WirecardZentrale wird fertiggebaut
Ein Unternehmen aus Nördlingen erstellte den Rohbau des Gebäudes in Aschheim, in den der Konzern sich einmieten wollte. Was mit dem Komplex nun passieren soll
Aschheim Anfang 2019 noch war man bei dem Grünwalder Vermögensverwalter Rock Capital euphorisch: Die größte Bürovermietung Münchens in den vergangenen zwölf Jahren habe man unter Dach und Fach gebracht, den umfangreichsten Vermietungsabschluss Deutschlands im Jahr 2018 gar, hieß es in einer Mitteilung. Dann noch der Mieter: ein aufstrebender DaxKonzern. Eine Illustration zeigt das künftige Gebäude am Münchner Stadtrand in Aschheim: fünf Stockwerke, davor Bäume, dahinter grünes Land. Am oberen Rand prangt ein Schriftzug: Wirecard, einst Hoffnung der deutschen Finanzbranche, heute Pleite-Konzern.
Doch an der Baustelle wird weitergearbeitet. Ein Altbau mit drei Stockwerken, früher Standort des IT-Konzerns Hewlett Packard, erhält zwei weitere, daneben entsteht ein Neubau. Insgesamt geht es um mehr als 40000 Quadratmeter Büro-, Labor- und Lagerfläche. Werner Luther ist Chef des Bauunternehmens Eigner im nordschwäbischen Nördlingen. Seine Firma hatte den Auftrag für die Rohbauarbeiten in Aschheim erhalten – mit einem Volumen von 15 Millionen Euro. Der Traditionsbetrieb baut regelmäßig Großprojekte in der Region und im Raum München, zum Beispiel die Zentrale der Firma Zott oder das Verwaltungsgebäude des FC Bayern München.
Den Sitz eines Dax-Konzerns zu bauen sei Grund zur Freude gewesen, erzählt Luther. „Wir haben im Januar mit dem Bau begonnen“, sagt er. Eigentlich lief alles nach Plan auf der Baustelle – nicht so jedoch beim künftigen Mieter. Im Mai und Juni stürzte Wirecard ab. Erst wurde die Konzernbilanz zu spät vorgelegt, dann durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Geschäftsräume am bisherigen Hauptsitz, ebenfalls in Aschheim. Es folgte die Verschiebung der Bilanzpressekonferenz, der Vorstandsvorsitzende Markus Braun trat zurück. Wenige Tage nachdem klar war, dass die knapp zwei Milliarden Euro des Finanzdienstleisters auf angeblichen asiatischen Konten in Wahrheit
existieren, ist Wirecard insolvent. Der Nördlinger Bauunternehmer hat die Ereignisse gespannt verfolgt – schließlich hing der Großauftrag an dem Unternehmen. „Anfangs haben wir uns natürlich gefreut, die Zentrale eines Dax-Konzerns zu bauen“, sagt er. Doch für ihn und seine Mitarbeiter habe sich die Unsicherheit schnell geklärt. Der Investor Rock Capital habe Bürgschaften vorgelegt und garantiert, über genug Kapital zur Vollendung des Bauwerks zu verfügen. Luther geht davon aus, dass das Gebäude nach seiner Fertigstellung mehreren Mietern zur Verfügung steht, wenn Wirecard nicht einzieht – und darauf deutet derzeit alles hin.
Rock Capital will sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu der Immobilie äußern. Auf seiner Facebook-Seite äußert sich das Unternehmen regelmäßig zu dem Objekt.
Am 12. Juni noch nannte es das Gebäude „Wirecard Headquarter“– knapp zwei Wochen vor der Insolvenz des Konzerns. Am 8. September meldete sich Rock Capital erneut zu der Immobile zu Wort – von Wirecard ist zu dem Zeitpunkt keine Rede mehr. Dafür nennt das Unternehmen Kontaktmöglichkeit für diejenigen, die „Interesse an der Anmietung von modernsten Flächen“haben. Auch für den Aschheimer Bürgermeister Thomas Glashauser ist die Wirecard-Insolvenz und die Mietersuche für das Gebäude ein Rückschlag. Wie es in einem früheren Bericht der Gemeinde heißt, sei Aschheim bemüht, den Unternehmen zu helfen, die gewünschten Standortbedingungen zu schaffen. „Wirecard bekam neben den neu angemieteten Gebäuden noch die Gelegenheit zum Bau eines Parkhauses.“Das war Medienbenicht richten zufolge eine umstrittene Entscheidung in der 9300-Einwohner-Gemeinde. Außerdem sei die Gewerbesteuer gesenkt worden. Heute heißt es aus dem Rathaus, man sei zuversichtlich, dass das Bürogebäude vermietet werden kann. „Der Vermieter sieht das Parkhaus auch nach Ausscheiden des Mieters Wirecard als notwendig an.“Es sei vorgesehen gewesen, um die notwendigen Stellplätze für die Firma zu erreichen. Bezüglich der Steuersenkung heißt es, der Bürgermeister könne den Satz nicht mit einer Firma „absprechen“. Er werde mit Blick auf die 1500 Betriebe in Aschheim festgesetzt.
Wie schwerwiegend der Verlust Wirecards für Aschheim ist, dazu will man sich lieber nicht äußern. „Der Gemeinde ist nicht bekannt, dass das Steuergeheimnis der Abgabenordnung aufgehoben wurde.“