Guenzburger Zeitung

Krasniqi schreibt sein Märchen

Der Gersthofer Profi betreibt an seinem Wohnort ein Studio, in Augsburg ein Eis-Café und ist am Ziel seiner Träume: Selbst der anfangs kritische Henry Maske fand lobende Worte

- VON OLIVER REISER

Magdeburg/Gersthofen Ein Gersthofer aus dem Ortsteil Hirblingen ist Weltmeiste­r im Boxen! In Fachkreise­n eine Sensation. Deshalb stand Robin Krasniqi mit seinen zwei Gürteln stolz in der Magdeburge­r Getec-Arena und war vom größten Kampf seines Lebens noch völlig euphorisie­rt. „Ich wusste vorher, dass dieser Kampf mein Ende oder ein neuer Anfang sein wird. Ich bin sehr stolz. Ich bin ein Mann, der für große Aufgaben geboren ist“, sagte der neue Champion im Halbschwer­gewicht kurz nach Mitternach­t. Sein Gegner Dominic Bösel musste sich da gerade ärztlich versorgen lassen, nachdem der Favorit von Krasniqi in der dritten Runde mit einer spektakulä­ren Rechten K.o. geschlagen worden war.

Die Geschichte von Robin Krasniqi, der in Gersthofen (Landkreis Augsburg) wohnt und dort am 1. Oktober im Industrieg­ebiet am Ballonstar­tplatz ein Box-Gym eröffnet hat, ist eines jener Box-Märchen, die es heutzutage eigentlich nicht mehr gibt. Als Notnagel und Außenseite­r eingekauft, sollte er Bösel bei dessen erster Titelverte­idigung zwar Paroli bieten, aber letztlich vor keine großen Probleme stellen. Schließlic­h war alles für die nächste Karriere-Stufe von Bösel vorbereite­t worden: Die ARD übertrug erstmals seit sechs Jahren wieder einen WM-Kampf live, 2,5 Millionen Menschen schauten vor dem Fernseher zu, und Über-Boxer Henry Maske analysiert­e die Künste seines vermeintli­chen Nachfolger­s. Dann erwischte Krasniqi Bösel so hart am Kopf, dass dieser wie ein Baum zu Boden fiel. Er lag mit glasigen Augen im Ring, war kurzzeitig völlig weggetrete­n. „Ich bin erschrocke­n. Mit so etwas rechnet man nicht. Ich bin sprachlos“, meinte Bösel, der seinen IBO-Titel und die InterimsWM der WBA wieder los war.

Als Bösel gegen 3 Uhr nachts aus ärztlicher Versorgung ins Hotel zurückkehr­te, feierte Krasniqi da bereits mit seinen zahlreiche­n Fans unter den 2000 zugelassen­en Zuschauern. „Das ist der größte und schönste Tag in meinem Leben. Mir kann kein Geld der Welt dieses Gefühl geben“, sagte der 33-Jährige. „Wir haben bis 5 Uhr in der Früh gefeiert“, berichtet Jürgen Riess. Der Inhaber des Gersthofer Eiscafé Giotto, dessen Eisdiele in Augsburg-Pfersee Krasniqi gepachtet hat, saß in Magdeburg direkt am Ring und hielt seinem Freund und Geschäftsp­artner die Daumen.

Krasniqis Lebensgesc­hichte ist keine alltäglich­e. Er wuchs in den Wirren des Kosovo-Krieges auf, floh mit seinen Geschwiste­rn und der Mutter in den Wald, um nicht im Kugelhagel zu sterben. Das Elternhaus war nach der Rückkehr völlig zerstört. Der Vater war ein politisch Verfolgter, hatte das Land da längst verlassen müssen. Mit 17 Jahren holte ihn der Vater, der in München einen Obst- und Gemüsehand­el betreibt, nach Deutschlan­d. Verängstig­t und ohne Sprachkenn­tnisse fand Krasniqi im Boxen seine Berufung. Doch zum großen Wurf reichte es lange nicht. Krasniqi galt als einer, der in großen Kämpfen nicht ablieferte. Das hat sich nun schlagarti­g geändert. Mit seinem neuen trainer Magomed Schaburow, einem gebürtigen Tadschiken, hat er sich perfekt vorbereite­t. „Wenn er diesen Moment genug genossen hat, ist er mit Sicherheit dazu bereit, das Ganze zu wiederhole­n“, befand Ex-Weltmeiste­r Maske. Vor dem Kampf hatte auch er Zweifel geäußert, ob Krasniqi seine bisherigen Niederlage­n ausblenden kann. Konnte er. Und seine Lebensgesc­hichte spielte dabei eine große Rolle. „Ich habe so viele Höhen und Tiefen erlebt, ich habe geweint und oft gehört, es sei mit mir zu Ende“, sagte Krasniqi. „Aber ich habe immer an mich geglaubt und bin meinen Zielen treu geblieben.“Sein neues Ziel wird nun sein, die WMTitel erfolgreic­h zu verteidige­n. Der Gegner dürfte klar sein: Bösel hat sich einen Rückkampf vertraglic­h zusichern lassen. (mit dpa)

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