Die Frage der Woche Sich unter Heizpilze setzen?
Wer in den vergangenen Wochen in deutschen Städten unterwegs war, sah Ungeheuerliches. Auf Gehsteige, Plätze und sogar auf Straßen stellten Wirte Tische und Stühle. Die Freiluftgastronomie expandierte über Nacht und eroberte öffentlichen Raum – mit dem Segen der Stadtverwaltungen, die zumindest in dieser Genehmigungsfrage durch Corona plötzlich ganz locker wurden. Sogar dort, wo immer Parkplätze waren, durften nun Leute bei Wein und Bier, Burger und Bun Cha sitzen. Einladender Wildwuchs überall. Willkommen in der mediterranen
FRD – Freiluft-Republik Deutschland.
Leider bleiben Sommer und Altweibersommer und goldener Herbst nicht ewig. Man braucht keine Söder-Tassen im Schrank, um zu wissen: Kälte naht, Winter is coming. Und dann? Rein in die Lokale und Restaurants? Auch das, klar. Aber das Draußensitzen ist, infektionsgeschehensmäßig betrachtet, die bessere Alternative – und zudem einladender für Leute, die (noch) fremdeln mit der in Verruf geratenen Indoor-Nähe. Wenn nun Heizpilze dazu beitragen können, die FRD zu stabilisieren und Gastronomen und Gästen ein wenig über Corona-Durststrecken zu helfen: her damit. Wo Wolldecken und Kissen allein nicht mehr genügen, sind Heizpilze ganz taugliche Begleiter – egal, ob nun mit Gas oder Strom betrieben.
Klimaschädlich? Ach, ein paar wärmespendende Pilze werden sich auf die Klimabilanz kaum auswirken. Der Heizpilz ist eher ein leicht zu attackierendes Symbol für klimaschädlichen Lebensstil. Aber sind das Autos und glühende PCs im Homeoffice etwa nicht? Vielleicht ist ein Vorschlag der Berliner Grünen gar nicht so schlecht: Heizpilz-Emissionen durch einen autofreien Sonntag ausgleichen. Das wäre mal ein neuer Feiertag für die FRD.
Wir müssen den Tatsachen ins Auge schauen. Draußen wird es in den nächsten Tagen immer kälter, in den nächsten Jahren aber immer wärmer. Deswegen – bei allem Mitleid für die Situation der Gastwirte – ein klares Nein zu Heizpilzen. Ihr Einsatz wäre eine echte Schnapsidee.
Draußensitzen ist immer super, in Corona-Zeiten sowieso… Keine Frage. Aber nicht von ungefähr haben manche Städte den Einsatz von Heizpilzen längst verboten, eben weil sie fiese Energieschleudern sind. Egal, ob mit Gas oder Strom betrieben, sie heizen nicht nur den Menschen, sondern auch dem Klima ein.
Hier ein paar Zahlen hingeschleudert: Mit einem 14 Kilowatt-Heizpilz könnte man gut eine 100-Quadratmeter-Wohnung beheizen. Wer in seinem Biergarten 60 Tage lang acht Heizstrahler für circa fünf Stunden einsetzt, muss zusätzliche
Energiekosten von rund 3600 Euro einrechnen. Die Anschaffungskosten nicht mit eingerechnet. Dafür muss man schon einige Biere verkaufen…
Weil die Angst vor herumgeschleuderten Aerosolen groß ist, wittert die Heizpilz-Industrie ihre große Chance für nie da gewesene Absatzsteigerungen im finsteren Corona-Winter. Aber im Ernst: Wir sind doch längst Profis im heizpilzfreien Winterdasein. Tausende abgehärtete Christkindlsmarktbesucher beweisen dies Jahr für Jahr aufs Neue an den Glühweinständen – problemlos über Stunden hinweg. Noch nie waren dabei laute Rufe nach Heizpilzen zu hören. Was Berghütten, Ausflugslokale und einige Biergartenbesitzer längst hinbekommen, können andere auch. Zum unbeheizten Draußensein braucht es nur: Schaffelle, ein paar Decken, warme Getränke – und ebensolche Gedanken.