Komitees war.
„Der Spitzensport war ein regelrechter Sonderfall der deutschen Einheit“, meint die Historikerin Jutta Braun. Bundesdeutsche Sportpolitiker und Verbände hätten anfangs zu erkunden gehofft, „was denn die Geheimnisse hinter dem Sport im Wunderland DDR waren“. Denn die DDR war bei dem olympischen Kräftemessen seit Mexiko 1968 besser gewesen als die Bundesrepublik – „und das hatte sich dauerhaft festgesetzt“, so Braun. Zumal die DDR zwischen 1968 und 1988 über 500 OlympiaMedaillen gewann, die Bundesrepublik nicht mal die Hälfte. Zunächst schien die Rechnung aufzugehen: Bei den Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville eroberte das vereinte Deutschland Platz eins im Medaillenspiegel und bei den Sommerspielen in Barcelona lief es Monate später mit vereinten Kräften auch noch verheißungsvoll.
„Der Spitzensport schien ein ,Vereinigungsgewinn‘. Da hatte man sich aber verkalkuliert“, betont Braun, die im Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam tätig ist. Denn die Strukturen und Entscheidungen im DDR-Sport
in einer Demokratie nicht möglich gewesen: „Das fängt beim staatlichen Dopingsystem an.“
Dazu gehörte aber auch die StasiÜberwachung von Athleten und Trainern oder eine zwangsweise Talentauslese an Schulen sowie eine Heerschar von rund 10000 hauptamtlichen Trainern und Mitarbeitern für die „Diplomaten im Trainingsanzug“der DDR in Zeiten des Kalten Krieges. „Alles wurde dem Ziel, den sportlichen Triumph über den Klassenfeind feiern zu können, untergeordnet“, sagt Dagmar Freisagt tag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Mit der Einheit seien auch die Machenschaften verantwortungsloser Ärzte und Trainer im Westen ans Licht gekommen. „Werte des Sports wurden ebenso mit Füßen getreten, schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen billigend in Kauf genommen – hüben wie drüben“, urteilt sie. „Die viel beschworenen Selbstreinigungskräfte des Sports standen nach meiner Wahrnehmung zu keinem Zeitpunkt an der Spitze der Bewegung.“Zu groß sei die Euseien phorie im wiedervereinigten Sport gewesen, „mit einem Schlag in der ersten Reihe der Medaillensammler stehen zu können“, was sich „schnell als Irrglaube“erwiesen habe. „Von einer bloßen Addition im Medaillenspiegel auszugehen, wäre doch sehr naiv gewesen“, meint Jürgen Kessing, Präsident der deutschen Leichtathleten. „Wo vorher je 2 x 3 Startberechtigungen vorlagen, gab es plötzlich nur noch 1 x 3 Startplätze je Disziplin.“
In Sachen deutsche Einheit hält er die Integration in seiner Sportart für gelungen, wenn auch nicht alles richtig gemacht worden sei. „So ist es bis heute nicht gelungen, in der Rekorddiskussion neue Wege zu gehen“, sagt er mit Blick auf die irrwitzigen Bestmarken aus Hochzeiten des Dopings. Die Aufarbeitung der Doping-Vergehen in den vom Molekularbiologen Werner Franke initiierten Prozessen in den 1990er Jahren ist laut Jutta Braun einzigartig gewesen: „Es ist eine enorme Leistung, nicht nur auf die Mauerschützen an der Grenze geblickt zu haben, sondern dass auch Vergehen im Sport juristisch hinterfragt wurden.“Außerdem hält die Historikerin in der Bilanz der Sport-Einheit nicht den Spitzen-, sondern den Breitensport für „das Allerwichtigste“. Aktuell sind 27 Millionen Mitglieder in 90000 Vereinen organisiert. In der DDR gab es kein freies Vereinswesen, sondern staatlich gelenkten Betriebssport. Das musste neu geschaffen werden.