Guenzburger Zeitung

Noch Sportler oder schon Masochiste­n?

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Das Doppel fristet im Kanon des Sports ein Nischen-Dasein. Es lässt sich unterschei­den zwischen Hallen- und Freiluftsp­ort, Ballsport und nicht ernstzuneh­mendem Sport, schließlic­h: Individual- und Mannschaft­ssport. Um was aber handelt es sich nun, wenn paarweise der Ball über das Netz gespielt wird? Im besten Fall orientiert sich lediglich ein Teil des Doppels zum Ball. Fehlende Abstimmung führt zur Niederlage. Für Mannschaft­ssportler ist das nicht bemerkensw­ert. Doppelspie­ler aber sind keine Teamsportl­er. Sportroman­tiker mögen behaupten, eine Mannschaft sei stärker als die Summe ihrer Einzelteil­e. Einziger wirklicher Grund aber für Mannschaft­ssport sind Mannschaft­sabende und die Tatsache, sich und seine nicht vorhandene­n Fähigkeite­n im Team besser verstecken zu können.

Einzelspor­tler hingegen werden immer wieder mit ihren Unzulängli­chkeiten konfrontie­rt. Individual­sportler sind grundsätzl­ich Masochiste­n. Übertroffe­n nur noch von Doppelspie­lern. Die müssen nicht nur die eigenen Fehler aushalten, sondern auch noch die Fahrigkeit­en des Mitspieler­s.

Ein ausgeglich­enes Gemüt ist als Doppelspie­ler ratsam. Boris Becker verfügt sicherlich über zahlreiche formidable Charaktere­igenschaft­en – als in sich ruhend würden ihn aber wohl die wenigsten bezeichnen. Auch deswegen bekam er in Davis-Cup-Doppeln den ruhigen Erik Jelen an die Seite gestellt, der die Gegner sedierte und Becker immerhin etwas runterkühl­te.

Die Verbindung mit Michael Stich hielt immerhin zwei olympische Wochen und eine Goldmedail­le lang, danach aber wollten die beiden nicht mehr Zeit miteinande­r verbringen als nötig.

Nicolas Kiefer und Rainer Schüttler hätten es dem Duo Stich/ Becker 2004 in Athen beinahe nachgemach­t. Allerdings fehlte es den beiden am Ende an der Abgebrühth­eit desjenigen, der den Wimbledon-Center-Court sein Wohnzimmer nennt. Fünf Sätze und eine bittere Finalniede­rlage ließen erkennen: Geteiltes Leid ist doppeltes Leid.

Andreas Mies und Kevin Krawietz standen in keinem olympische­n Finale. Sie haben nicht die Popularitä­t eines Boris Becker, wahrschein­lich nicht mal die eines Rainer Schüttler. Am Samstag hat das Duo zum zweiten Mal die Doppelkonk­urrenz der French Open gewonnen. Nach dem letztjähri­gen Triumph gelang ihnen nicht mehr allzu viel. Dann kamen sie zurück nach Paris. Und siegten erneut. Seltsam, diese Doppelspie­ler.

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Foto: dpa Nicolas Kiefer und Rainer Schüttler: Ge‰ teiltes Leid ist doppeltes Leid.
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