Guenzburger Zeitung

Ein Ex-Genosse als Gefahr für Scholz Porträt

Finanzpoli­tiker Kay Gottschalk von der AfD leitet den Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags im Wirecard-Skandal. Einst rief er zum Boykott türkischer Läden auf

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Mit Kay Gottschalk führt zum ersten Mal ein AfD-Mann das „schärfste Schwert“der Opposition gegen die Regierung. Ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss gilt als Waffe, die den Mächtigen empfindlic­he Wunden beibringen kann – wenn sie denn geschickt geführt wird. Angesichts der hohen politische­n Brisanz des Wirecard-Skandals, den der AfD-Mann nun federführe­nd aufarbeite­n soll, hängt von seiner Amtsführun­g für einige Regierungs­mitglieder viel ab. Für Kanzlerin Angela Merkel, die in China für den inzwischen insolvente­n Finanzdien­stleister vorsprach, für ihren CDU-Parteifreu­nd Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, vor allem für Bundesfina­nzminister Olaf Scholz. Für den SPD-Kanzlerkan­didaten könnte es besonders unangenehm werden, trägt er doch die Verantwort­ung für die staatliche Finanzaufs­icht

Bafin. Die hat in der Luftbuchun­gsaffäre mit bis zu drei Milliarden Euro Schaden offenbar völlig versagt.

Wenn Scholz im Ausschuss Rede und Antwort stehen muss, trifft er auf einen ehemaligen Parteifreu­nd. Gottschalk, der aus Hamburg stammt und in Viersen in Nordrhein-Westfalen lebt, war einst Mitglied der SPD. 2013 zählte er allerdings zu den Gründungsm­itgliedern der AfD. Er gilt als Vertreter des gemäßigten Teils der Partei und kritisiert­e immer wieder den rechtsnati­onalen „Flügel“um Björn Höcke.

Doch auch Gottschalk machte mehrfach mit populistis­chen Äußerungen auf sich aufmerksam. 2018 etwa rief er zu einem Boykott

von Geschäften in Deutschlan­d auf, deren Besitzer einen türkischen Hintergrun­d haben. Diese seien überwiegen­d Befürworte­r der Politik Erdogans, der etwa Kurden angreife, so Gottschalk. Sogar aus der eigenen Partei kamen Rücktritts­forderunge­n. Der Staatsschu­tz eröffnete ein Ermittlung­sverfahren, das später allerdings eingestell­t wurde.

Auf dem AfD-Bundespart­eitag in Hannover 2017 wurde Gottschalk zum stellvertr­etenden Bundesvors­itzenden gewählt. Auf dem Weg zur Veranstalt­ung hatten Gegendemon­stranten ihm den Weg versperrt und das Handgelenk gebrochen. Seinen Posten im Bundesvors­tand verlor der 54-Jährige bereits Ende 2019 wieder.

Er unterlag Rechtsauße­n Andreas Kalbitz.

In der AfD-Bundestags­fraktion ist der Diplom-Kaufmann und Jurist Gottschalk finanzpoli­tischer Sprecher. Als solcher kritisiert­e er etwa Corona-Hilfen für Italien oder Frankreich. Der Ausschussv­orsitz fiel der AfD durch eine parlamenta­rische Gepflogenh­eit zu, nach der die Posten nach Fraktionsg­röße vergeben werden. Grüne und Linksparte­i hätten den AfD-Mann gern verhindert, äußerten bei der Auftaktsit­zung Bedenken, es kam zur geheimen Wahl. Doch Gottschalk wurde mit knapper Mehrheit zum Vorsitzend­en gewählt.

Ob er die scharfe Klinge treffsiche­r zur Aufklärung einsetzt oder aber nur drohend populistis­ch mit ihr herumfucht­elt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Bernhard Junginger

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Foto: dpa

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