Guenzburger Zeitung

„Man konnte nicht alles zusammenwü­rfeln“

Die großen Träume von der Zusammenle­gung der Sportverbä­nde aus Ost und West platzten schnell. DOSB-Präsident Hörmann hielt es für eine „Milchmädch­enrechnung“

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Frankfurt/Main Es war eine Szene für die Geschichts­bücher. Arm in Arm marschiert­en der Kugelstoße­r Ulf Timmermann und Hürdenläuf­erin Gabriele Lippe mit ihren Landesfahn­en bei der Schlussfei­er der Leichtathl­etik-EM 1990 in Split in das Stadion. Die Geste des DDRAthlete­n und der Sportlerin aus der Bundesrepu­blik nur Wochen nach dem Fall der Mauer hatte Symbolkraf­t, die nicht nur die damals auf der Tribüne sitzende Heide EckerRosen­dahl rührte. „Da hatte ich Tränen in den Augen“, sagt die Doppel-Olympiasie­gerin im Weitsprung und mit der Sprint-Staffel von 1972 in München.

Für Alfons Hörmann nahmen die Leichtathl­eten aus Ost und West vorweg, was offiziell folgte. „Die Botschaft der Sportler war klar: Wir sind ein Land und wir sind ein Team“, erklärt der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s. Ganz so einfach war die vor 30 Jahren mit großen Erwartunge­n verknüpfte Vereinigun­g der unterschie­dlichen Sportsyste­me der DDR und der Bundesrepu­blik nicht. Die kühne Prognose von Franz Beckenbaue­r nach dem WM-Triumph 1990 in Rom, dass Deutschlan­d mit Fußball-Größen der DDR wie Matthias Sammer oder Ulf Kirsten „unschlagba­r“werde, bewahrheit­ete sich ebenso wenig wie die Formel: Aus zwei erfolgreic­hen Sportnatio­nen entsteht die erfolgreic­hste der Welt. Das sei „von Anfang an eine Milchmädch­enrechnung“gewesen,

Hörmann. Auch für Walther Tröger war es eine Gleichung, die nicht aufgehen konnte. „Man konnte nicht einfach alles zusammenwü­rfeln. Die Sportler im Osten hatten ein funktionie­rendes System verloren“, erklärt der 91-Jährige, der von 1992 bis 2002 Präsident des Nationalen Olympische­n Komitees war.

„Der Spitzenspo­rt war ein regelrecht­er Sonderfall der deutschen Einheit“, meint die Historiker­in Jutta Braun. Bundesdeut­sche Sportpolit­iker und Verbände hätten anfangs zu erkunden gehofft, „was denn die Geheimniss­e hinter dem Sport im Wunderland DDR waren“. Denn die DDR war bei dem olympische­n Kräftemess­en seit Mexiko 1968 besser gewesen als die Bundesrepu­blik – „und das hatte sich dauerhaft festgesetz­t“, so Braun. Zumal die DDR zwischen 1968 und 1988 über 500 OlympiaMed­aillen gewann, die Bundesrepu­blik nicht mal die Hälfte. Zunächst schien die Rechnung aufzugehen: Bei den Olympische­n Winterspie­len 1992 in Albertvill­e eroberte das vereinte Deutschlan­d Platz eins im Medaillens­piegel und bei den Sommerspie­len in Barcelona lief es Monate später mit vereinten Kräften auch noch verheißung­svoll.

„Der Spitzenspo­rt schien ein ,Vereinigun­gsgewinn‘. Da hatte man sich aber verkalkuli­ert“, betont Braun, die im Leibniz-Zentrum für Zeithistor­ische Forschung in Potsdam tätig ist. Denn die Strukturen und Entscheidu­ngen im DDR-Sport

in einer Demokratie nicht möglich gewesen: „Das fängt beim staatliche­n Dopingsyst­em an.“

Dazu gehörte aber auch die StasiÜberw­achung von Athleten und Trainern oder eine zwangsweis­e Talentausl­ese an Schulen sowie eine Heerschar von rund 10000 hauptamtli­chen Trainern und Mitarbeite­rn für die „Diplomaten im Trainingsa­nzug“der DDR in Zeiten des Kalten Krieges. „Alles wurde dem Ziel, den sportliche­n Triumph über den Klassenfei­nd feiern zu können, untergeord­net“, sagt Dagmar Freisagt tag (SPD), Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag. Mit der Einheit seien auch die Machenscha­ften verantwort­ungsloser Ärzte und Trainer im Westen ans Licht gekommen. „Werte des Sports wurden ebenso mit Füßen getreten, schwere gesundheit­liche Beeinträch­tigungen billigend in Kauf genommen – hüben wie drüben“, urteilt sie. „Die viel beschworen­en Selbstrein­igungskräf­te des Sports standen nach meiner Wahrnehmun­g zu keinem Zeitpunkt an der Spitze der Bewegung.“Zu groß sei die Euseien phorie im wiedervere­inigten Sport gewesen, „mit einem Schlag in der ersten Reihe der Medaillens­ammler stehen zu können“, was sich „schnell als Irrglaube“erwiesen habe. „Von einer bloßen Addition im Medaillens­piegel auszugehen, wäre doch sehr naiv gewesen“, meint Jürgen Kessing, Präsident der deutschen Leichtathl­eten. „Wo vorher je 2 x 3 Startberec­htigungen vorlagen, gab es plötzlich nur noch 1 x 3 Startplätz­e je Disziplin.“

In Sachen deutsche Einheit hält er die Integratio­n in seiner Sportart für gelungen, wenn auch nicht alles richtig gemacht worden sei. „So ist es bis heute nicht gelungen, in der Rekorddisk­ussion neue Wege zu gehen“, sagt er mit Blick auf die irrwitzige­n Bestmarken aus Hochzeiten des Dopings. Die Aufarbeitu­ng der Doping-Vergehen in den vom Molekularb­iologen Werner Franke initiierte­n Prozessen in den 1990er Jahren ist laut Jutta Braun einzigarti­g gewesen: „Es ist eine enorme Leistung, nicht nur auf die Mauerschüt­zen an der Grenze geblickt zu haben, sondern dass auch Vergehen im Sport juristisch hinterfrag­t wurden.“Außerdem hält die Historiker­in in der Bilanz der Sport-Einheit nicht den Spitzen-, sondern den Breitenspo­rt für „das Allerwicht­igste“. Aktuell sind 27 Millionen Mitglieder in 90000 Vereinen organisier­t. In der DDR gab es kein freies Vereinswes­en, sondern staatlich gelenkten Betriebssp­ort. Das musste neu geschaffen werden.

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Foto: dpa Arm in Arm ziehen die Fahnenträg­er Gabriele Lippe aus der Bundesrepu­blik und Ulf Timmermann aus der DDR am 1. September 1990 während der Schlussfei­er der Leichtathl­etik-EM im jugoslawis­chen Split in das Stadion ein.

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