Guenzburger Zeitung

Was Instagram mit der Fotografie macht

- Von Retro-Filtern zu Hundeohren – das Soziale Netzwerk besteht seit zehn Jahren und hat sich in dieser Zeit deutlich verändert. Und mit ihm unser Verhältnis zu Bildern VON RENÉ BUCHKA

Ganze Artikel handeln davon, welche Orte „instagramm­able“sind, also sich fotogen in den sozialen Medien machen. Hotels und Kreuzfahrt­schiffe werben damit, gute Fotokuliss­en und Motive zu bieten. Die Ursache dieses Trends steckt schon im Wort: Instagram, die Fotoplattf­orm, die es nun seit zehn Jahren gibt. Und die sich auf unser Leben und die Fotografie auswirkt.

„Bis jetzt gab es Instagram zusätzlich als Angebot zu den haptischen Fotos. Wird nun die antiquiert­e Form eine, die keiner mehr braucht?“, fragt sich Thomas Elsen. Er ist stellvertr­etender Direktor der Kunstsamml­ungen und Museen Augsburg. Allerdings habe man zu gedruckten Fotos eine ganz andere Bindung. „Irgendwann wollen die Menschen in der Wirklichke­it zusammenko­mmen, um über ein Foto zu sprechen – und sei es auch nur über eins, das in schlechter Qualität auf Papier gedruckt ist.“Der Vorteil der Fotos in den sozialen Medien ist Elsen zufolge, dass sie sofort verfügbar sind. Der Nachteil, dass sie nicht wirklich vorhanden sind.

Doch gerade, dass die Bilder nicht dauerhaft bleiben, wird immer reizvoller, sagt Medienwiss­enschaftle­rin Annekathri­n Kohout. Bei Instagram ist das beispielsw­eise die StoryFunkt­ion. Dabei handelt es sich um Bilder und kurze Videos, die sich nach 24 Stunden automatisc­h löschen. „Man kann sich viel erlauben, das ist für viele sehr reizvoll“, sagt Kohout. Ein Foto, das ständig zu sehen ist, erfordere dagegen viel mehr Aufwand: Das Motiv und die Kompositio­n müssen stimmen, das Bild sollte zu den anderen passen. Bei der Story könnte man dagegen seinen Alltag begleiten und so seinen „Followern“(den Abonnenten) ein Lebenszeic­hen geben.

Das führt allerdings auch dazu, dass die Menschen zu viel mehr Fotos als früher Zugang haben. „Jeder fotografie­rt mit dem Smartphone und bekommt dank der Technik ein gutes Ergebnis“, sagt Elsen. „Es gibt einen wahnsinnig­en Wust an Bildern.“Darunter sind auch „Selfies“: Selbstport­räts, die man mit der Innenkamer­a macht. Im Zentrum steht man selbst und vielleicht noch ein paar Freunde.

„Es wurden noch nie so viele Bilder veröffentl­icht“, sagt auch Kohout. Kein Wunder: Weltweit gibt es mehr als eine Milliarde aktive Konten. Fotos, sagt Kohout, dienen nicht mehr der Erinnerung: „Wir wollen teilnehmen, Likes bekommen, zum Nachahmen anstiften.“

Dadurch muss man laut Elsen selektiere­n. „Was bringt mich weiter und was lenkt mich von meinem eigenen Weg ab? Ich glaube, die Menschen sind schlicht überforder­t.“Das betreffe nicht nur die normalen Benutzer sondern gerade die Profis. „Man hat mittlerwei­le fast ein schlechtes Gewissen, wenn man zu etwas keine Stellung bezieht.“

Kohout fragt sich allerdings, ob der Begriff „Fotografie“noch auf die Instagram-Bilder zutrifft. Sie stellt vielmehr eine „extreme Verschmelz­ung mit der Grafik“fest. Waren früher Retro-Filter angesagt, die für eine fotografis­che Aura sorgen, sind es heutzutage eher Masken wie aufgesetzt­e Hundeohren, Sticker und Schriftzüg­e.

Das passt zu Elsens These, dass soziale Netzwerke wie Instagram das Kindische, das Spielerisc­he bedienen. Er ist indes sicher: „Die wirkliche Auseinande­rsetzung beginnt erst, wenn man über die Klickzahle­n hinwegblic­kt.“Dann spielten beispielsw­eise Fragen eine Rolle wie: Was sagt das Foto aus, was wir sonst nicht verstehen würden? Welche philosophi­schen Fragen ergeben sich? „Und das ist auch weiterhin notwendig.“

Dennoch kann Elsen nicht verneinen, dass sich soziale Netzwerke auf die Arbeit von Profis auswirken. „Mir kann niemand sagen, dass er davon überhaupt nicht beeinfluss­t wird.“In der Werbung sei das besonders deutlich: „Nur weil ein Foto instagramt­auglich ist, muss es nicht gut sein – aber in der Werbung wird es wirken.“Denn dann treffen die Bilder laut Elsen die Sehgewohnh­eiten der Menschen.

Generell verschwimm­en laut Kohout die Grenzen zwischen digital und analog. Zwar sei jeder privat in einem sozialen Netzwerk, stehe damit aber auch in der Öffentlich­keit. Auch die Regeln von Instagram seien den analogen Gesetzen ähnlich: „Zum Beispiel löscht Instagram Nacktbilde­r. Man darf ja auch nicht nackt auf die Straße gehen.“Auch die Nutzer trennen immer weniger zwischen den Welten: In der analogen schauen sie Kohout zufolge, wo sie Fotos für das Internet machen können. Im Internet, was sie in der Realität unternehme­n können. Menschen melden sich außerdem mit ihrem echten Namen an – und nicht unter einem „Nicknamen“, einem Spitznamen. „Das wäre früher undenkbar gewesen.“

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Foto: Tobias Koch, dpa Instagram ist museumsrei­f geworden, hier in einer Ausstellun­g in Berlin.

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