Guenzburger Zeitung

Trump drängt zurück

Der amerikanis­che Präsident muss im Wahlkampf aufholen und nimmt dafür ein hohes gesundheit­liches Risiko in Kauf

- VON MARGIT HUFNAGEL

Washington Wenn die Amerikaner noch etwas eint in diesen Tagen, ist es ihr Respekt vor Veteranen. Wer für das Vaterland gekämpft hat, hat einen festen Platz in den Herzen der Nation. Kein Wunder also, dass sich US-Präsident Donald Trump inzwischen als genau das inszeniert: Als Corona-Veteran. „Es war eine sehr interessan­te Reise“, sagt er kurz vor seiner Entlassung in einem Video aus dem Krankenhau­s. „Ich habe viel über Covid gelernt. Ich habe es gelernt, indem ich wirklich zur Schule gegangen bin. Das ist die echte Schule. Das ist nicht die ,Lasst uns-die-Bücher-lesen-Schule‘.“Sein Fazit über das Virus: „Ich verstehe es.“Der Präsident versucht, die angeblich überwunden­e Krankheit im Wahlkampf zu seinem Vorteil zu nutzen. Ob es gelingt? Es ist zumindest nicht ausgeschlo­ssen.

„Trump ist ein Serien-Lügner – und inzwischen belügt er sich auch selber“, sagt Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik und Autor des Blogs usaexperte.com. „Indem er sich über den Rat der Ärzte hinwegsetz­t, nimmt er ein hohes gesundheit­liches Risiko in Kauf, um wiedergewä­hlt zu werden.“Vier Wochen vor der Präsidents­chaftswahl kann es sich Trump kaum erlauben, Schwäche zu zeigen. In Umfragen liegt der 74-jährige Republikan­er hinter seinem demokratis­chen Herausford­erer Joe Biden, 77. Trump sei klar gewesen, dass sein Verschwind­en von der politische­n Bildfläche ein entscheide­nder Nachteil im Wahlkampf gegen Joe Biden gewesen wäre. „Trumps eigenmächt­ige Entlassung aus der Klinik straft wieder einmal jene Lügen, die dachten, er sei schlau genug, um seine eigene Niederlage zu wissen und wolle sich mit Corona aus der Affäre ziehen“, sagt Braml. „Dass er andere nicht schont, war bekannt – aber dass er inzwischen auch sich selbst nicht schont, zeigt, dass er einen unbändigen Siegeswill­en hat.“

Und den sollte man nicht unterschät­zen. Trumps Wahlkampfc­hef Bill Stepien ist derzeit zwar ebenfalls außer Gefecht gesetzt, auch er hat sich angesteckt. Der Sprecher des Wahlkampft­eams, Tim Murtaugh, kündigt aber schon einmal an, dass Trump beabsichti­ge, am zweiten TV-Duell mit Biden am 15. Oktober teilzunehm­en. Bei der ersten Debatte hatte Trump Biden noch dafür verspottet, stets eine Maske zu tragen. Die Trump-freundlich­e Boulevardz­eitung New York Post schreibt: „Wenn der Präsident wieder auf Wahlkampft­our zurückkehr­t, wird er ein unbesiegba­rer Held sein, der nicht nur jeden schmutzige­n Trick der Demokraten

Trump überlebt hat, sondern auch das chinesisch­e Virus. Er wird Amerika zeigen, dass wir keine Angst mehr haben müssen.“Trump verbreitet die Passage am Montag über sein Twitter-Konto und ergänzt, eigentlich habe er den Sieg schon in der Tasche gehabt, bevor „die Seuche aus China“in die USA gekommen sei. „Werde trotzdem gewinnen.“

Wie glaubwürdi­g seine Inszenieru­ng ist, spielt dabei wohl keine Rolle mehr im aufgeheizt­en amerikanis­chen Wahlkampf. „Es gibt geradezu eine Herdenimmu­nität gegen Intelligen­z“, sagt US-Experte Braml. Die Wissenscha­ft habe schon lange einen schweren Stand – und das ja nicht nur bei Corona, sondern auch in Fragen des Klimawande­ls.

Problemati­sch für Trump: Seit seiner Infektion beherrscht das Coronaviru­s wieder die Schlagzeil­en, und aus denen wollte er die Pandemie eigentlich verdrängen. Kurz vor seiner Ansteckung fiel Trump ein Thema in den Schoß: Er konnte einen Platz am Obersten Gericht mit seiner Kandidatin Amy Coney Barrett besetzen. Ironie des Schicksals: Trump stellte Barrett im Rosengarte­n vor mehr als 100 Gästen vor, unter denen womöglich ein mit dem Virus infizierte­r Super-Spreader war. Kaum jemand redet mehr über Barrett, jeder spricht über das Coronaviru­s. Doch vier Wochen seien für Trump eine ausreichen­d lange Zeit, um weitere Diskussion­en zu provoziere­n. „Wenn es seine Gesundheit mitmacht, kann er die Themenlage drehen und sagen: Corona ist nicht schlimm und nur etwas für Verlierer“, sagt DGAP-Experte Josef Braml. (mit dpa)

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Foto: Alex Brandon, dpa Corona‰Patient Stärke. demonstrie­rt

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