Guenzburger Zeitung

Können Molkereien mehr zahlen?

Die Gewerkscha­ft fordert ein Lohnplus. Die Firmen verweisen auf Risiken

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin/München Vor der zweiten Runde der Tarifgespr­äche in der Milchwirts­chaft am Donnerstag hat die Gewerkscha­ft noch einmal Druck gemacht. Warnstreik­s sollten den Unternehme­n signalisie­ren, dass ihr bisheriges Angebot zu mager ist. In fünf Betrieben gingen die Beschäftig­ten zeitweise vor die Tür, unter anderem in Bayreuth, Würzburg und Bad Aibling.

„Der Branche geht es gut. Die Milchwirts­chaft zählt in Zeiten der Krise zu den systemrele­vanten Branchen“, sagte der Verhandlun­gsführer der Gewerkscha­ft Nahrung Genuss Gaststätte­n (NGG), Mustafa Öz. Kurzarbeit sei weitgehend ein Fremdwort geblieben.

In den vergangene­n fünf Tagen haben Mitarbeite­r in 15 Betreiben quer über den Freistaat für einige Stunden die Arbeit niedergele­gt. Die NGG verlangt sechs Prozent mehr Lohn für die rund 19000 Beschäftig­en in Bayern, mindestens aber 190 Euro mehr pro Monat. Die Gehälter der Lehrlinge sollen um 125 Euro steigen. Ein Facharbeit­er in der Käserei verdient in Vollzeit monatlich rund 3100 Euro brutto.

Die Unternehme­n haben bisher ein Plus 1,5 Prozent angeboten, sind aber damit abgeblitzt. „In der Milchwirts­chaft gibt es viel Licht und Schatten. Einige Unternehme­n sind gut durch die Krise gekommen, andere nicht“, sagte der Verhandlun­gsführer der Arbeitgebe­r, Werner Giselbrech­t. Einen Aufschlag von sechs Prozent hält er für abenteuerl­ich. Das Geschäft mit den Handelsket­ten wie Lidl, Aldi und Rewe ist laut Giselbrech­t sehr gut gelaufen. „Die Leute konnten ja im Frühjahr nicht in die Kantine gehen und mussten selber kochen.“Im Gegenzug seien aber Gastronomi­e und der Export gebeutelt worden.

Die Linken-Abgeordnet­e Susanne Ferschl aus dem Allgäu hat sich tief in die Zahlen der Branche eingegrabe­n, um die Frage zu beantworte­n, wie die Unternehme­n in Bayern dastehen. Die Daten stammen aus Abfragen beim Statistisc­hen Bundesamt. Der Umsatz ist demnach zwischen 2010 und 2019 um über 40 Prozent geklettert – von 8,25 Milliarden auf den Rekordwert von 11,7 Milliarden 2019. Im gleichen Zeitraum stellten die Unternehme­n über 4000 zusätzlich­e Mitarbeite­r ein. Letztes Jahr erwirtscha­ftete jeder Beschäftig­te einen Umsatz von 628000 Euro und damit acht Prozent mehr als vor neun Jahren.

Ferschl meint, dass die Unternehme­n wegen der guten Jahre eine kräftige Lohnsteige­rung verkraften können. „Durch ihre Arbeit haben sie auch jetzt in Krisen-Zeiten für steigende Unternehme­nsgewinne und Umsätze gesorgt, daran haben die Beschäftig­ten ihren Anteil verdient“, sagte die frühere Betriebsrä­tin unserer Redaktion. Höhere Löhne belebten die Nachfrage, „die die Wirtschaft ankurbelt“.

Der Verhandler der Molkereien hält das Polster hingegen für nicht so üppig, wie es die Zahlen nahelegen. „Frau Ferschl blickt in den Rückspiege­l. Wir haben natürlich die Unsicherhe­iten der Zukunft“, sagte Giselbrech­t. Für die Verhandlun­gen in Fürstenfel­dbruck zeigte er sich dennoch kompromiss­bereit. Er brauche keine dritte Gesprächsr­unde, nur um Härte zu demonstrie­ren.

Sein Gegenüber von der Gewerkscha­ft sieht das genauso, lässt aber keinen Zweifel daran, eben jene Härte zeigen zu können. „Kommt kein richtiges Angebot, dann gehen wir in die Vollen und werden ganze Schichten bestreiken“, kündigte Öz an. Der Warnstreik gehe dann über in einen echten Arbeitskam­pf.

Die bayerische Milchwirts­chaft wird geprägt von Konzernen wie Danone und Nestlé und größeren Mittelstän­dlern wie Meggle, Zott und Bergader. Der Milch-Riese Müller aus der Nähe von Augsburg unterliegt nicht der Tarifbindu­ng.

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