Guenzburger Zeitung

Der Schattenma­nn

Laschet, Merz, Röttgen? Die CDU steht in Umfragen am besten da und tut sich doch am schwersten, einen Kanzlerkan­didaten zu finden. Hinter den Kulissen wird immer öfter einer genannt, der gar nicht auf der Liste steht

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Es ist nicht so lange her, da haben sich viele in der CDU danach gesehnt, die Ära Angela Merkel hinter sich zu lassen. Doch je näher der Tag rückt, desto größer werden die Zweifel, ob das, was danach kommt, wirklich besser ist. Das liegt zum einen daran, dass die Kanzlerin so beliebt ist wie selten. Es gibt aber einen zweiten Grund für die wachsende Nervosität: Keiner der drei Herren, die CDU-Chef – und damit wohl auch Kanzlerkan­didat – werden wollen, konnte die vergangene­n Monate nutzen, um die Konkurrent­en abzuhängen.

Viel deutet also auf eine Kampfabsti­mmung auf dem Parteitag hin, der Anfang Dezember stattfinde­n soll. Damit hat man in der Union, die immer dann am stärksten war, wenn sie nach außen hin geschlosse­n auftrat, allerdings gar keine guten Erfahrunge­n gemacht. Man fürchtet, dass sich die Geschichte von Annegret Kramp-Karrenbaue­r wiederhole­n könnte. Sie hatte sich im Dezember 2018 im Duell mit Friedrich Merz hauchdünn durchgeset­zt – und musste sich vom ersten Tag an als Parteivors­itzende Sticheleie­n aus dem Lager des Unterlegen­en gefallen lassen. Merz hat seine Niederlage nie verwunden und nimmt nun seinen alleraller­letzten Anlauf, doch noch ganz nach oben zu kommen. Ob er sich gegen Armin Laschet durchsetze­n kann, ist jedoch höchst ungewiss. Und dann mischt ja auch noch Norbert Röttgen mit. Es ist paradox: Die Partei, die in Umfragen am besten dasteht, tut sich am schwersten, einen Spitzenkan­didaten zu finden. Die Schwäche der drei Bewerber führt dazu, dass hinter den Kulissen immer öfter ein Name genannt wird, der gar nicht auf der Liste steht.

Als Bundesgesu­ndheitsmin­ister hat Jens Spahn in der Corona-Krise beileibe nicht alles richtig gemacht.

Aber er konnte die Deutschen davon überzeugen, dass er doch nicht nur ein ichbezogen­er Karrierist ist. Seine Popularitä­tswerte liegen weit über jenen von Laschet, Merz und Röttgen. Und der 40-Jährige steht als Einziger für einen Generation­enwechsel. Kann es sich die CDU leisten, solche Faktoren auszublend­en, wenn es darum geht, den Kanzlerkan­didaten aufzustell­en, der im kommenden Jahr die besten Chancen bei den Wählern hat?

Dass Spahn ins Kanzleramt will, ist kein Geheimnis. Nur wann? Nach einem gescheiter­ten Versuch, CDU-Chef zu werden, war er dieses Mal „nur“als Juniorpart­ner von Laschet ins Rennen gegangen. Und selbst wenn es derzeit verlockend einfach erscheint, wird er aus dieser Rolle nicht herauskomm­en, ohne wie ein Königsmörd­er dazustehen und all jene zu bestätigen, die in ihm schon immer einen überehrgei­zigen Selbstdars­teller sahen.

Der Gesundheit­sminister genießt seinen gestiegene­n Marktwert also im Stillen – und wartet ab. Das eint ihn mit Markus Söder. Auch der bayerische Ministerpr­äsident gilt nach wie vor als Option für die Kanzlerkan­didatur der Union. Dass Merz oder Laschet im Falle ihrer Wahl zum CDU-Chef dem Bayern ohne Not das Feld überlassen würden, gilt zwar als unwahrsche­inlich. Doch Not kann schnell entstehen, wenn der neue Parteivors­itzende bei den Wählern nicht so gut ankommt wie Spahn oder Söder. Natürlich darf sich eine Partei nicht allein von Umfragen leiten lassen. Doch genauso fahrlässig wäre es zu ignorieren, wen die Bürger am liebsten im Kanzleramt sehen würden. Söder, da ist man sich in München einig, wird kein Risiko eingehen, das er nicht eingehen muss. Er hat auch deutlich mehr zu verlieren als Spahn. Für den Gesundheit­sminister wiederum gibt es mehrere mögliche Wege. Erstens: Laschet lässt ihm den Vortritt, Spahn tritt im Dezember selbst an und wird als Kompromiss­kandidat CDU-Chef. Dann müsste er sich nur noch mit der CSU in der K-Frage einig werden. Zweitens: Die CDU wählt einen anderen Vorsitzend­en mit einem wenig überzeugen­den Ergebnis, der dann zu schwach erscheint, um auch Spitzenkan­didat für die Bundestags­wahl zu werden – siehe Kramp-Karrenbaue­r. Dann könnte Spahn sogar ohne Parteivors­itz Kanzlerkan­didat werden – es sei denn, Söder käme in diesem Fall doch in Versuchung.

Noch erscheinen solche Szenarien eher theoretisc­h. Noch glauben Merz und Laschet an ihren Erfolg und Spahn bleibt der Schattenma­nn. Doch sein Schatten wird größer.

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Foto: Christian Spicker, Imago Images In der Corona‰Krise hat Gesundheit­sminister Jens Spahn viele Wähler überzeugt.

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