Der große Gitarrenzauberer lebt nicht mehr
Eddie Van Halen war auf seinem Instrument ein Genie. Er bescherte Musikfans unvergessliche Momente
Santa Monica/Augsburg Es war einer dieser „Was-zum-Henker-ist-dasdenn?“-Momente. Er dauerte genau eine Minute und 42 Sekunden: Ein paar Schläge vom Schlagzeug, und dann bretterte diese sagenhaft verzerrte Gitarre los – mit irrsinnig schnellen, schrägen Läufen. Dank eines exzessiven Einsatzes des Vibratohebels, gemeinhin Jammerhaken genannt, merkwürdig verzogen und verbogen. Nach 58 Sekunden prasselte eine klassisch inspirierte, aber höllisch schnell gespielte Tonkaskade auf einen nieder, die so noch nie in der Rockmusik zu hören war. Ein Vulkanausbruch – und so hieß das Stück auch, „Eruption“.
Angefacht hatte den Vulkan einer, den damals, 1978, eigentlich niemand kannte: Eddie Van Halen.
Der 1:42-Moment hat das Spiel der Rockgitarre für immer verändert.
Der Mann, der die Gitarrenwelt mit seinem Ausbruch zerlegt und wild neu zusammengesetzt hat, ist am Dienstag im Alter von 65 Jahren an den Folgen seiner Krebserkrankung gestorben: Edward Lodewijk Van Halen.
Ohne Zigarette war er nicht zu haben. Und es gab diesen Moment, ein weiterer Rock-Moment, bei seinen Auftritten, da klemmte er die Kippe am Gitarrenkopf zwischen die Saiten, wie es die alten Bluesmänner taten – und spielte sein großes Solo. In diesen Minuten konnte er die Zigarette nicht gebrauchen, denn beide Hände mussten ja jenen ekstatischen Tanz über die Saiten vollführen, der ihm musikalische Unsterblichkeit beschert hat.
Zwar hatte Van Halen diese sogenannte Tapping-Technik nicht erfunden, bei der die Finger der rechten Hand die Saiten auf dem Griffbrett anschlagen, was bis dahin als unspielbar geltende Läufe ermöglichte. Doch er perfektionierte das
Tapping und machte es populär, sodass irgendwann jeder mittelmäßige Hardrock-Gitarrist versuchte, es ihm gleichzutun. Diese ZaubererTechnik wird für immer mit Van Halen verbunden sein.
1962 war die Familie Van Halen aus den Niederlanden nach Kalifornien ausgewandert. Edward und sein älterer Bruder Alex, ein exquisiter Schlagzeuger, formten in den USA erste Bands. Doch erst als sie den Sänger, Frauentyp und Showman David Lee Roth trafen, entstand eine der wichtigsten und erfolgreichsten Hardrock-Gruppen der Rock-Geschichte, „Van Halen“. Bereits das Debüt-Album mit „Eruption“katapultierte die Band in den Rock-Himmel. Und natürlich „Jump“, der Song, der 1984 zum Welthit wurde. Im Rock-Himmel blieb die Band, auch nachdem
Paradiesvogel Roth gegangen und durch den eher bodenständigen, aber stimmgewaltigen Sammy Hagar ersetzt worden war. Nach dessen Abgang 1996 begann der langsame Abstieg der Band. In seinen letzten Jahren hatte Van Halen zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, unter anderem mit seiner Alkoholsucht. Die Aufnahme in die Rock & Roll Hall of Fame verpasste er 2007, weil er in der Entziehungsklinik steckte.
Was bleibt? Berauschende Gitarrenmomente. Zwar können heute viele Gitarristen auch irrwitzige Dinge spielen, aber es ist wie mit der Mondlandung: Nur einer war der Erste, der den „großen Schritt für die Menschheit“gehen konnte. Eddie Van Halen ging den Schritt für die Gitarrenwelt, alle anderen müssen sich dahinter einreihen.