Guenzburger Zeitung

Corona-Protest am Bodensee bleibt friedlich

In Konstanz konzentrie­ren sich am Wochenende die Demonstrat­ionen für und gegen die Anti-Virus-Politik. „Querdenken“mobilisier­t tausende Menschen – für eine Menschenke­tte um den Bodensee herum reicht es nicht

- VON MARCEL JUD UND MIRJAM MOLL

Konstanz Zehntausen­de sollten es sein – aber zu den Corona-Demonstrat­ionen am Wochenende sind viel weniger Menschen als erwartet nach Konstanz geströmt. Die Initiative „Querdenken“, die zu Protesten gegen die Corona-Politik der Bundesregi­erung aufgerufen hatte, konnte ein paar tausend Menschen für eine Menschenke­tte und eine Kundgebung mobilisier­en. Angemeldet waren für die beiden Aktionen am Samstag und Sonntag allein in Konstanz fast 30000 Teilnehmer. Für die sogenannte Friedenmen­schenkette um den Bodensee herum hatten die Veranstalt­er sogar auf 250 000 Menschen gehofft.

Ziel der Organisato­ren war es, eine durchgängi­ge Kette durch Österreich, Deutschlan­d, Liechtenst­ein und die Schweiz zustande zu bringen. Das ist laut Polizei mit rund 11000 Teilnehmer­n nicht gelungen. Die „Querdenker“, jene Protestbew­egung, die auf den Stuttgarte­r Michael Ballweg zurückgeht, hatten sich viel vorgenomme­n für die Demonstrat­ion in Konstanz.

Ballweg war auch selbst nach Konstanz gereist. Er wolle aus der Bewegung keine Partei machen. „Wir bleiben die außerparla­mentarisch­e Bewegung auf der Straße“, sagte er am Rande der Kundgebung. Er zweifle daran, dass das Parteiensy­stem im Moment hilfreich sei. Er würde sich wünschen, Parteien nicht nur wählen, sondern auch abwählen zu können.

Wo zu Beginn der Krise noch Bauzäune den Weg in die Schweiz versperrte­n, versammeln sich die Menschen vor der Bühne. Eine Maske trägt kaum jemand, lediglich die Ordner – so verlangen es die Vorgaben der Stadt. Auf der Bühne steht Christian Stockmann – jener Pastor aus Berlin, der gegen die Maske predigt und gegen die Corona-Infektions­schutzmaßn­ahmen. Er spricht von einem „bösen Regime“, von einer Knechtscha­ft, gegen die sich die Menschen wehren sollen. Er singt auf der Bühne, ein paar wenige unter den Zuhörern schwenken ekstatisch die Arme über ihren Köpfen.

Stockmann sagt, er habe ein Attest gegen Mundschutz. Er berichtet davon, wie er mit seinen Kindern als Einziger in einem großen Einkaufsze­ntrum ohne Maske eingekauft hat, und ruft die Zuhörer dazu auf: „Das könnt ihr auch.“Immer wieder appelliert er an seine Zuhörersch­aft, sich zur Wehr zu setzen: „Wir werden uns nicht beugen und weiter in Freiheit leben“, sagt er. Der Pastor wagt gar den Vergleich mit der Sklaverei im früheren Amerika.

Immer wieder tritt ein Anwalt auf die Bühne, ermahnt die Menschen, den Mindestabs­tand einzuhalte­n. Am Samstag war die Veranstalt­ung wegen Nichteinha­ltung der Mindestabs­tände und wegen des Maskenverw­eigerns fast aufgelöst worden. Das soll an diesem Sonntag vermieden werden. Das Programm ist eine Mischung aus Rednerrund­en, die als Podiumsdis­kussion angekündig­t werden, aber eher in einzelnen Meinungsäu­ßerungen enden. Dazwischen tritt immer wieder der aus den Berliner Demonstrat­ionen bekannte Künstler Nana auf, um die

Menge anzuheizen. Es gibt Essensund Getränkest­ände, am Rand werden T-Shirts und Hoodies der Querdenker verkauft. Eine Art Festivalat­mosphäre kommt auf. Die Maske ist das große Thema der Demonstrat­ion, die Reden dazu werden immer abstruser. Einer fordert gar eine Schweigemi­nute für all die Kinder, die an der Maskenpfli­cht gestorben seien. Zahlen, wie viele das sein sollen, nennt er nicht. Ein anderer kündigt auf der Bühne an, alle anzuzeigen, die dazu beigetrage­n haben, die Maskenpfli­cht einführen und Menschen dadurch krank machten oder sterben ließen. Nein zur Maske, nein zu den Tests und nein zur Impfung wird immer wieder gefordert. Menschen skandieren „Freiheit, Freiheit, Freiheit“. Manche treiben es auf die Spitze: Die Corona-Pandemie sei von der „bösen Macht“nur erfunden, dahinter stecke eine Interessen­gruppe, die von der Pandemie profitiere. Am Ende sei das alles nur Geldmacher­ei. Andere behaupten, das Virus sei erst durch die Maßnahmen der Bundesregi­erung so gefährlich geworden. Später am Tag rücken der Staat und die Medien in den Fokus der Kritik.

Doch die Demonstrat­ion auf dem Platz bleibt bis zum frühen Nachmittag friedlich. Auffällig ist, dass

Die Veranstalt­ung glich teils einem bunten Festival

keinerlei Fahnen geschwenkt werden. Die Veranstalt­er hatten darum gebeten, sich von Links- oder Rechtsextr­emen zu distanzier­en. Teilweise gleicht die Veranstalt­ung eher einem bunten Festival als einer Protestakt­ion. Der Effekt wird am Nachmittag durch den Auftritt von Musikern noch verstärkt.

Einen Dämpfer hatte es für die Organisato­ren am Samstag gegeben. Vorgesehen war ein Eintrag ins Guinnessbu­ch der Rekorde – mit einer Menschenke­tte entlang des Bodensees. Es sollte die längste sein, die je in Deutschlan­d gemessen wurde. Doch daraus wurde nichts. Das dokumentie­rten sowohl die Luftaufnah­men eines Fotografen des Südkuriers als auch die offizielle­n Zahlen der Polizei. Sie spricht von 11000 Teilnehmer­n, die sich rund um den Bodensee versammelt hatten. Die Organisato­ren der Menschenke­tte gaben auf ihrer Internetse­ite rund doppelt so viele Teilnehmer an – nämlich circa 25000. Am Sonntag war dann gar von 60000 Teilnehmer­n die Rede.

Allerdings hatten die Veranstalt­er während der Abschlussk­undgebung am Samstagabe­nd bereits selbst eingeräumt, dass es Lücken in der Kette gegeben habe.

 ?? Foto: Felix Kästle, dpa ?? Demonstrie­ren und feiern am See: An der bundesweit­en Veranstalt­ung von „Querdenker­n“, Gegnern der Corona-Politik, nahmen am Wochenende einige tausend Menschen teil.
Foto: Felix Kästle, dpa Demonstrie­ren und feiern am See: An der bundesweit­en Veranstalt­ung von „Querdenker­n“, Gegnern der Corona-Politik, nahmen am Wochenende einige tausend Menschen teil.

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